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Kernfusion Physiker feiern Zähmung der heißen Gaswolke

Seit Jahrzehnten versuchen Physiker mit der Verschmelzung von Atomkernen, saubere Energie zu gewinnen. Überraschend feiern Außenseiter nun einen Anfangserfolg.
Teilchen-Strahler (gelb): Sie halten die Gaswolke in Form

Teilchen-Strahler (gelb): Sie halten die Gaswolke in Form

Foto: Tri Alpha Energy

Ein unbegrenzter Energievorrat für die Menschheit, der dazu noch auf eine saubere Art anzapfbar ist. Seit Jahrzehnten hofft die Welt vergebens auf die Lösung ihrer Energieprobleme mittels Kernfusion: Würde es gelingen, Atomkerne zu verschmelzen, könnte unbegrenzt saubere Energie gewonnen werden.

Jetzt gibt es Fortschritte. Wissenschaftler der von Norman Rostoker 1998 gegründeten Firma Tri Alpha Energy haben über mehrere Millisekunden eine heiße Gaswolke (Plasma) stabilisiert. Dies ist der erste wichtige Schritt, um bei extrem hohen Temperaturen ein Verschmelzen von Atomkernen zu ermöglichen und eine Kernfusion in Gang zu setzen.

Das öffentlichkeitsscheue Unternehmen ohne eine eigene Website gibt sich mysteriös und geheimnistuerisch. Dabei sind unter anderem Berühmtheiten wie der Astronaut Buzz Aldrin und der Nobelpreisträger Arno Allan Penzias Teil des Firmen-Vorstands. Die unvorstellbaren Geldmengen, die das Unternehmen in kurzer Zeit sammeln konnte und seine internationalen Verflechtungen sind beachtlich .

Während die Forscher in den klassischen Fusionskonzepten Deuterium und Tritium unter hohen Temperaturen verschmelzen, also schwerer und überschwerer Wasserstoff mit zusätzlichen Neutronen im Kern, sind die Ausgangsstoffe der Tri-Alpha-Forscher Wasserstoff und Bor.

Vorteile des Bor-Konzepts

In einer heißen Gaswolke verschmelzen die Atomkerne dieser beiden Elemente - und das Produkt zerfällt in drei sehr energiereiche Helium-Kerne, die auch als Alpha-Strahlung bezeichnet werden.

Der Vorteil dieses Konzepts: Es werden nicht wie bei der Deuterium-Tritium-Fusion unter anderem Neutronen frei, die das Reaktormaterial beanspruchen, lange strahlenden radioaktiven Müll erzeugen und nur über einen verlustreichen Wasserkreislauf zur Stromgewinnung nutzbar sind. Sondern die geladenen Heliumkerne als Endprodukte sollen eingesetzt werden, um sehr effizient in Spulen einen elektrischen Strom anzuregen.

Weitere große Aufbauten, die Geld und Platz fressen, fielen weg und würden die Technik daher auch für die Raumfahrt besonders interessant machen. Fusionsraketen, die Energie und Rückstoß aus solchen Systemen beziehen würden, interessieren die amerikanische Raumfahrtagentur Nasa seit Längerem.

Simple Konstruktion

Auch auf besonders starke Magnetfelder und komplizierte Reaktor-Geometrie zum Fokussieren des heißen Plasmas kann das sich selbst eindämmende  Bor-Wasserstoff-Plasma verzichten und damit Kosten senken. Daher konnten die Physiker von Tri Alpha in ihrem vergleichsweise simpel konstruierten röhrenförmiger Reaktor von beiden Enden donutförmige Gasringe mit einer Geschwindigkeit von etwa einer Million Kilometer pro Stunde aufeinander abfeuern.

Diese hielten sie in einer zentralen Kammer gebündelt, wo sich das Gas durch die Bewegungsenergie in dem etwa drei Meter langen Bereich aufheizte. Aber lediglich das Eindämmen eines Plasmas ist den Forschern nach eigenen Angaben besonders gut gelungen.

Seitlich angeordnete Teilchen-Strahler (siehe Foto) halten die Gaswolke in Form, bewahren sie vor dem Auskühlen. Die enorm hohe Zündtemperatur - der Punkt an dem die Fusion durch die starken und häufigen Teilchenstöße einsetzt - ist bei diesem alternativen Konzept allerdings ein großes Problem. Die Zündtemperatur konnte noch nicht erreicht werden.

Zehn Millionen Grad

Zwar haben die Forscher für ihren Testreaktor einen Gas-Ball bereits auf etwa zehn Million Grad Celsius erhitzt und ihn für eine Rekordzeit von etwa fünf Millisekunden mit einer Art äußerem Schutzschild aus Teilchen stabil gehalten. "Die Temperatur, die sie bislang erreicht haben ist noch nicht annähernd da, wo sie sein müsste", beklagt Markus Roth, Kernphysiker und Fusionsforscher an der Technischen Universität Darmstadt. Für die Zündung wäre eine Temperatur in der Größenordnung von Milliarden Grad Celsius nötig.

Dass die Plasma-Wolke für menschliche Maßstäbe nur für einen sehr kurzen Zeitraum stabil ist, ist für die beteiligten Forscher nebensächlich. Sie feiern ihre Ergebnisse als Durchbruch. "Sie haben es geschafft, eine Lebenszeit der Gaswolke zu erreichen, die nur durch die Energiemenge, die für das System zur Verfügung steht, limitiert ist", zitiert "Science" den Physiker Burton Richter von der Stanford Universität, einen Berater von Tri Alpha.

Eine bereits geplante größere Anlage soll daher die Wolke für bis zu eine Sekunde in Form halten und sie deutlich stärker erhitzen. Dafür sollen die Teilchenstrahler in der neuen Reaktorversion nochmals aufgerüstet werden. Womöglich ließen sich so testweise simplere Deuterium-Gemische entzünden, die schon bei deutliche niedrigeren Temperaturen in der Größenordnung von 100 Millionen Grad Celsius fusionieren.

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