WELTGo!
Journalismus neu erleben und produktiver werden
Ihr Assistent Journalismus neu erleben und produktiver werden
WELTGO! ENTDECKEN
  1. Home
  2. Reise
  3. Fernreisen
  4. Antarktis: Eine Kreuzfahrt für Abenteurer – all-inclusive

Fernreisen Antarktis

Eine Kreuzfahrt für Abenteurer – all-inclusive

Er scheiterte und wurde trotzdem ein Held – Ernest Shackleton. Dass der Polarforscher bis heute unvergessen ist, verdankt er nicht zuletzt den Kreuzfahrttouristen, die die Antarktis erkunden.
Als Shackletons Expedition im Eis gefangen war

Sir Ernest Shackleton will 1914 als erster Mensch die Antarktis durchqueren. Doch die gewaltigen Eismassen werden ihm und seiner Crew zum Verhängnis. Ein einmaliger Überlebenskampf beginnt.

Quelle: Die Welt

Autoplay

„Vor hundert Jahren“, sagt Tim Bailey und kraust die Stirn, „hat das Schicksal hier ganz fürchterlich zugeschlagen.“ Wir schlürfen an der Reling Champagner und schippern der Antarktis entgegen. Der Mann ist ein Banker aus Boston. Spielt er auf den Konkurs von Off-Shore-Banken an? Die Ironie prallt ab. Der Amerikaner guckt verständnislos: „Nein, ich meine Shackleton.“

Okay, alles klar, die Geschichte ist bekannt: Packeis zermalmte im November 1915 Ernest Shackletons Schiff „Endurance“. Damit musste der Brite seinen Plan, als erster Mensch die Antarktis zu durchqueren, aufgeben. Seine Leistung, nach einem Gewaltmarsch durchs Eis Hilfe zu holen und die Mannschaft, die auf dem unbewohnten Elephant Island gestrandet war, zu retten, ist dennoch unbestritten.

Hundert Jahre später fahren wir mit der „Silver Explorer“ im Kielwasser des heldenhaften Mannes – allerdings in Gegenrichtung und auch nur 18 Tage. Shackletons Rettungsaktion vom Untergang des Schiffes im Weddell-Meer bis zur sicheren Landung der gesamten Mannschaft im chilenischen Punta Arenas hatte über neun Monate gedauert.

Tausende Königspinguine warten am Strand

Unsere Reise beginnt bei bestem Wetter; die Sonne scheint, der Himmel ist blau. Chefreiseleiter Stefan Kredel nutzt die allgemeine Zufriedenheit, um uns auf die antarktischen Gefilde einzustimmen. „Wir hoffen auf mindestens ein Dutzend Landungen. Aber wenn das Wetter verrückt spielt, helfen weder gute Planung noch modernste Technik.“

Soll heißen, wo und wann der Anker fällt und ob jedes Mal ein Übersetzen im Schlauchboot möglich ist, kann vorab nicht garantiert werden. Gut zu wissen, dass das Schiff über Eisverstärkung verfügt. Gegen die Seekrankheit helfen Pillen, gegen die Kälte Anoraks. Hätte es die damals schon gegeben, Shackleton hätte uns wohl Warmduscher genannt.

Bis zum Archipel Südgeorgien verläuft die Seefahrt ruhig. In Grytviken, früher Wal- und heute Forschungsstation, war Ernest Shackleton im November 1914 zu seiner Expedition aufgebrochen. Als er sieben Jahre später auf der vierten Antarktisexpedition erneut in Grytviken Station machte, erlag er dort überraschend einem Herzversagen.

So ergriffen wir Shackleton-Fans vor der Grabstelle auf ihn anstoßen, so glückselig macht uns doch der Ort. Abertausende Königspinguine scheinen uns beim nächsten Stopp am Strand zu erwarten. Dazwischen, fröhlich herumtollend, Dutzende Seelöwenkinder. Kaum haben wir den Fuß an Land gesetzt, watscheln Vögel um uns herum und versuchen, an unseren Gummistiefeln zu knabbern.

Und das Wetter zeigt sich weiterhin gnädig, wir haben überwiegend Sonnenschein während der 48-stündigen Passage durch die Drakestraße. Die „Silver Explorer“ wiegt sich sanft in der Dünung. Wir stehen an Deck, entdecken einige Finnwale und bewundern die gigantischen Albatrosse, die das Schiff begleiten. Mit einer Flügelspannweite von bis zu dreieinhalb Metern schweben sie Hunderte Kilometer übers Meer, ohne zu landen.

Eisgiganten glitzern golden in der Sonne

Nach 800 Seemeilen schält sich eine gezackte Silhouette aus dem Dunst – Elephant Island. Beim Näherkommen versuche ich mir auszumalen, was Shackleton und die fünf Männer, die elf Tage und Nächte in einem kleinen Boot unterwegs waren, bei der Überfahrt zu erleiden hatten. Hungrig, durstig und bis auf die Haut durchnässt hatten sie das offene Boot durch das Meer manövriert, um in Südgeorgien Hilfe für die auf Elephant Island zurückgelassene Crew zu holen. Eine schier übermenschliche Leistung.

Anzeige

Als unser Schiff in einer Bucht der Insel vor Anker geht, bietet sich uns eine märchenhafte Szenerie. Eisgiganten glitzern golden in der aufgehenden Sonne. Von Gletschern begraben, wölben sich auf der einen Seite Eilande wie riesige Pilzköpfe aus dem Wasser. Auf der anderen Seite leuchten im Schutz eines Bergmassivs die knallroten Holzhäuser der argentinischen Station „Esperanza“ im Schnee.

Der Stationschef empfängt uns persönlich zu einem Rundgang durch die Anlage. Die Wissenschaftler dürfen während ihres elfmonatigen Aufenthalts ihre Familien mitbringen. Und so gibt es eine Bäckerei, aus der es nach frisch gebackenem Brot duftet, und eine Minischule, aus der aufgeregte Kinderstimmen schallen. Für die Kleinen ist unser Besuch eine willkommene Abwechslung. Es wird unser letzter Kontakt mit der Zivilisation sein. Nun steuert der Kapitän das Weddell-Meer an.

Wir erwarten das polare Gewässer mit größter Spannung. Denn im Weddell-Meer war es, wo die „Endurance“ unterging. Die gesamte Besatzung blieb unversehrt in der endlosen Eiswüste zurück. „Eine Welle der Depression schlug über den Männern im Camp zusammen“, notierte Shackleton im Logbuch, „jetzt, als sie ihrem Verhängnis ins Auge sahen.“

Die Mannschaft hatte, den Verlust des Schiffes ahnend, Decks und Kabinen vorher verlassen und sich auf einer Eisscholle eingerichtet. Vor dem Sinken machte der Dreimaster allerdings seinem Name alle Ehren. Ein dreiviertel Jahr lang hatte es, vom Eis eingeschlossen, Widerstand geleistet, mal mit Schlagseite, mal hoch aufgerichtet.

Dabei entstand in mondheller Winternacht Frank Hurleys berühmtes Foto vom schneegepuderten „Christmas Cake Ship“. Hurley, ein professioneller Fotograf, war der Einladung Shackletons gefolgt und hatte sich der Expedition angeschlossen. Mit seinen Bildern wollte Shackleton die kostspielige Reise nach erfolgreichem Ende mediengerecht vermarkten.

Auf Eisschollen schlummern Robben

Während Shackleton im Weddell-Meer schon bald auf Treibeis stieß, was das Vorwärtskommen stark behinderte, haben wir freie Fahrt. Der Bug der „Silver Explorer“ schneidet durch spiegelglatte See, und wir genießen die atemberaubende Aussicht. Weiße Tafelberge gleiten vorbei, es sind bis zu 50 Meter hohe Abbrüche vom Schelf.

Einige Eisbrocken sind bereits deutlich zusammengeschmolzen. Sie schimmern in vielen Blautönen, von milchigem Curaçao bis zu tiefem Azur. Auch die Formen variieren, mal meint man mächtige Burgen zu erkennen und dann wieder grazile Triumphbögen.

Anzeige

Vom damals zugefrorenen Weddell-Meer aus hatte die Shackleton-Expedition die verbliebenen Rettungsboote samt Ausrüstung hinter sich hergezogen – insgesamt 110 Seemeilen bis Elephant Island. Nur auf den letzten Meilen hatte die Mannschaft wieder Segel setzen können. An der Kälte jedoch, unter der die Männer litten, änderte sich während der gesamten Fahrt nichts.

Seelöwe vergewaltigt Königspinguin

Merkwürdige Bilder aus der Antarktis: Ein Seelöwenbulle sitzt auf einem Königspinguin und missbraucht ihn. Doch was steckt hinter dieser ungewöhnlichen Verhaltensweise?

Quelle: Zoomin.TV

Wir dagegen haben unsere Anoraks abgelegt. Die Südpolarsonne gibt ihr Bestes und wärmt die auf den Eisschollen schlummernden Robben. Sie lassen sich von unserem Schiff genauso wenig stören wie Orcas und Pinguine, die wie Torpedos durch die kristallklaren Fluten schießen.

Langsam nähert sich unser Schiff Paulet Island; die Kolonie der dort lebenden Seevögel riecht man schon von Weitem. Klarmachen zum Landgang. Anoraks und Gummistiefel an, Schwimmweste um – und immer an die Verhaltensmaßregeln zum Schutz der Natur denken: Keine tiefen Abdrücke im Schnee hinterlassen, nicht auf Moos treten, Abstand zu den Adeliepinguinen halten.

Als wir uns ihnen mit den Schlauchbooten nähern, wird nicht nur der Geruch stärker, sondern auch das Gezeter lauter. Die Pinguine stehen am Strand, hocken auf Hügeln und in Mulden. Zigtausende sind es, die sich hier zur Paarung und Aufzucht der Küken eingefunden haben. Aus Steinen schichten sie kleine Hügel auf, auf denen sie die Tennisball großen Eier ausbrüten. Eine Arbeit, bei der sich die Pinguinpaare abwechseln, denn einer von beiden ist immer auf Nahrungssuche.

Ein Sturmtief zieht heran

Eine Hütte, deren Wände aus aufgeschichteten Felsplatten bestehen, ist ein Überbleibsel der Nordenskjöld-Expedition (1901 bis 1903). Die Schwedische Antarktisexpedition mit 20 Teilnehmern hatte das Ziel, die Ostküste der Antarktischen Halbinsel zu erforschen. Doch das Schiff wurde vom Packeis zerdrückt.

Die 20 Männer mussten in der Antarktis überwintern, was dank Pinguin- und Robbenfleisch auch gelang. Als nach 600 Tagen endlich Rettung kam, war nur ein Mann den Strapazen erlegen – Ole Wennersgaard, er ruht in einem Steingrab und bekommt jeden Tag Besuch von den Pinguinen.

Auch wir können uns über mangelnde Gesellschaft nicht beklagen. Auf Barrientos Island etwa begegnen wir einer Truppe Seeelefanten, die von einem Bullen bewacht werden. Und wenn mal kein tierisches Treffen ansteht, wandern wir an den Steilküsten entlang und betrachten Fossilien, oder wir machen eine Zodiac-Tour zu alten Walfängerstationen. Und immer spielt das Wetter mit. Auch auf dem Rückweg durch die Drakestraße ist die Dünung so glatt wie ein Babypopo.

Aber dann, 24 Stunden vor Erreichen des Beagle-Kanals, zeigt sich die Natur doch noch von ihrer rauen Seite. Ein Sturmtief zieht heran, gigantische Wellen türme bauen sich auf. Die „Silver Explorer“ tanzt auf dem Meer. Mal taucht das Schiff mit dem Bug tief ein, sodass die Gischt über das Deck schäumt, mal taucht das Heck unter.

Nun heißt es festklammern. Am Tisch, damit man nicht mit dem Stuhl umkippt, an den Haltestangen in den Gängen, damit man nicht an die Wand knallt. Der beste Platz ist jetzt auf der Brücke, wo man den Horizont im Auge behalten kann. Das hilft gegen Übelkeit. Ernest Shackleton hätte über unsere Problemchen sicher nur gelacht.

Quelle: Infografik Die Welt

Tipps und Informationen

Anreise: Antarktis-Kreuzfahrten starten in der Regel im argentinischen Ushuaia. Umsteigeverbindungen nach Feuerland bieten etwa TAM oder Aerolineas Argentinas.

Kreuzfahrten: Zehn Tage auf Shackletons Spuren mit dem Expeditionsschiff „Silver Explorer“ ab/bis Ushuaia Richtung Antarktis kosten im bereits gut gebuchten Dezember dieses Jahres ab 15.345 Euro pro Person; im März 2017 liegt der Preis für eine 22-tägige Antarktisfahrt derzeit noch bei 9250 Euro, silversea.com.

Hapag-Lloyd bietet mit der „Bremen“ im November 2016 eine 22-tägige Antarktisreise ab/bis Ushuaia für 17.930 Euro sowie im Januar 2017 mit der „Hanseatic“ eine 22-tägige Antarktisreise ab/bis Ushuaia ab 13.250 Euro pro Person, hl-cruises.de.

Die Teilnahme an der Reise wurde unterstützt von Silversea Cruises. Unsere Standards der Transparenz und journalistischen Unabhängigkeit finden Sie unter www.axelspringer.de/unabhaengigkeit.

Mehr aus dem Web
Neues aus der Redaktion
Auch interessant
Mehr zum Thema