ZF Smart Urban Vehicle im Test: Mit diesem Auto kann jede(r) einparken

Von: Von RALF SCHÜTZE

Wir haben die Zukunft des Lenkens getestet – im „Smart Urban Vehicle“ von ZF. 75 Grad Lenkeinschlag sehen aus, als wäre das Vorderrad kaputt. Fühlen sich aber prächtig an im eine Million Euro wertvollen Forschungsfahrzeug, das Haken schlägt wie ein Autoscooter.

Mir wird schwindelig. Die Lenkung des „Smart Urban Vehicle“ von Zulieferer ZF aus Friedrichshafen steht auf Anschlag, der kleine Flitzer auf Basis des Kleinwagens Opel Agila dreht sich auf engstem Kreis. Wie ein Autoscooter auf der Kirmes wechselt er blitzschnell von einer zur anderen Richtung. 6,50 m reichen für die 180 Grad-Kehre. Man könnte locker zwischen den Pfosten eines 7,32 m breiten Fußballtors umkehren, während Manuel Neuer seelenruhig am Innenpfosten lehnt.

Bis die Lenkung endlich auf Anschlag geht, traue ich meinen Sinnen kaum. Ständig meine ich, jetzt müsste Schluss sein, doch der 3,74 m kleine Schwabe lenkt immer weiter ein – bis die Vorderräder im 75 Grad-Winkel fast quer zum Fahrzeug stehen und völlig fremdartig aus dem Radhaus hervorlugen. Sieht aus wie eine gebrochene Radaufhängung, ist aber die Zukunft des Lenkens. Die McPherson-Konstruktion mit Zusatzlenker braucht lediglich etwas mehr Platz als eine konventionelle Lenkung und wird auch teurer sein.

Trotzdem: „In fünf bis zehn Jahren kann diese Lenkung in Serie kommen,“ sagt ZF-Entwickler Dr. Gerhard Gumpoltsberger. Die nächste Generation Smart dürfte ein heißer Kandidat auf die neue Super-Lenkung sein. Das aktuelle Modell braucht selbst als 2,70 m-Zweisitzer knapp sieben Meter zum Wenden. Dem gut einen Meter längeren „Smart Urban Vehicle“ reichen dafür 6,50 m und somit eine zweispurige Straße. Besonders wild treibt's der Konzeptzwerg von ZF beim Einparken: Jetzt kommt sogar noch Unterstützung von der angetriebenen Hinterrädern hinzu. Auf Kommando drehen sie sich wie die Ketten eines Panzers gleichzeitig auf einer Seite vorwärts, auf der anderen rückwärts – das erhöht nochmals die Wendigkeit.

In engste Lücken schlüpft das „Smart Urban Vehicle“ fast von alleine, denn ein Einparkautomat ist mit an Bord: Der Fahrer drückt nur die richtige Fläche auf Tablet oder Smartwatch, schon scannt der Kleine im Vorbeirollen eine Parklücke und schlüpft im Radumdrehen hinein. Je 30, also insgesamt 60 cm Platz vorne und hinten genügen dazu. Sonst sind bei Parkassistenten rund 80 cm nötig. Harald Naunheimer, Leiter Forschung und Entwicklung bei ZF verspricht: „Wenn Pkw in Zukunft auf diese Art fahrerlos einparken, können auch die Parkflächen effektiver genutzt werden.“ Klar: Wenn niemand in der Lücke aussteigen muss, können die Autos enger aneinander stehen.

Der wieselflinke ZF-Zwerg hat auch noch richtig Power: Zwei Elektromotoren an den Hinterrädern rotieren mit 21 000 Umdrehung pro Minute und liefern Dank Untersetzung unglaubliche 1400 Nm Drehmoment – fast die dreifache Schubkraft eines Supersportlers Porsche 911 GT3 mit 476 Nm. Dessen 315 km/h Spitze erreicht das Forschungsauto aus Friedrichshafen zwar nicht, aber immerhin 150 km/h. Für ein City-Mobil der Zukunft mehr als genug.

Wir haben die Neuheit zur IAA 2015 (September in Frankfurt) bereits getestet – und sind gespannt auf die Serienreife der 75 Grad-Lenkung. Der volle Einschlagswinkel ist bislang nur bis 10 km/h möglich, darüber steuert die Elektronik variabel, wann das Lenkrad auf Anschlag geht. Im derzeitigen Forschungsfahrzeug fühlt sie sich auf einem Handling-Kurs noch deutlich zu indirekt an, denn der Pilot muss sehr weit am Lenkrad kurbeln. Aber bis zum Einsatz in käuflichen Autos lässt sich das sicherlich korrigieren.

Sportlicher Preis: Der City-Zwerg kostet eine Millionen Euro

Obwohl ich mich allmählich an die extrem engen Kehren mit dem „Smart Urban Vehicle“ gewöhnt habe, wird mir vor dem letzten Teil meiner Testfahrt wieder fast schwindelig. Denn ich habe erfahren: Das Forschungsauto ist gut eine Million Euro wert. So hoch sind die Projektkosten, die hinter der neuen Superlenkung und weiteren Innovationen im futuristischen City-Zwerg stecken. 

ZF hat mit der 75 Grad-Lenkung zwar nicht das Autofahren neu erfunden, aber vor allem das Fahren in der Großstadt wird sich damit neu anfühlen. 6,50 m Wendekreis sind nicht nur beim beherzten U-Turn, sondern auch beim Einparken und Fahrbahnwechseln hilfreich. Und mit viel Power auf den Hinterrädchen kommt zusätzlicher Fahrspaß auf. Die Zukunft des Lenkens bringt ohne Frage Fahrspaß.

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