WELTGo!
Journalismus neu erleben und produktiver werden
Ihr Assistent Journalismus neu erleben und produktiver werden
WELTGO! ENTDECKEN
  1. Home
  2. Wissenschaft
  3. Urmensch : Der Hobbit ist ein geschrumpfter Homo erectus

Wissenschaft Urmensch

Der Hobbit ist ein geschrumpfter Homo erectus

Chefkorrespondent Wissenschaft
Der Schädel eines Homo floresiensis (links) und eines modernen Schädels im Vergleich Der Schädel eines Homo floresiensis (links) und eines modernen Schädels im Vergleich
Der Schädel eines Homo floresiensis (links) und eines modernen Schädels im Vergleich
Quelle: picture alliance / AP Photo
„Oh, ein Kind“ dachten Paläontologen, als sie auf der indonesischen Insel Flores auf ein Skelett stießen. Zehn Jahre später ist klar: Sie hatten gerade eine bis dahin unbekannte Menschenart entdeckt.

Vor zehn Jahren, am 27. Oktober 2004, sorgte eine Wissenschaftsnachricht weltweit für Aufsehen. Ein Forscherteam hatte auf der kleinen indonesischen Insel Flores die Überreste einer bislang unbekannten Menschenart entdeckt. Schon das war eine Sensation. Überdies sollten diese Wesen erst vor vergleichsweise kurzer Zeit ausgestorben sein. Die von den Entdeckern Homo floresiensis getaufte Menschenart lebte, wie Radiokarbon-Datierungen ergaben, noch vor rund 18.000 Jahren. Zum Vergleich: Der Neandertaler starb bereits vor circa 30.000 Jahren aus.

Als der australische Paläontologe Peter Brown und sein aus Neuseeland stammender Kollege Mike Morwood mit den Grabungen in einer Kalkstein-Höhle namens Liang Bua auf dem Hochland von Flores begannen, ging es ihnen um die Frage, ob und wie Menschen der Vorzeit zwischen Asien und Australien gereist sind. In 5,90 Meter Tiefe stießen sie im September 2003 auf ein rund einen Meter großes Skelett. „Oh, ein Kind“, war der erste Gedanke der Forscher. Doch eine etwas genauere Betrachtung offenbarte, dass es sich hier nicht um einen modernen Menschen der Gattung Homo sapiens handeln konnte.

Tatsächlich zeigten die fossilen Überreste Merkmale, wie man sie nur von sehr viel älteren Hominiden kennt, doch zugleich auch Merkmale, die sehr ähnlich jenen eines modernen Menschen sind. Es musste sich also um eine bislang unbekannte Hominidenart handeln. Aus diversen Körpermerkmalen konnte die Wissenschaftler ableiten, dass es sich auch nicht um ein Kinde, sondern um eine erwachsene Frau gehandelt hat.

Mike Morwood erfand damals den medienwirksamen Namen „Hobbit“. Peter Brown hielt das eher für unseriös. Er versuchte Morwood davon zu überzeugen, dass sie wenigstens die Bezeichnung Homo hobbitus verwenden sollten. Das hätte wissenschaftlich geklungen. Doch es kam, wie es kommen musste: Der Name „Hobbit“ wurde begierig aufgegriffen und hat sich in der Berichterstattung über die ausgestorbenen Mini-Menschen durchgesetzt.

In der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift „Nature“ ziehen mehrere Forscher Bilanz, was die Wissenschaft zehn Jahre nach der spektakulären Entdeckung über den Hobbit weiß. Von welchen Vorfahren stammt der Homo floresiensis ab und woher kam er? Lebte er nur auf dieser einen Insel, gleichsam als ein Unikat der Evolution, oder besiedelte er seinerzeit auch andere Lebensräume? Und hatte er Kontakt mit Homo sapiens, wie es ja beim Neandertaler der Fall gewesen ist. Moderne Menschen und Neandertaler hatten ja, wie man heute durch Erbgutanalysen weiß, sogar Sex miteinander.

Auf die meisten der vor zehn Jahren gestellten Fragen gibt es bis heute keine Antwort. Das könnte sich ändern, wenn es gelänge, DNA aus den Überresten des Homo florensiensis zu extrahieren und zu analysieren. Doch die Chancen dafür stehen schlecht, meint Chris Stringer vom Natural History Museum in London. In der Liang Bua Höhle war es warm und nass – keine guten Bedingungen für das Überdauern von DNA-Molekülen über viele Tausende von Jahren.

Wohnort: unbekannt

Vier Theorien zum Ursprung des Hobbits wurden in die engere Wahl gezogen. War er lediglich ein abnormaler und verzwergter Homo sapiens? Oder stammte er vom Australopithecus ab, der ja ähnlich klein wie der Homo florensiensis war? Oder geht er vielleicht auf den Homo habilis zurück, der vor rund zwei Millionen Jahren lebte? Oder stammt der Hobbit vom Homo erectus ab, von dem bekannt ist, dass er noch nicht ausgestorben war, als der Homo sapiens bereits über diesen Planeten schritt?

Die meisten Experten gehen inzwischen davon aus, dass es sich beim Hobbit um einen verzwergten Homo erectus handelt. Dieser könnte von Java aus auf die Insel Flores gelangt sein. Zumindest befinden sich in Java die nahe gelegensten Fundstellen von Homo erectus-Fossilien. Aufgrund der in diesem Seegebiet vorherrschenden Strömungen vermutete der im vergangenen Jahr verstorbene Morwood, dass die Vorfahren des Hobbits von Sulawesi nach Flores gelangt sein könnten. Dass eine relativ kleine, auf einer Insel eingeschlossene Population im Laufe der Zeit zur Verzwergung neigt, ist ein evolutionsbiologische Fakt.

Offen ist die Frage, ob es Hobbit ähnliche Wesen nur auf dieser, oder nicht vielleicht auch auf benachbarten Inseln gegeben hat. Das können nur weitere wissenschaftliche Grabungen klären. Zumindest in der Liang Bua Höhle wird bis heute nach weiteren Hobbit-Exemplaren gesucht. Noch ist kein männlicher Hobbit gefunden worden. Chris Stringer spekuliert darüber, ob vielleicht die Hobbit-Männer nicht deutlich größer gewesen sein könnten als die Hobbit-Frauen.

Mehr aus dem Web
Neues aus der Redaktion
Auch interessant
Mehr zum Thema