Ein halbes Jahr reiste Alexander Gerst schwerelos durch das Weltall. Seit einer guten Woche ist er zurück auf der Erde. Sein Blick auf unsere Welt ist heute ein anderer sagt er.
Der deutsche Astronaut Alexander Gerst ist noch immer begeistert von seinem Ausflug ins All und seiner Zeit auf der Internationalen Raumstation ISS. Sein Körper hat das halbe Jahr Schwerelosigkeit gut überstanden. Jetzt will der 38-Jährige der Europäischen Raumfahrtagentur Esa helfen, künftige Astronauten und Missionen vorzubereiten.
FOCUS Online: Welches war das eindrücklichste Bild, das Sie aus dem Weltall gesehen haben?
Alexander Gerst: Der traurigste Blick war sicherlich, einen Krieg aus dem All zu sehen. Das hat mich sehr berührt. Es ist grotesk von oben zu sehen, wie sich unten auf der Erde Menschen gegenseitig bekämpfen.
Ich habe mir überlegt, wie ich so etwas außerirdischen Besuchern erklären sollte – wenn wir jemals von solchen Besuch bekämen. Aber wie soll man jemandem klarmachen, dass wir Menschen auf einem so kleinen, begrenzten Planeten leben, und uns dabei auch noch selbst bekriegen?
FOCUS Online: Welcher Bilder sind Ihnen sonst noch im Kopf geblieben?
Gerst: Ich konnte zum Beispiel schockierend deutlich erkennen, wie wir unseren Regenwald roden. Es war mir bis dahin gar nicht klar, wie viel davon schon zerstört ist. Von oben sieht man eindeutig, welch ein riesiges Areal das ist, nicht einfach hier und da mal ein Fleck. Wir haben einen substanziellen Teil einer für uns überlebenswichtigen Ressource schon zerstört.
Aber natürlich gab es auch Bilder, die unglaublich schön waren. Ein Sonnenaufgang oder ein Sonnenuntergang geht einem emotional sehr nah. Es ist ein tolles Gefühl. Und es ist wunderschön und ungewohnt, unsere Erde als planetaren Körper zu sehen.
FOCUS Online: Fühlt man sich dort oben nicht fürchterlich klein?
Gerst: Darüber habe ich mir in dem Moment eigentlich keine Gedanken gemacht. Ich habe mich auf das konzentriert, was ich sehe. Ich habe aber auch nicht die Tendenz dazu, mich mit einem Planeten zu vergleichen.
Aber die Erde ist für mich tatsächlich kleiner geworden. Wer die Welt einmal von oben gesehen hat, dem kommt sie plötzlich sehr viel kleiner vor. Das ist vielleicht vergleichbar damit, seine Heimatstadt aus einem Flugzeug zu sehen, nur extremer.
FOCUS Online: Hat sich Ihre Sichtweise auf die Erde dadurch geändert?
Gerst: Sehr sogar. Mir ist bewusst geworden, dass wir Menschen lediglich einen kleinen blauen Steinklumpen bevölkern. Wenn man da ein paar Monate darüber hinweg fliegt und regelmäßig aus dem Fenster schaut, kennt man irgendwann alle Orte von oben.
Nach einer Weile wusste ich bereits nach einem kurzen Blick aus dem Fenster, wo wir uns gerade befinden. Da wird einem nochmal bewusst: Wir haben nicht unendlich viele Flüsse, unendlich viele Seen und unendlich viele Ressourcen zur Verfügung. Wir haben von jedem Ort nur einen. Und unsere Erde ist in Wahrheit nicht so groß, wie sie uns von hier unten vorkommt.