Ein weiter Weg bis 50 Mbit/s

Auf dem Weg zur Gigabit-Gesellschaft

13.04.2015
Von 
Bernd Reder ist freier Journalist und Autor mit den Schwerpunkten Technologien, Netzwerke und IT in München.
Bis 2018 sollen alle Haushalte in Deutschland via Breitband ins Internet gehen können, hat die Bundesregierung 2014 in ihrer "Digitalen Agenda" vorgegeben. Ideal dafür wäre ein flächendeckendes Glasfasernetz. Doch davon werden Bewohner von ländlichen Gebieten auch 2018 nur träumen können.

Die Marschrichtung ist klar: "Die flächendeckende Versorgung unseres Landes mit leistungsfähigen Breitbandanschlüssen und der Aufbau von Hochleistungsnetzen sind wichtige Voraussetzungen für wirtschaftliches Wachstum, mehr Beschäftigung und steigenden Wohlstand", ist auf der Website des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur zu lesen (www.zukunft-breitband.de). Doch der Weg dorthin ist mit technischen und politischen Hindernissen gepflastert. Aus diesem Grund revidierte die Bundesregierung auch ihr Ziel, bis 2014 etwa 75 Prozent der Haushalte mit Breitbandanschlüssen zu errreichen. Das neue Ziel: Alle Haushalte erhalten bis 2018 solche Highspeed-Zugänge.

Derzeit, und wohl auch 2018, gibt es die Wahl zwischen drei Zugangstechniken, die Datenraten jenseits der 50-Mbit/s-Grenze bieten:

1. DSL (Digital Subscriber Line) über Kupferleitungen im Teilnehmeranschlussbereich (TAL): Erreicht werden Datenraten von bis zu 100 Mbit/s beim Herunterladen und 40 Mbit/s beim Versenden von Daten. Diese Werte gelten für die neue Technik VDSL2-Vectoring, die gegenwärtig implementiert wird.

2. Kabel-TV-Netze auf Basis von Koaxialkabeln: Zu den Anbietern zählen Kabel Deutschland (Vodafone), Unity Media, Tele Columbus und Kabel BW. Ende des Jahres wird Kabel Deutschland privaten und Geschäftskunden Datenraten von 200 Mbit/s zur Verfügung stellen. Damit wollen die Kabelnetzfirmen das Abwandern von Nutzern zu Anbietern von VDSL2-Vectoring-Diensten verhindern.

3. Mobilfunk auf Basis von Long Term Evolution (LTE): Die Highspeed-Technik LTE (4G) bietet Downlink-Raten bis zu 150 Mbit/s. Sie ist bei der Telekom und Vodafone in zwei Versionen verfügbar: für mobile Nutzer und für den Einsatz zu Hause oder im Büro. Mit letztgenanntem Angebot wollen die Mobilfunker insbesondere Nutzer auf dem Land ansprechen, wo keine VDSL- oder Kabel-TV-Netze verfügbar sind. Die Telekom und Vodafone sehen für solche Verbindungen Datenraten von bis zu 100 Mbit/s (Downlink) vor.

VDSL2-Vectoring: Lebensverlängerung für Kupferkabel

Ein Kernelement der Breitbandstrategie in Deutschland ist nach wie vor die DSL-Technik. Nach Angaben des Telekommunikationsverbandes VATM entfielen 2013 von den 28,6 Millionen Breitbandanschlüssen in Deutschland rund 22 Millionen auf DSL. Durch VDSL2-Vectoring erhält diese Technik neuen Auftrieb. Das Verfahren eliminiert Störungen, die bei der Datenübertragung über Kupferkabel auftreten, und ermöglicht dadurch Datenraten (Downlink) von bis zu 100 Mbit/s beziehungsweise 40 Mbit/s beim Hochladen. Der Nachteil ist, dass sich dadurch die Leitungslänge verkürzt: Die 100 Mbit/s im Downstream stehen nur auf einer Länge von etwa 300 Metern zur Verfügung - unter optimalen Bedingungen. Bei 800 Metern Distanz ist es bereits nur die Hälfte (50 Mbit/s). Das heißt, die TAL (Teilnehmeranschlussleitung) muss relativ kurz gehalten werden.

In der Praxis erfordert Vectoring die Installation von Outdoor-DSLAMs (Digital Subsciber Line Access Multiplexer) anstelle der Kabelverteiler. Die DSLAMs sind über Glasfaserkabel mit den Vermittlungsstellen verbunden. Die Anbindung der Nutzer erfolgt über die vorhandenen Kupferleitungen. Ein Problem besteht darin, dass Vectoring nur dann funktioniert, wenn ein Telekommunikationsunternehmen Zugriff auf alle Kupferleitungen hat. Die heutige Praxis, dass ein Teil der Kabel an andere Netzbetreiber weitervermietet wird, ist dann Vergangenheit.

Die Bundesnetzagentur hat deshalb ein Verfahren entwickelt, damit nicht nur die Telekom als mit Abstand größter Betreiber der Netzinfrastruktur VDSL2-Vectoring anbieten kann. Wer Vectoring einsetzen und somit einen Outdoor-DSLAM installieren möchte, muss dies der Netzagentur verbindlich bestätigen. Sie steuert über ein Vergabeverfahren auf Basis einer Vectoring-Liste die Umrüstung von Netzen auf die neue Technik. Bislang engagiert sich vor allem die Telekom im Bereich VDSL2-Vectoring. Sie will bis 2016 rund 24 Millionen Haushalte beziehungsweise Gebäude mit der Technik versorgen - rund doppelt so viele wie bislang. Konkurrenten wie Vodafone, Telefonica O2 und 1&1 sind ebenfalls mit auf den Vectoring-Zug aufgesprungen.

Kritiker monieren, dass durch Vectoring der Ausbau von Glasfasernetzen (Fibre to the Home, Fiber to the Curb) weiter verzögert wird. Über Lichtwellenleiter könnten je nach Fasertyp bis zu 1 Gbit/s frei Haus beziehungsweise Wohnung geliefert werden. Dem stehen allerdings die hohen Kosten gegenüber, den der Umbau der bestehenden Infrastruktur mit sich bringt.

Der Kampf Kupfer gegen Glasfaser geht mittlerweile in eine neue Runde. Mit "G.fast" wird unter der Ägide der International Telecommunication Union (ITU) eine Erweiterung von DSL entwickelt. Sie sieht Datenraten von bis zu 1,25 Gbit/s vor (Phase 2). G.fast wird als Nachfolger des VDSL2-Vectorings gehandelt. Es wird jedoch mit Sicherheit noch einige Jahre dauern, bis diese Technik in Deutschland zum Zuge kommen wird. Ein Nachteil von G.fast ist, dass sich die Übertragungsdistanzen weiter vermindern. Bei der Version mit 700 Mbit/s sind 100 Meter vorgesehen, bei der mit 1,25 Gbit/s ganze 70 Meter. Das bedeutet, dass in diesem Fall in ein Gebäude mit mehreren Teilnehmern Glasfaserkabel bis zum Kellerraum oder den Etagenverteilern geführt werden müssen. Von diesen ausgehend, übernehmen Kupferleitungen den Transport der Daten auf den letzten Metern.