Zum Inhalt springen
Fotostrecke

Rotkehl-Anoli: Klebefuß als Absturzschutz

Foto: Todd Campbell

Turbo-Evolution Echse entwickelt Klebefüße - in nur 15 Jahren

Ist die Konkurrenz groß genug, kann die Evolution richtig schnell gehen - das haben Forscher an einer Echsenart jetzt eindrucksvoll belegt. Die Tiere entwickelten in nur 15 Jahren Riesenfüße mit Klebesohle, um Gegnern davonzuklettern.

Wenn die Nahrung knapp wird oder das Leben ungemütlich, ist es Zeit, etwas zu verändern. So funktioniert Evolution. Normalerweise braucht sie allerdings viele Jahrtausende für deutliche Anpassungen. Jetzt aber konnten Forscher der Anpassungskunst der Natur regelrecht zusehen: Eine Echsenart entwickelte in nur 15 Jahren die Fähigkeit, sicher auf schmalen Ästen in hohen Baumwipfeln zu klettern - mithilfe größerer, klebriger Füße.

"Wir haben erwartet, dass wir eine Veränderung sehen, aber ihr Ausmaß und ihre Geschwindigkeit hat uns überrascht", sagt Yoel Stuart von der University of Texas in Austin. Der Antrieb für die Turboentwicklung war offenbar Konkurrenzdruck: Stuart und Kollegen setzten auf drei Inseln, auf denen bislang nur grüne Rotkehl-Anolis gelebt hatten, braune Bahama-Anolis aus. Die beiden eng verwandten Arten pflegen einen ähnlichen Lebensstil, sie konkurrieren um Futter - und um die besten Plätze auf Bäumen.

Schon bald beobachteten die Forscher, wie die neue Art Unruhe in das Leben der einheimischen Tiere brachte: Vor der Invasion der braunen Echsen lagen die einheimischen Rotkehl-Anolis, die auch als Amerikanische Chamäleons bezeichnet werden, mit Vorliebe auf den dicken unteren Ästen oder am Stamm von Bäumen. Dann wurde es ungemütlich. Die Bahama-Anolis bevorzugten ebenfalls die breiten unteren Äste und vertrieben die einheimische Art auf höhere, schmale und wackelige Äste, berichten Stuart und Kollegen im Fachmagazin "Science" .

20 Generationen bis zum Klebefuß

Bereits seit den Fünfzigerjahren breiten sich die Bahama-Anolis im Süden Floridas aus und erobern nach und nach neue Inseln und Gebiete. Wahrscheinlich wurden sie einst mit Lebensmitteln aus Kuba eingeschleppt. Stuart und Kollegen nutzen die Invasion nun, um herauszufinden, ob der neue Lebensraum weiter oben im Baum langfristig auch den Körper der Echsen verändert.

Sie untersuchten die Füße einiger grüner Rotkehl-Anolis von 25 Inseln, auf die bereits vor einiger Zeit die braune Konkurrenzart eingewandert war. Das Ergebnis: Bereits rund 15 Jahre nach der Invasion - das entspricht 20 Generationen - waren die Füße der Rotkehl-Anolis auf diesen Inseln deutlich größer geworden und hatten mehr Lamellen an der Unterseite.

Die Anpassung helfe den Tieren, sich an den dünnen oberen Ästen im Baum festzuhalten, schreiben Stuart und Kollegen. Auf Inseln, auf die keine Konkurrenzechsen eingewandert waren, hatte die Veränderung nicht stattgefunden.

Um sicherzugehen, dass es sich um echte Evolution handelt - also um eine dauerhafte, genetische Veränderung der Echsen, die diese unabhängig vom Lebensraum an ihre Nachfahren weitergeben -, zogen die Forscher einige Tiere in einem flachen Garten auf. Auch hier wuchsen ihnen größere Füße, berichten die Forscher. Damit könne man zumindest ausschließen, dass die größeren Patschen eine vorübergehende Anpassung sind.

Es sei wichtig zu sehen, dass Evolution so schnell gehen kann, kommentieren Stuart und Kollegen. Das könne in der Zukunft wichtig für viele Arten werden, etwa wenn neue Spezies einwandern oder das Klima sich verändert. Schon seit vielen Jahren vermuten Forscher, dass Konkurrenz zwischen eng verwandten Arten die Evolution beschleunigt. In der Wildnis beobachten lässt sich das allerdings nur selten. Eines der bekanntesten Beispiele sind Darwins Finken von den Galapagos-Inseln. Ein Teil von ihnen entwickelte eine neue Schnabelform und erschloss somit neue Futterquellen.

jme