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"New Horizons"-Mission Die bisher besten Fotos von Pluto

Einst war Pluto ein Planet, dann wurde er degradiert. Nun nähert sich erstmals eine Sonde von der Erde der fernen Eiswelt - und macht im Vorbeiflug historische Bilder.
Im Anflug: Die Bildkombo zeigt zwei aktuelle Pluto-Fotos nebeneinander

Im Anflug: Die Bildkombo zeigt zwei aktuelle Pluto-Fotos nebeneinander

Foto: NASA/ JHUAPL/ SWRI

Das muss man sich einmal vorstellen: Da schickt sich die Menschheit an, einen geheimnisvollen Himmelskörper zum ersten Mal zu erkunden. Die Sonde braucht trotz rekordschnellen Flugs neuneinhalb Jahre bis zu ihrem Ziel, über das man kaum etwas weiß. Von vernünftigen Fotos ganz zu schweigen. Doch statt zu stoppen, rauscht das Ding mit knapp 40.000 km/h am Ziel vorbei - und das auch noch in 10.000 Kilometern Abstand. Klingt absurd, oder?

Doch genau so wird es laufen, wenn die Nasa-Sonde "New Horizons" am kommenden Dienstag am Zwergplaneten Pluto und später auch dessen Mond Charon vorbeihastet. Und das hat einen guten Grund, wie Henry Throop vom Planetary Science Institute erklärt.

Pluto, so sagt der Wissenschaftler, sei schließlich sechs Milliarden Kilometer von uns entfernt. Man müsse möglichst schnell unterwegs sein, um dorthin zu gelangen. "New Horizons" hat die Erde deswegen beim Start im Januar 2006 so schnell verlassen wie noch keine Raumsonde zuvor - mit 16,2 Kilometern pro Sekunde (58.000 km/h).

Doch die hohe Geschwindigkeit hat auch ihren Preis: "Sobald man schnell unterwegs ist, hat man Probleme, wieder langsamer zu werden", sagt Throop. Plutos Gravitation sei einfach zu gering, als dass er die Sonde einfangen könnte. Und genug Treibstoff für ein Bremsmanöver habe man nicht mitnehmen können - deswegen der schnelle Vorbeiflug als bestmöglicher Kompromiss. Die Entfernung von 10.000 Kilometern sei außerdem so gewählt, damit die Bilder der Sonde möglichst wenig verwischt werden.

Nun hat die Nasa aktuelle Fotos vom Anflug veröffentlicht. Die Aufnahmen zeigen eine immer noch ziemlich unscharfe Welt. Aber es sind die bislang besten Fotos von Pluto.

Fotostrecke

"New Horizons": Sonde auf historischer Mission

Foto: JHUAPL

In den kommenden Tagen hoffen die Wissenschaftler auf immer bessere Aufnahmen. Zumal die Softwareprobleme der Sonde, die den Technikern in den vergangenen Tagen einige Sorgen bereitet hatten, offenbar gelöst sind. "New Horizons" hatte sich am Wochenende überraschend in den Sicherheitsmodus versetzt. Die Nasa konnte den Softwarefehler aber identifizieren und gab den Befehl zu einem Systemneustart.

Als sich "New Horizons" aufmachte, um die finsteren Außenbezirke unseres Sonnensystems zu erkunden, war die Welt noch in Ordnung: Pluto, das Reiseziel, hatte noch den Status eines Planeten. Der sonnenfernste, genau genommen. Ein paar Monate nach dem Start änderte sich das allerdings: Die Internationale Astronomische Union (IAU) verabschiedete im August 2006 überraschend eine neue Planetendefinition - und Pluto flog raus aus der erlesenen Riege. Er war zu klein, seine stark geneigte und elliptische Bahn so ganz anders als die der anderen Planeten. Pech gehabt.

Sogar der "Plutokiller" ist gespannt

Schuld an Plutos Degradierung war unter anderem der Astronom Mike Brown vom California Institute of Technology. Er hat sogar ein Buch darüber geschrieben mit dem Titel "Wie ich Pluto zur Strecke brachte" . Bei Twitter firmiert der selbstbewusste Forscher als "Plutokiller"  - durchaus zu Recht: Zusammen mit Kollegen hat Brown über Jahre zahlreiche neue Himmelskörper jenseits der Bahn des Planeten Neptun aufgespürt, im sogenannten Kuipergürtel. Der Mächtigste von ihnen, im Sommer 2005 entdeckt, bekam den Namen Eris - und war Pluto ziemlich ähnlich. Er sorgte dafür, dass der bis dahin sonnenfernste Planet seinen Status verlor. Pluto war nur noch einer unter vielen.

Fragt man Brown, der nicht an den Forschungsaktivitäten von "New Horizons" beteiligt ist, nach der Bedeutung der Mission, gerät er trotzdem ins Schwärmen: "Als Objekt im Kuipergürtel, das man am einfachsten erreichen kann, ist Pluto ein Platzhalter für all das, was wir noch nicht über den fernen Außenbereich des Sonnensystems wissen. Ich kann es nicht abwarten zu sehen, wie es dort aussieht." Die Wissenschaftler erwarten eine mit dickem Eis bedeckte Welt voller Krater.

"Pluto ist der prominenteste Kleinplanet", sagt auch Tilman Spohn, Direktor des Instituts für Planetenforschung am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Berlin. Er ist ebenfalls der Meinung, dass es für die wissenschaftliche Bedeutung der Mission unwichtig sei, dass Pluto nicht mehr als Planet firmiere. So wenig weiß man bisher über den Kuipergürtel , wo es allein 70.000 Objekte mit mehr als hundert Kilometer Durchmesser geben soll - und ungezählte kleinere Exemplare.

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Die Beobachtung von Pluto und Charon soll erste Blicke in diese finstere Abstellkammer unserer kosmischen Heimat liefern. Die Sonde ließ die Wissenschaftler kurz vor dem Ziel noch ziemlich zittern: Rund zehn Tage vor der Ankunft am Pluto schaltete "New Horizons" nach einem Problem völlig überraschend in einen Sicherheitsmodus - und musste erst mühevoll wieder hochgefahren werden. Nun soll aber alles klar gehen. Die besten Aufnahmen des Zwergplaneten, verspricht Henry Throop, werden eine Auflösung von 50 Metern pro Pixel haben. Um sich klar zu machen, was das bedeutet: Die schärfsten Aufnahmen von Pluto hatte vor der Annäherung von "New Horizons" das "Hubble"-Weltraumteleskop gemacht. Darauf nahm der gut 2000 Kilometer messende Himmelskörper nur wenige Pixel ein.

"Schnell ein paar fantastische Bilder bekommen"

Mit höchster Auflösung wird nun aber nur eine Hälfte von Pluto fotografiert - weil sich der Zwergplanet so langsam um seine eigene Achse dreht. Und bis die Bilder auf der Erde ankommen, müssen sich die Astronomen gedulden: Während "New Horizons" an Pluto und Charon vorbeijagt, werden die beiden Kameras der Sonde tagelang vor allem Daten sammeln. Währenddessen werden nur wenige Fotos zur Erde geschickt. Die meisten kommen erst ab Anfang September an - insgesamt zehn Wochen lang. Sie werden schließlich mit der gemütlichen Geschwindigkeit von 600 Bit pro Sekunde übertragen. Zum Vergleich: Wer sich am Handy über eine lahme Verbindung mit dem Edge-Mobilfunkstandard ärgert, dem stehen - zumindest theoretisch - immer noch maximal 260.000 Bit pro Sekunde zur Verfügung.

"Keine Sorge, wir werden schnell ein paar fantastische Bilder bekommen", beruhigt Henri Throope. Die Schwarz-Weiß-Fotos der "Lorri"-Kamera an Bord sollen möglichst zügig veröffentlicht werden. Wobei das Wort "zügig" relativ zu sehen ist. So dauert es allein viereinhalb Stunden, bis die Signale zur Erde gelangen - obwohl sie mit Lichtgeschwindigkeit unterwegs sind. Noch eine Erinnerung daran, wie weit der Pluto von uns entfernt ist.

Doch "New Horizons" wird sich noch weiter in die Außenbezirke des Sonnensystems vorwagen. Nach Pluto soll die Sonde ein oder zwei weitere Objekte des Kuipergürtels anfliegen. Auf der Suche nach Zielen hat die Nasa auch das "Hubble"-Teleskop in Stellung gebracht. Aus einer Liste von Kandidaten wollen Forscher bis Ende kommenden Jahres einen passenden Himmelskörper aussuchen. "Den Kuipergürtel zu besuchen ist eine Chance, die man nur einmal im Leben bekommt - in Wahrheit sogar noch seltener", so Planetenforscherin Cathy Olkin vom Southwest Research Institute in Boulder (US-Bundesstaat Colorado).

In der Tat wird die Nasa-Sonde auf absehbare Zeit die einzige bleiben, die in der fernen Region unterwegs ist. Vergleichbare Missionen sind noch nicht einmal in Planung. "Mehr Forschungsmittel würden mehr Gelegenheiten schaffen auch für europäische Missionen. Man kann hoffen, dass der Erfolg von Rosetta die Stimmungslage für die Planetenforschung verbessert", sagt DLR-Wissenschaftler Spohn. Ohnehin gebe man in Europa pro Einwohner nur ein Bruchteil dessen aus, was die Amerikaner für die Exploration des Sonnensystems aufwendeten.

Zusammenfassung: Die Nasa-Forschungssonde "New Horizons" erreicht am 14. Juli den Zwergplaneten Pluto. Anhalten kann sie dort nicht - weil sie nicht genug Treibstoff für solch ein Manöver an Bord hat. Also macht sie beim Vorbeiflug möglichst viele Fotos, auch von Plutos Mond Charon. Danach soll sie noch ein oder zwei weitere Himmelskörper im sogenannten Kuipergürtel anfliegen, also hinter dem Pluto. Diese Ziele werden derzeit noch gesucht. Nach "New Horizons" dürfte über mehrere Jahrzehnte keine Sonde mehr in diese Gegend des Sonnensystems kommen.