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Silvio S: Prozess wegen Mord an Mohamed und Elias
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Beginn Prozess gegen den mutmaßlichen Kindsmörder
dpa Silvio S. betritt den Gerichtssaal
  • FOCUS-online-Autorin

Der Prozess beginnt mit Verspätung, so groß war das öffentliche Interesse, so streng die Sicherheitskontrollen: Es dauerte mehr als eine Stunde, bis es alle Journalisten und Zuschauer in den Gerichtssaal geschafft haben und so ist es schon deutlich nach zehn Uhr, als Silvio S. an diesem Dienstag den kleinen Raum im Potsdamer Landgericht betritt.

Mit einer braunen Mappe versucht er, sich vor den neugierigen Blicken zu schützen, die Kapuze seines grauen Pullovers hat er tief in die Stirn gezogen. Dennoch geht S. aufrecht und zielstrebig zu seinem Platz.

Er sitzt auf der Anklagebank und muss sich wegen der Morde an dem sechsjährigen Elias S. aus Potsdam und dem vierjährigen Flüchtlingsjungen Mohamed J. verantworten.

Er kam im Kapuzenpullover

Mehr als 70 Augenpaare sind auf den Angeklagten gerichtet, nur das klicken der Kameras ist zu hören. Erst als die Kamerateams den Saal verlassen müssen, nimmt S. die Mappe runter. Im Zuschauerraum überraschte Gesichter: Dieser unscheinbare Mann soll zu solchen grausamen Taten fähig gewesen sein?

S. trägt blaue Jeans und einen Hoodie mit Aufdruck. Er scheint schmaler als auf den Fahndungsbildern, wo man ihn mit dem kleinen Mohamed an der Hand sah. Das graue Haar wirkt etwas unsortiert, das Gesicht nicht ganz frisch rasiert, doch ansonsten ist der 33-Jährige offenbar in guter Verfassung.

Beginn Prozess gegen mutmaßlichen Kindsmörder
dpa Sicherheitskräfte vor dem Potsdamer Landgericht

Beängstigend wirkt S. nicht

Die Augen hinter der dezenten Brille sind wach und S. schaut sich im Saal um. Sein Gesichtsausdruck ist unerwartet freundlich, um den Mund spielt sogar die Andeutung eines Lächelns. Es ist gut vorstellbar, dass dieser Mann selbst fremden Kindern keine Angst macht.

Doch hinter S. freundlicher Maske verbirgt sich mehr – und je länger er lächelt, desto mehr bröckelt die Fassade. Schon vor Prozessbeginn hatte der Angeklagte ein Geständnis abgelegt, im Gericht will er aber nicht aussagen.

Betäubt, missbraucht und getötet

Die Anklage wirft ihm vor, im Juli 2015 den kleinen Elias von einem Spielplatz unmittelbar vor dem Wohnhaus der Familie in Potsdam entführt zu haben. Im Oktober desselben Jahres folgte dann die Entführung von Mohamed vom Gelände des „Lageso“ Berlin. Beide Kinder sollen von S. mit Schlafmitteln beziehungsweise Chloroform betäubt und sexuell missbraucht worden sein, anschließend soll er die Kinder zur Vertuschung seiner Taten erwürgt haben.

Während der Verlesung der Anklageschrift wandert der Blick unweigerlich zu S. Händen. Beim Betreten des Saals blitzten noch silbrig die Handschellen an seinen schmalen Handgelenken, nun liegen die Hände gefaltet auf dem Tisch.

Der Angeklagte scheut den Blick der Eltern nicht

Mit diesen Händen soll S. Mohamed ein Plüschtier überreicht haben, um ihn anzulocken. Diese Hand war es, die der kleine Junge auf dem Überwachungsbild hielt, das S. letztlich überführte. Diese Finger schnallten laut Anklage Elias eine Knebel-Maske um, als S. Verkehr mit ihm wollte. Sie streichelten demnach Mohamed im Intimbereich, hielten die Kinder fest, töteten sie, brachten sie fort.

S. hört sich die Vorwürfe ruhig an. Er schaut geradeaus und scheut den Blick ins Gesicht der Eltern von Mohamed und Elias nicht, die nur wenige Meter entfernt sitzen. Er lauscht der Zeugenaussage von Elias Mutter und wirkt gelassen. Nur sein häufiges Blinzeln und gelegentliches hörbares Durchatmen lassen S. innere Anspannung erahnen.

Beginn Prozess gegen den mutmaßlichen Kindsmörder
dpa Aldiana Januzi, die Mutter des getöteten Mohamed, wartet auf den Prozessbeginn

Wie ein unbeteiligter Beobachter

Wo andere Angeklagte mit gesenktem Kopf und ausweichendem Blick sitzen würden, wirkt er insgesamt eher interessiert. S. verfolgt die Gespräche, blickt mal zum Richter, mal zu seinem Anwalt, beobachtet die Zeugen.

Im Video: Die Spuren des Silvio S.: Hier entführte er Mohamed und Elias

Die Spuren des Silvio S.: Hier entführte er Mohamed und Elias

FOCUS Online Die Spuren des Silvio S.: Hier entführte er Mohamed und Elias

Bei alledem wirkt er allerdings unbeteiligt, als höre er eine völlig neue fremde Geschichte. Manchmal zieht er die Augenbrauen hoch, wie vor Überraschung und einmal greift er sogar nach einem Stift, der auf dem Tisch liegt, als wolle er sich etwas notieren.

Ein „armes Würstchen“

Die ganze Zeit klebt dabei dieses angedeutete Lächeln in S. Gesicht. Es scheint ihm nicht mal bewusst zu sein, wirkt eher antrainiert. Ist das die Maske, hinter der er sich jahrelang verstecken konnte, sodass niemand von seinen pädophilen Neigungen ahnte?

Ein „armes Würstchen“ nennt eine Freundin der Familie den Angeklagten in einem Gespräch am Rande des Prozesses. Nicht, weil sie Mitleid mit S. hat, sondern weil sie so fassungslos ist angesichts der Taten, die ihm vorgeworfen werden. Ein Mensch der zu so etwas fähig sei, müsse ja gestört sein.

Doch wie ein gefühlskaltes Monster kommt S. auch nicht rüber. Es ist eine merkwürdige Ambivalenz in seinem Auftreten. Selbst ein Gerichtszeichner rätselt lange darüber, wie er den Angeklagten zeigen will: Selbstsicher oder scheu, interessiert oder in eine Parallelwelt abgedriftet?

„Ich denke, wir sind Freunde“

Und dann kommt plötzlich der Bruch: Es ist die Aussage einer Kinder-Therapeutin, die S. am Nachmittag aus der Bahn wirft. Die Frau war eigentlich wegen eines anderen Kindes an Elias Schule eingesetzt gewesen, doch der Junge sei ihr gleich aufgefallen und sie habe sich ab und zu mit ihm unterhalten, sagt sie.

Sie schildert, wie sie ein Vertrauensverhältnis zu dem Jungen aufgebaut habe und beschreibt eine Situation, in der ihr das besonders deutlich geworden sei. Die Therapeutin und Elias saßen auf einer Bank und ganz unvermittelt sagte er zu ihr: „Weißt du, was ich denke? Ich denke, wir sind Freunde.“

Beginn Prozess gegen den mutmaßlichen Kindsmörder
dpa Silvio S. inmitten seiner Anwälte und der Sicherheitskräfte

Emotionale Momente am Nachmittag

Als die Zeugin diese Worte ausspricht, kommt auf einmal Bewegung in S. Gesicht. Er schluckt, blinzelt – und zückt unvermittelt ein Taschentuch, offenbar um sich eine Träne wegzuwischen. S. ringt sichtlich um Fassung. Hat ihn die Erinnerung an Elias so sehr berührt, oder will der Angeklagte bloß Mitleid erregen?

Das ist nur eine der vielen offenen Fragen, die nach diesem ersten Prozesstag bleiben. Denn noch immer sind auch die genauen Umstände der Entführungen ungeklärt. Ungewiss ist auch, in welchem Verhältnis Opfer und Täter vorher zueinander standen.

Gibt es doch noch eine Aussage vom Angeklagten?

Was hinter der lächelnden Maske des Silvio S. vor sich geht, kann aber nur er selbst beantworten. Deswegen schloss Richter Theodor Horstkötter den ersten Verhandlungstag auch mit einem eindringlichen Appell an den Angeklagten: „Die Mutter hat einen Anspruch darauf zu wissen, was genau passiert ist“, sagte Horstkötter und bat S., seine Entscheidung gegen eine Aussage noch einmal zu überdenken.

Im Video: Polizei hat konkrete Theorie - das passierte mit der kleinen Maddie

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