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Hartz IV trotz Job

Johannes Maier arbeitet schon seit Februar wieder. Dennoch bekommt er weiter Geld vom Jobcenter.

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© Sven Ellger

Von Julia Vollmer

Jeden Monatsersten hat Johannes Maier Angst. Angst davor, auf sein Konto zu blicken. Nicht etwa, weil der Kontostand so niedrig ist, sondern weil jedes Mal wieder Geld vom Jobcenter darauf ist. Der 24-Jähriger bekommt regelmäßig 416 Euro Hartz IV überwiesen, obwohl er schon längst wieder einen Job hat.

Bereits seit dem 12. Februar arbeitet er nach einem Jahr Arbeitslosigkeit als Kundenberater. „Ich habe mich schon am 13. Februar beim Amt abgemeldet, mehrere Briefe und Mails an das Jobcenter geschickt“, erzählt Johannes Maier, der eigentlich anders heißt. Doch nichts passiert, das Geld wird weiter jeden Monat überwiesen. Die Mitarbeiter würden zwar auf seine Anrufe und Mails reagieren, aber ein Resultat bleibt aus. 4 250 Euro Hartz IV plus seine Miete hat er seitdem zuviel erhalten.

Vor einer Sache hat Johannes Maier die größte Angst – wegen Sozialbetruges angezeigt zu werden. „Dann wäre ich meinen Job los, als Kundenberater darf ich nicht vorbestraft sein“, sagt er. Ob das alles stimmt, was er erzählt, bleibt unklar. Warum zahlt er das Geld nicht einfach an das Amt zurück? Das ginge nicht, sagte man ihm. Er müsse warten, bis er vom Amt dazu aufgefordert wird.

Zum Fall von Johannes Maier will das Dresdner Jobcenter nichts sagen. Aus Datenschutzgründen. Auch auf die Frage, wie oft es solche Fälle schon gab, kann Sprecherin Grit Löst nur vage antworten. „Das kann nicht genau beziffert werden.“ Grundsätzlich gelte: sind noch Fragen offen und fehlt die Rückmeldung des Antragstellers, so könne Hartz IV auch vorläufig ausgezahlt werden. Denn auch wenn sich ein Empfänger abmeldet, weil er wieder eine Arbeit hat, könne durchaus ein weiterer, wenn auch geringerer Anspruch bestehen. Doch das ist im Fall von Johannes Maier nicht so. Er bekommt rund 1 400 Euro Gehalt im Monat und hat keinen Anspruch auf eine Aufstockung.

Grit Löst bestätigt seine Aussagen beim Zurückzahlen. „Wenn bei Leistungsbeziehern eine Überzahlung eingetreten ist, erhalten sie die Aufforderung zur Rückzahlung.“ Wer das zu viel gezahlte Geld schon ausgegeben hat, könne mit der Inkassostelle der Bundesagentur eine Ratenzahlung vereinbaren. Wie ist das mit zu viel gezahlten Mietzuschüssen? Die müssen ebenfalls zurückgezahlt werden. Anders ist das bei zu viel gezahlten Krankenkassenbeiträgen. Da sei keine Rückzahlung fällig.

Johannes Maier vermutet als einen Grund für sein Problem, dass die Mitarbeiter zu viele Fälle auf einmal betreuen müssen. Von Grit Löst kommt dazu keine Einschätzung, aber Zahlen. „Ein Fachassistent betreut ungefähr 230 Bedarfsgemeinschaften“, so die Arbeitsagentur-Sprecherin. Bedarfsgemeinschaften sind Familien, oder Paare, die in einem Haushalt zusammen leben. Im Bereich der unter 25-jährigen Leistungsberechtigten sind es 150 Personen pro Mitarbeiter. Das hätte zumindest in den letzten drei Jahren nicht zugenommen, versichert Löst. Zahlen aus früheren Jahren würden dem Jobcenter nicht mehr vorliegen.

Die SZ fragte bei Dresdner Beratungsstellen für Arbeitslose nach. Diese nehmen durchaus wahr, dass ein einzelner Mitarbeiter viele Fälle bearbeiten muss. „Punktuell erleben wir eine offensichtliche Überlastung der Mitarbeiter im Jobcenter im Zusammenhang mit der Behebung von Fehlern, die bei der Berechnung von Leistungen zustande kommen“, so Gerlinde Köhmstedt, Leiterin des Caritas-Beratungszentrums. Die Bearbeitungszeiten für Fehlerkorrekturen seien sehr lang. Für die Betroffenen sind diese Probleme existenziell. „Wenn beispielsweise über Monate das Kindergeld, was noch nicht bezogen wird, angerechnet wird, fehlt der Familie das Geld für den Lebensunterhalt“, so Köhmstedt. Probleme beobachtet auch Werner Schiffni von der Arbeitslosen-Initiative. „Es werden öfter zu Unrecht Sanktionen verhängt. Es kommt auch vor, dass Fristen vom Jobcenter nicht eingehalten werden.“

Johannes Maier will weiter Briefe schreiben und anrufen. So lange, bis er endlich nur noch sein Gehalt auf seinem Kontoauszug sieht.