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Fahrberichte & Tests VW T6 California

Dieser Deutsche lässt Amerikaner jubeln

Treffen in Venice Beach: Alte Bullis sieht man in den USA häufig, den aktuellen VW California nur zum 30. Jubiläum Treffen in Venice Beach: Alte Bullis sieht man in den USA häufig, den aktuellen VW California nur zum 30. Jubiläum
Treffen in Venice Beach: Alte Bullis sieht man in den USA häufig, den aktuellen VW California nur zum 30. Jubiläum
Quelle: Stephan Lindloff
In den USA nimmt man Volkswagen eine ganze Menge übel. Den alten Bulli lieben die Menschen dort jedoch trotz Abgasskandal. Und mit dem neuen VW California wird man sogar behandelt wie ein Rockstar.

Was will der Typ von mir? Fährt zickzack in seinem weißen offenen BMW 428i Cabrio vor mir her, gestikuliert wild. Bin ich zu schnell? Zu langsam? Habe ich ihn geschnitten, oder bin ich ihm einfach im Weg? In Berlin kann das schon für wilde Hupkonzerte ausreichen.

Aber ich bin nicht in Berlin, sondern in Los Angeles. Und ich quäle mich auch nicht über die verstopfte Leipziger Straße, sondern über den noch viel verstopfteren Pacific Coast Highway in Richtung Malibu. Mein Auto: ein weißer VW T6 California.

Die nächsten zehn Kilometer taucht der BMW-Fahrer immer wieder vor oder neben mir auf. Wenn er nicht gerade Fotos mit seinem Handy von dem VW Bus schießt, macht er mit seinem rechten Arm Lassobewegungen, so als wolle er mich einfangen. Aber vielleicht will er mir ja auch nur signalisieren, dass etwas mit dem Camper nicht stimmt.

Mit dem VW Bus durch die USA: Für amerikanische Verhältnisse ist der T6 ein eher kleiner Van
Mit dem VW Bus durch die USA: Für amerikanische Verhältnisse ist der T6 ein eher kleiner Van
Quelle: Stephan Lindloff

Bei der nächsten Gelegenheit nehme ich die Abfahrt und halte auf einem Supermarktparkplatz. Neben mir springt der BMW-Fahrer aus seinem Cabrio. Bevor ich aussteige, versucht mich meine innere Stimme noch zu warnen: „Bist du verrückt? Man fährt doch nicht mit einem Wildfremden auf einen Parkplatz!“ Doch da steht mir mein Verfolger auch schon gegenüber.

VW Busse sind in den USA keine Seltenheit. Vor allem in Kalifornien und Oregon begegnet man ständig älteren Modellen der T2-, T3- oder T4-Baureihe. Viele sind im täglichen Einsatz, als Surfer-, Handwerker- oder Familienautos. Einige sind in einem schäbigen Zustand und stehen seit Jahren ungenutzt am Wegesrand, andere hingegen wurden perfekt restauriert und werden nur für Oldtimertreffen ausgefahren.

Bulli-Besitzer bemalen ihre Busse auch mal gern bunt und bekleben sie mit politischen Botschaften: „I’m so glad – Obamacares“, „Hillary for America“ oder „Zappa for President“. Den aktuellen Bus sucht man im amerikanischen VW-Sortiment jedoch vergeblich.

„Dieser Bus ist der Wahnsinn!“

Bereits vor 15 Jahren ist der Bulli, der in der Nähe von Hannover gebaut wird, in den Staaten aus dem Programm geflogen. Und das Campingmodell California, das 1988 erstmals auf Basis des T3 angeboten wurde, hat es sogar nie bis nach Kalifornien geschafft.

Auf dem Supermarktparkplatz strahlt mich ein jugendlich wirkender Mittsechziger an, stellt sich als Neil vor und rattert los: „Was geht hier ab? Das ist großartig! Dieser Bus ist der Wahnsinn!“ Sein Wortschatz scheint fast nur aus Awsome! Amazing! und Great! zu bestehen.

Während ich ihm erzähle, dass ich anlässlich des 30. Jubiläums des VW California mit dem aktuellen Camper durch Kalifornien fahre, sucht er etwas in seinem Handy. „Schau dir das an. Das bin ich, also mein jüngeres Ich, mit meinem Bus.“ Auf dem Foto steht ein langhaariger Hippie neben einem T2-Bulli. Er habe sogar „zwei Folkswäggn-Camper“ besessen. „Und jetzt will ich den, den du da hast.“

Hotel California: Mit einem VW-Camper hat man immer seine kleine Ferienwohnung dabei. Allerdings ohne Toilette und Dusche
Hotel California: Mit einem VW-Camper hat man immer seine kleine Ferienwohnung dabei. Allerdings ohne Toilette und Dusche
Quelle: Stephan Lindloff
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Neil möchte alles über den Bus wissen. Wie viel PS? 204. Diesel? Nein, ein 2,0-TSI-Benziner mit Doppelkupplungsgetriebe und Allrad. Wie fährt er sich? So einfach wie ein VW Golf. Wie schnell fährt er? 125 Meilen pro Stunde, also knapp 200 km/h.

Mein Urteil? Ich erzähle ihm, dass ich selbst mal einen VW Bus hatte und dass ich diese Mischung aus nicht so großem Reisemobil, mit dem man problemlos auch auf Fähren fahren kann, und praktischem Alltagsauto mag.

Schwachstellen? Ich berichte, dass mir der Bus zu viel schluckt (selten unter 10,5 Liter), und dass es etwas Übung braucht, um die hintere Sitzbank in ein Bett umzuwandeln. Und dass es keine Toilette oder Dusche gibt.

„Da oben ist auch noch ein Bett? Amazing!“

Das schreckt Neil nicht ab. Er lässt sich auf dem Supermarktparkplatz alles von mir zeigen. Die kleine Küche mit Gasherd, Spüle und Kühlschrank. „Awsome!“ Den drehbaren Beifahrersitz, die diversen Staufächer und die ausfahrbare Markise, die beiden Campingstühle, die in der Heckklappe untergebracht sind und den Campingtisch, der in der Schiebetür versteckt ist. „Great, das ist clever und spart viel Platz. Wir haben früher alles, was wir mitnehmen wollten, einfach in den Bus geworfen.“

Ich lasse das rote Aufstelldach automatisch hochfahren (das dauert exakt 22 Sekunden) und zeige ihm, wo ich heute Nacht schlafen werde, nämlich da oben. So erspare ich mir den Umbau meines Ess- und Wohnzimmers. „Amazing, da oben ist auch noch ein Bett! Ein Zelt auf dem Auto. Great!“ Er habe natürlich auch in seinen Bussen geschlafen, allerdings habe er die selbst zum Camper umgebaut.

Zelt auf dem Dach: Per Knopfdruck lässt sich das Aufstelldach hochfahren; dadurch entsteht eine zusätzliche Schlafgelegenheit
Zelt auf dem Dach: Per Knopfdruck lässt sich das Aufstelldach hochfahren; dadurch entsteht eine zusätzliche Schlafgelegenheit
Quelle: Stephan Lindloff

Neil ist völlig aus dem Häuschen. Einzig die Information, dass Volkswagen den in Hannover gebauten VW Bus seit 2003 – also nach dem Ende des T4 – nicht mehr in den USA anbietet, missfällt ihm. Die Geschäftssparte Volkswagen Nutzfahrzeuge hatte sich damals komplett aus Nordamerika zurückgezogen, da die Absatzzahlen zu gering waren.

Beim nächsten Bulli wird das eventuell anders aussehen. Glaubt man an das Konzeptauto I.D. Buzz, könnte die kommende Generation elektrisch fahren und dann auch in Amerika angeboten werden. Damit dürfte allerdings nicht vor 2022 zu rechnen sein.

Der VW Bus kommt, die Handys werden gezückt

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Später auf meiner Reise begegnet mir Martin, ein sonnengebräunter, muskulöser Kalifornier mit langen blonden Locken. So wie man sich einen kalifornischen Surfer vorstellt.

Ganz lässig sitzt er mit freiem Oberkörper in einem Klappstuhl auf dem Parkplatz von Venice Beach, hinter ihm parkt sein alter VW-Camper. Mehrere Jahre hat er darin gelebt. Heute dient der Bus als Büro und Materiallager für seine Surfschule. Der VW Bus als Symbol der Freiheit, als niemals endender Summer of Love.

Martin ist ein Surfer, wie man ihn sich vorstellt. Früher lebte er in seinem VW Bus, heute dient ein VW Bus als Büro für seine Surfschule
Martin ist ein Surfer, wie man ihn sich vorstellt. Früher lebte er in seinem VW Bus, heute dient ein VW Bus als Büro für seine Surfschule
Quelle: Stephan Lindloff

Dieses Bulli-Lebensgefühl kann man auch mieten. Bill Staggs beispielsweise verleiht in der Kleinstadt Costa Mesa südlich von Los Angeles T2- und T3-Camper. Servolenkung oder Klimaanlage haben die Bullis keine, die Nachfrage bei „VW Surfari“ ist dennoch groß.

Zurück zu Neil auf den Parkplatz. Er kann nicht verstehen, warum VW den Bus nicht mehr in den USA anbietet. Er sei doch sicher nicht der einzige Amerikaner, dem auch dieser neue Camper gefalle.

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Richtig. Fast überall, wo ich auf meiner Reise mit dem Bus auftauche, wird er fotografiert, und ich werde über ihn ausgefragt. Menschen, die gerade ihren Lamborghini in Santa Monica tanken, oder Passanten, die in Downtown L.A. am Straßenrand auf ihren Uber-Fahrer warten – fast alle zücken sie ihr Smartphone.

Auch die beiden jungen Kerle, die auf meinem Weg zum Los Padres Forest an der Ampel in einem schwarzen Dodge Challenger neben mir stehen, zeigen immer wieder zu mir herüber, diskutieren wild, und kurz bevor die Ampel auf Grün springt, heben sie noch die Daumen.

Küche, Wohn- und Esszimmer in einem. Und wenn man die Rückbank umlegt, hat man auch noch ein sehr bequemes Bett
Küche, Wohn- und Esszimmer in einem. Und wenn man die Rückbank umlegt, hat man auch noch ein sehr bequemes Bett
Quelle: Stephan Lindloff

Neil wird auf der gesamten Tour jedoch der einzige gewesen sein, der sich mir förmlich vor den Wagen geworfen hat, um ihn sich genauer anzuschauen.

Dass Amerikaner begeisterungsfähig sind, ist bekannt, doch diese Reaktionen auf einen VW überrascht mich dennoch. Im Gegensatz zu den ersten Bulli-Generationen ist so ein T6 doch eher niedersächsisch kühl designt. Trotzdem flippen die Menschen aus, als wäre der kultige T2 wieder auferstanden.

„Warum lässt sich Volkswagen so ein Geschäft entgehen?“

Von diesen Begegnungen erzähle ich Neil, und dass mir so etwas in Deutschland nie passieren würde. Dort stehe fast an jeder Ecke ein VW Bus, egal ob als Transporter oder Campingmobil. Neil fühlt sich bestätigt. „Na siehst du, die Leute hier würden den Wagen auch kaufen.“

Und es sei doch gut für das Image der Marke, vor allem nach dem Dieselskandal. „Warum verkaufen die den hier nicht? Warum lässt sich Volkswagen so ein Geschäft entgehen?“ Auf meinen Einwand, das könnte vielleicht am Preis liegen, entgegnet Neil nur: „Ach, was wird der Wagen schon kosten? Lass mich raten. 50.000, maximal 60.000 Dollar!“

1988 kam der erste VW California auf den Markt. Er basierte auf dem T3 und kostete 39.900 Mark
1988 kam der erste VW California auf den Markt. Er basierte auf dem T3 und kostete 39.900 Mark
Quelle: Stephan Lindloff

Als er erfährt, dass er sich um fast die Hälfte vertan hat – der voll ausgestattete Bus, an den er sich gerade lässig lehnt, kostet rund 80.000 Euro –, entfährt ihm ein „Oh Shit!“, für das er sich sofort entschuldigt. „Mann, das ist echt viel Geld.“ Ob wir Deutschen wirklich so viel für einen kleinen Camper ausgeben, will er wissen.

Ich erzähle ihm, wie verrückt meine Landsleute derzeit nach Wohnmobilen im Allgemeinen und nach dem VW Bus im Besonderen sind. Könnte ich mir Zahlen besser merken, hätte ich Neil berichtet, dass 2017 so viele VW California wie nie zuvor verkauft wurden, nämlich exakt 15.155 Stück. Rund 160.000 California wurden in drei Jahrzehnten gebaut. Damit ist der kompakte Camper das erfolgreichste Reisemobil seiner Art.

„Well, das ist viel Geld, aber egal, ich würde ihn mir dennoch kaufen.“ Er träume ohnehin davon, sein Haus zu verkaufen und gemeinsam mit seiner Frau in einem Hippiebus um die Welt zu fahren. Zum Schluss schlägt er noch einen Tausch vor: Sein BMW-Cabrio gegen den VW Bus. Na, wie wär’s?

Viele ältere Bullis in den USA sind bunt bemalt. Dieses Exemplar aus Portland hört auf den Namen Doula und verzückt durch seine langen Wimpern
Viele ältere Bullis in den USA sind bunt bemalt. Dieses Exemplar aus Portland hört auf den Namen Doula und verzückt durch seine langen Wimpern
Quelle: Denise Juchem

Die Reise mit dem T6 California wurde unterstützt von VW. Unsere Standards der Transparenz und journalistischen Unabhängigkeit finden Sie unter www.axelspringer.de/unabhaengigkeit

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