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Hamburg Hamburger Feuerwehrchef

Die neuen Herausforderungen der Rettungskräfte

Oberbranddirektor. Klaus Maurer mit Autor Norbert Vojta in einem Rettungskorb der Hamburger Feuerwehr Oberbranddirektor. Klaus Maurer mit Autor Norbert Vojta in einem Rettungskorb der Hamburger Feuerwehr
Oberbranddirektor. Klaus Maurer mit Autor Norbert Vojta in einem Rettungskorb der Hamburger Feuerwehr
Quelle: Bertold Fabricius
Klaus Maurer ist seit mehr als zehn Jahren Hamburgs Feuerwehrchef. Ein Gespräch über Angriffe auf Rettungskräfte, Nachwuchssorgen, Einsätze im Ausland und das weltweit bekannte „Maurer-Schema“.

Wer in Hamburg 112 wählt, bekommt spätestens in acht Minuten Hilfe. So schnell trifft die Hamburger Berufsfeuerwehr am Brandherd ein. Zusammen mit den Freiwilligen Feuerwehren ist die Präsenz an 124 Standorten gesichert. Doch die Rettungskräfte stehen auch vor Problemen: Seit geraumer Zeit werden sie in ganz Deutschland mit Flaschen beworfen, bespuckt, bepöbelt und sogar geschlagen – auch in Hamburg. Eine neue Lage für Klaus Maurer, Hamburgs Oberbranddirektor.

WELT AM SONNTAG: Herr Maurer, in der Silvesternacht sind Feuerwehrleute und Sanitäter in Deutschland angegriffen worden. Was war in Hamburg los?

Klaus Maurer: Uns sind bisher zwei Fälle gemeldet worden. Eine Freiwillige Feuerwehr wurde mit Feuerwerkskörpern vor einem Restaurant bei Löscharbeiten beschossen. Die Polizei hat für Ordnung gesorgt. Ein Rettungswagen ist zudem mit einer Flasche beworfen worden. Das sind unschöne Szenen, die wir gar nicht mögen.

WELT AM SONNTAG: Was können Sie dagegen tun?

Maurer: Wir versuchen immer wieder, mit Öffentlichkeitsarbeit auf unsere Aufgaben hinzuweisen, dass wir im Rahmen der Daseins-Vorsorge helfend unterwegs sind. Was ganz wichtig ist: Deeskalation. Das bringen wir schon unseren jungen Kollegen bei, dass wir deeskalierend auftreten, um jeden Konflikt zu vermeiden.

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WELT AM SONNTAG: Ist sonst in Hamburg an Silvester alles ruhig geblieben?

Maurer: Wir hatten in den 24 Stunden 1300 Einsätze. Das ist etwas weniger als in den Jahren davor. In der reinen Silvesternacht von 18 Uhr bis morgens um 6 Uhr waren das 950 Einsätze. Für uns war es ein etwas ruhigeres, aber dennoch mit knapp 1000 Einsätzen eine extrem geschäftige Nacht. Wir mussten 270 Feuer löschen.

WELT AM SONNTAG: Bei so viel Einsätzen benötigen Sie bestimmt Nachwuchs.

Maurer: Ja, dringend. Wir müssen bis 2025 über 1000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ersetzen, weil wir jetzt einen großen Block von Kollegen haben, die in den nächsten zehn Jahren in den Ruhestand gehen. Wir werden pro Jahr jetzt 120 Feuerwehrleute einstellen. Dazu kommt die Ausbildung über Notfallsanitäter plus der Lehrberuf Feuerwehr, den wir hier jetzt mit den Werkfeuerwehren entwickeln. Unser Anspruch ist selbstverständlich, dass wir die, die in den Ruhestand gehen, ersetzen und noch zugleich um weitere 228 Kräfte wachsen. Das ist eine richtige Herausforderung.

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WELT AM SONNTAG: Warum haben Sie die Einstellungsvoraussetzungen gesenkt?

Maurer: Wir haben die nicht gesenkt, sondern wir bilden jetzt zukünftig selbst aus. Was wir handwerklich benötigen, machen wir in Zukunft selbst mit einem Partner zusammen. Wir bilden von verschiedenen Gewerken die handwerklichen Grundfähigkeiten aus. Dann kommt die Feuerwehrausbildung wie immer oben drauf.

WELT AM SONNTAG: Mir war im Rettungskorb total schwindelig. Was kann ich dagegen tun?

Maurer: Man muss eine gewisse Grundeinstellung und Konstitution haben. Ansonsten ist es Gewöhnung. Das bekommt man dann auch ganz gut hin. Viele junge Kolleginnen und Kollegen, die zu uns kommen, haben am Anfang ein bisschen Schwierigkeiten mit der Höhe. Das trainieren wir. Sukzessive immer mehr. Am Ende sind alle sicher in der Höhe.

Es ist in unserem Interesse, dass sie sich in ihrem erlernten Beruf auch auf dem neuesten Stand halten. Die Kompetenz der Feuerwehr vor Ort steht durch die Multifunktionalität aller Mitarbeiter.
Klaus Maurer, Oberbranddirektor Hamburgs

WELT AM SONNTAG: Wieso haben so viele Feuerwehrleute die Genehmigung, nebenbei zu arbeiten?

Maurer: Es ist durchaus in unserem Interesse, dass sie sich in ihrem erlernten Beruf auch auf dem neuesten Stand halten. Die Kompetenz der Feuerwehr vor Ort steht durch die Multifunktionalität aller Mitarbeiter. Wir haben immer einen dabei, der in dieser konkreten Situation aus seiner beruflichen Perspektive eine Lösung anbieten kann.

WELT AM SONNTAG: Einer Ihrer Feuerwehrleute ist mein Fensterputzer.

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Maurer: (lacht) Da sage ich: wunderbar. Der kennt sich in der Höhe aus. Der kennt die dazugehörige Eigensicherheit. Macht vielleicht sogar Fassadenklettern oder ist bei den Höhenrettern. In früheren Jahren und Jahrzehnten war der Zuverdienst auch notwendig. Das ist heute nicht mehr der primäre Antriebsmotor.

WELT AM SONNTAG: Viele Veranstalter arbeiten auf der ganzen Welt nach Ihrem „Maurer-Schema“. Was verbirgt sich dahinter?

Maurer: Das ist entwickelt worden, um die sanitätsdienstliche Absicherung von Großveranstaltungen auf valide, geprüfte und nachvollziehbare Füße zu stellen. Das ist Mitte der 90er-Jahre entstanden, als die großen Open-Air-Veranstaltungen in den Fußballstadien entwickelt wurden und man sich immer gefragt hat, was muss ich denn eigentlich an Sanitätsdienst dazu tun.

WELT AM SONNTAG: Was steckt genau dahinter? Eine mathematische Formel?

Maurer: Ja, richtig. Anhand weniger Parameter kann auch ein Laie, der keine Ahnung von Großveranstaltungen hat, ausrechnen, wie hoch das Risiko für seine Veranstaltung ist. Dafür nutzt er einen Algorithmus, der auf Erfahrungen von mehr als 100 Großveranstaltungen weltweit zurückgreift. Der Standard ist bis heute europaweit anerkannt. Man kann frühzeitig bei der Buchung eines Veranstaltungsortes sagen: Okay, in diesem Stadion kostet dich die Sicherheit so und so viel. Gehe ich mit der gleichen Veranstaltung auf einen anderen Platz, habe ich weniger Aufwand. So kann man viel besser miteinander umgehen und hat eine geprüfte Sicherheit.

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WELT AM SONNTAG: Hat das „Maurer-Schema“ auch bei der Duisburger Loveparade gegolten?

Maurer: Eine schwierige Fragestellung. Ich weiß nicht, ob die Kollegen es angewendet haben. Ich maße mir da auch kein Urteil an, wie die Einsatzplanung ausgesehen hat, was dabei gedacht worden ist und Ähnliches. Es gibt Standards für Großveranstaltungen. Dort ist ja auch in der Diskussion, ob die Zuwegung als wesentlicher Teil der Sicherheit zu betrachten ist. Das war sicherlich in Duisburg ein großes Problem.

WELT AM SONNTAG: Warum sind Sie da nicht gefragt worden?

Maurer: Das müssen Sie die Kollegen in Duisburg fragen.

WELT AM SONNTAG: Sie arbeiten mit den Vereinten Nationen in New York zusammen. Was ist Ihre Aufgabe?

Maurer: Ich bin seit 2007 im sogenannten UNDAC-Team unterwegs. Das steht für „United Nations Disaster Assessment und Coordination“. Wir haben bei Katastrophen die Aufgabe der schnellst möglichen Erkundung vor Ort. Was wird benötigt? Was sind die Bedarfe, um wieder zu geordneten Verhältnissen zum Schutz der Menschen zu kommen, sie zu retten und erstzuversorgen? Wenn dann internationale Hilfe einsetzt, also auch Hilfskräfte vor Ort dazukommen, müssen wir diese koordinieren.

Ich war bis jetzt in der Karibik und in Kenia im Einsatz. Deswegen ist auch ständig ein gepackter Koffer im Keller.
Klaus Maurer, Oberbranddirektor Hamburgs

WELT AM SONNTAG: Wer alarmiert Sie?

Maurer: Immer die örtlichen Behörden. Das heißt, das zuständige Land, das betroffen ist. Ich war bis jetzt in der Karibik und in Kenia im Einsatz. Deswegen ist auch ständig ein gepackter Koffer im Keller. Da ist eine komplette Ausrüstung drin, die zum Teil auch von der UN gestellt ist. Nach einer Alarmierung ist man spätestens zwölf Stunden später im Flugzeug. Während man auf dem Weg zum Flugplatz ist, wird der Flugplan fertig gestellt.

WELT AM SONNTAG: Was passiert, wenn Sie dann in der Luft sind?

Maurer: Da werden schon die Visa am Ankunftsort organisiert, sodass man tatsächlich auch durchkommt. Das Ziel ist, so schnell wie möglich an den Einsatzort heranzukommen.

WELT AM SONNTAG: Arbeiten Sie da mit internationalen Kollegen zusammen?

Maurer: Genau. Das ist ein weltweit einheitliches System, bei dem ungefähr 170 Mitarbeiter geschult sind. Egal wer sich da trifft: Wir ticken von der ersten Sekunde an gleich.

WELT AM SONNTAG: Wer hat Sie eigentlich dazu animiert, zur Feuerwehr zu gehen?

Maurer: (lacht) Das ist manchmal banaler, als man denkt. Als 16-Jähriger habe ich angefangen, mich bei der DLRG zu engagieren. Ich habe Rettungswachdienst an einer großen Talsperre gemacht, erst als Rettungsschwimmer, Bootsführer, später bei großen Veranstaltungen als Einsatzleiter. Letztlich habe ich Bauingenieurwesen studiert.

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WELT AM SONNTAG: Wie ging es dann weiter?

Maurer: Ich habe im Sommer über viele Jahre während meines Urlaubs Rettungswachdienst an der Ostseeküste gemacht. Die kleine und wahre Geschichte ist, dass meine Nachbarstation immer mit Kollegen der Feuerwehr Hamburg besetzt war. Die haben immer erzählt, was Sie für einen tollen Job haben. Die waren auch so begeistert wie ich. So habe ich mir rational überlegt: „Dein Hobby bei der DLRG, dein Studium als Bauingenieur. Dieses schöne Berufsbild passt doch gut zusammen.“ So kam das. Heute bin ich in Hamburg.

WELT AM SONNTAG: Sie sind bei der zweitgrößten deutschen Feuerwehr Herr der Lage. Sind Sie das auch zu Hause?

Maurer: Wir sind Partner. Meine Frau und ich, wir leben allein. Wir haben leider keine Kinder. Wir gestalten unseren Tag so, dass wir das Maximum gemeinsam schaffen.

WELT AM SONNTAG: Und womit löschen Sie abends Ihren Durst?

Maurer: (lacht) Mit Wasser, Tee und gelegentlich auch mal einem Glas Wein.

Norbert Vojta ist Journalist und Honorarprofessor an der Hochschule für Musik und Theater Hamburg. Sein nächstes Interview erscheint in der WELT AM SONNTAG am 28. Januar.

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