Berne - Ulrich Nitz ist einer der wenigen professionellen Schafscherer der Region und an diesem Tag im Einsatz in Schlüterdeich. Rund 50 seiner schwarzköpfigen Fleischschafe hat Deichschäfer Dieter Voigt ausgewählt, denen es an diesem Tag an die Wolle gehen soll – und das ist alles andere als ein entspannter Job.

Warum sich der frisch pensionierte Hobbylandwirt professionelle Hilfe für diese Arbeit holt, wird beim Beobachten schnell klar. Begeistert sind die Schafe nämlich nicht von dem „Friseurbesuch“, bei dem es nahezu wie am Fließband zugeht. Aber weil alles so schnell geht, merken die Tiere im Grunde gar nicht, wie ihnen geschieht.

Bereits im Vorfeld hat Dieter Voigt im Stall seine Schafe durch variable Absperrungen in Gruppen unterteilt. Vor den zu Jahresbeginn geborenen Lämmern sind erst einmal die älteren, zum Teil trächtigen Tiere dran. Mit einem Strick fängt Voigt sie aus ihrem Verschlag einzeln ein, um sie im Zwei-Minuten-Takt dem Scherer zu übergeben, der seinen Arbeitsplatz in der Mitte des Stalls aufgebaut hat.

Gearbeitet wird nach der neuseeländischen Methode: Ulrich Nitz setzt die Schafe mit gekonntem Schwung auf die mitgebrachte Holzplatte und befreit sie – immer in der gleichen Weise beim rechten Vorderbein beginnend – von ihren drei bis vier Kilo Wolle. Im so genannten Back-Aid hängend, einem Gurt, der die gebückte Haltung erträglicher macht, und mit rutschfesten Filzschuhen ausgestattet, legt der Profi dabei ein atemberaubendes Tempo vor.

Kaum Zeit bleibt Schäfer Dieter Voigt, zwischendurch den Gang zu fegen, damit die Wolle möglichst sauber in die Säcke kommt.


Detmar Voigt, der Sohn des Deichschäfers, hat sich für diesen Tag extra frei genommen. Er übernimmt es, den Tieren die für die Schur abgenommenen Halsbänder wieder anzulegen und die Wolle in die Säcke zu stopfen, die später von einer niederländischen Wollfirma abgeholt werden.

Ins neue Gatter zu ihren nackten Kollegen laufen die Schafe dann von ganz allein – erleichtert, die Prozedur hinter sich zu haben.

„Es ist falsch zu glauben, dass Schafe im Sommer unter ihrer Wolle leiden, denn sie isoliert nicht nur gegen Kälte, sondern auch gegen Hitze“, stellt Ulrich Nitz klar, der seit 25 Jahren diesen Beruf ausübt. Am meisten zu tun gibt es für ihn vor dem Winter, denn ohne ihre dicke Wolle benötigen Schafe im Stall wesentlich weniger Platz.

Für Dieter Voigt gilt es nun, in den kommenden Tagen zu entscheiden, welche der Lämmer für Ausstellungen und Zucht tauglich sind und welches Tier zum Schlachter kommt. Das nötige Scheren vier Wochen vor der Körung übernimmt er selbst. Aber das gehe bei ihm wesentlich langsamer, räumt er mit einem Schmunzeln ein.