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Segelflug-Blog: Ab in die Alpen

Foto: Michail Hengstenberg

Segelflug-Blog Hoch hinaus

Ich sehe grün. Ich bin eine Kurve geflogen, und plötzlich sehe ich aus dem Cockpit nicht mehr Horizont und Himmel, sondern nur noch eine Wand aus Kiefernbäumen, die vor mir aufragt. Was ist passiert? Ich fliege in den Alpen!

Vergangenes Jahr hatte es mich ja schon einmal in die Berge verschlagen, nach Schänis. Das alpine Fliegen hatte mich gepackt, ich wollte unbedingt noch einmal und vor allem länger im Gebirge fliegen. Ende Juli war es soweit: Eine Woche Urlaub in Unterwössen mit Familie und Fliegen, jetzt musste nur noch das Wetter mitspielen.

Doch das wollte nicht. Es war zwar sonnig, aber es gab keine Thermik. Also flog ich erst einmal nur Platzrunden, anfangs mit Fluglehrer für die Platzeinweisung, später allein. Langweilig? Nicht im Geringsten, es war eine völlig neue Erfahrung. Es fühlte sich an, als würde man plötzlich in einem Puppenhaus leben. Alles war ganz klein.

Hier im Norden, wo ich sonst fliege, ist alles ganz groß. Man blickt über das platte Land weit in die Ferne, Platz ist überhaupt kein Problem. Wer als Flugschüler bei uns einen Queranflug macht, der kürzer als einen halben Kilometer ist, der bekommt vom Fluglehrer einen Rüffel.

Der Queranflug ist besonders wichtig, um eine saubere Landung einzuleiten. Dabei fliegt man im rechten Winkel zur Landebahn, bis man auf Höhe der Piste um 90 Grad in den Endanflug eindreht. Hier kann man, wenn er lang genug gewählt ist, in Ruhe noch einmal Korrekturen vornehmen.

Der Queranflug in Unterwössen ist exakt 50 Meter lang und dauert ungefähr drei Sekunden, in denen man direkt auf den steil aufragenden Berghang zufliegt. Es kostet Überwindung, überhaupt einen Queranflug zu fliegen und nicht direkt in den Endanflug zu drehen.

Startaufstellung in Unterwössen: Im Frühtau zu Berge

Startaufstellung in Unterwössen: Im Frühtau zu Berge

Foto: Michail Hengstenberg

So ist das ganze Fliegen dort. Der Flugplatz liegt im Tal, rechts vom Start ragt der Berghang auf, an dessen Kamm die Schüler bei ausreichend Wind Hangflug machen. Links von der Startbahn, in einiger Entfernung, steht der andere Berg. Zwischen ihnen beiden flog ich meine Miniaturplatzrunden. Ach, ich habe noch was vergessen: In der Mitte des Tals steht zwischen beiden Bergen noch ein weiterer, kleiner Berg. Hundertsiebzig Meter hoch.

Er markiert die Linie für den sogenannten Gegenanflug, also den Teil des Landeanflugs, an dem man nochmal parallel zur Landebahn fliegt, nur in entgegengesetzter Richtung. Wenn man den Landeanflug an der Position mit 200 Metern Höhe beginnt, wiegen die Bäume auf dem Bergrücken ihre Wipfel nur 30 Meter unter dem Flugzeug. So bodennah zu fliegen, daran musste ich mich erstmal gewöhnen - aber es machte auch enormen Spaß.

Und es war eine gute Übung für das, was am Ende der Woche doch noch stattfand: Der große, lange Flug in die Berge. Denn am letzten Tag vor der Abreise gab es endlich das ersehnte Streckenflugwetter. Die Thermik, die mich und Jan, einen erfahrenen Streckenflieger, in unserem Duo Discus tief hinein ins Gebirge tragen sollte.

Um zwölf Uhr Mittags starteten wir, ließen uns von der Schleppmaschine auf eine Höhe von 1200 Metern und zu einem Hang ziehen, an dem zuverlässig Thermik steht. Während ich die Maschine in die Höhe kurbelte, erklärte mir Jan, wie die Thermik im Gebirge funktioniert. Nämlich ganz anders als im Flachland. Dort entstehen die Aufwinde mal hier, mal da, es gibt kein festes Muster. Im Gebirge ist das anders. Dort strahlt die Sonne auf die Südseite der Berghänge, erwärmt die Luft, diese steigt entlang des Hanges auf. Der Bart, die Thermik, steht also meist zuverlässig exakt über dem Kamm.

"Leute, die sonst nur im Gebirge fliegen, sind deswegen oft entrüstet, wenn es mal ins Flachland geht. Thermik suchen, das sind sie nicht gewohnt", erklärte Jan auf dem Rücksitz, während der Duo Discus stetig stieg.

Es ergibt sich daraus ein ganz anderes, faszinierendes Fliegen. Auf der einen Seite bedeutet es weniger Freiheit, weil man sich letztlich bei seiner Flugroute immer an bestimmten Bergen orientiert. Auf der anderen Seite führt es zu einem ganz anderen Zusammenspiel mit dem Gelände. Je nachdem, wie die Hänge stehen, muss man gar nicht in der Thermik kurbeln. Sondern kann an hintereinander aufgereihten Bergrücken, den sogenannten Rennstrecken, entlang einfach geradeausfliegen - und dabei trotzdem steigen.

Immer am Kamm entlang: Stetiges Steigen ohne Kurbeln

Immer am Kamm entlang: Stetiges Steigen ohne Kurbeln

Foto: Michail Hengstenberg

Mit 150 km/h an einem Kamm entlang zu brettern, an den schroffen, wild gezackten Felsen entlang dem Tausende Jahre alten Stein zu folgen, ein Gespür für ihn zu entwickeln und ihn förmlich abzutasten - das war ein unvergleichliches Gefühl. Nur einen Steinwurf entfernt an all den Wanderern vorbeizupreschen, die sich mühsam hinauf zum Gipfelkreuz gequält haben und dort erschöpft rasteten - das war zumindest für mich als Gebirgsflugneuling ein Erlebnis.

Am Ende waren wir knapp vier Stunden unterwegs, mein bislang längster Segelflug. Wir sind rund 260 Kilometer geflogen, an Berchtesgaden und dem Watzmann vorbei bis fast nach Öblarn in Österreich. Und ich habe mich zweimal übergeben. Ja, genau. Wie auch beim letzten Mal in den Bergen hat mein Magen rebelliert. Ich grübele noch, woran es gelegen haben mag. An der Höhe? An der ruppigeren Thermik, die uns teilweise mit fünf Metern pro Sekunde in die Höhe riss? Oder vielleicht doch daran, dass ich durch das Fliegen nah am Gelände die Drehbewegung viel intensiver wahrnehme als im Flachland, wo der Boden weit weg ist?

Jan meinte, das würde sich mit der Zeit geben. Ich muss also wiederkommen. Mehr in den Bergen fliegen. Vielleicht ja das nächste Mal mit meinem eigenen Flugzeug.