«Es tut weh»: Der FC St.Gallen verpasst die Europa-League-Millionen bei Barnettas Abschied um ein einziges Tor

Die Gruppenphase der Europa League lag auf dem Silbertablett bereit für den FC St.Gallen. Die Ostschweizer können von den Ausrutschern Luzerns und Luganos aber nicht profitieren und beenden die Saison auf Platz 6. Der Fehlschuss des Abends kommt vom Majeed Ashimeru.

Daniel Walt
Drucken
Im Letzigrund absolvierte Tranquillo Barnetta sein allerletztes Spiel. (Bild: Keystone)

Im Letzigrund absolvierte Tranquillo Barnetta sein allerletztes Spiel. (Bild: Keystone)

Die Tore

  • 0:1, 16. Minute, Jérémy Guillemenot: Nach einem wunderbaren Angriff der St.Galler kommt Jérémy Guillemenot aus halbrechter Position zum Abschluss. Der Westschweizer lässt Yanick Brecher im FCZ-Tor mit einem Schlenzer keine Chance.
  • 1:1, 50. Minute, Salim Khelifi: Eine Flanke des FCZ wird weiter und weiter. Am hinteren Pfosten entwischt Salim Khelifi seinem Gegenspieler Andreas Wittwer und lässt Stojanovic keine Chance.

Die Spiel-Analyse

Beide Mannschaften wollen ihren Fans zum Saisonabschluss etwas bieten. So ergibt sich vor 12'013 Zuschauern eine attraktive Partie mit zahlreichen Torchancen. Die erste gehört dem FC Zürich, wird aber von Dejan Stojanovic vereitelt. Der St.Galler Goalie wird später noch eine weitere Grosschance des Heimclubs mit einer Glanzparade zunichte machen.

Bei St.Gallen sticht in der ersten Halbzeit insbesondere Dereck Kutesa hervor, der viel Zug zum Tor hat. Generell stehen die Ostschweizer in der Defensive zumeist sicher, tragen Sorge zum Ball und zeigen ein gefälliges Spiel gegen vorne. Ein Musterangriff führt in der 16. Minute zur Führung: Nach einer wunderbaren Ballstafette, an der unter anderem Kutesa und Ashimeru beteiligt sind, lanciert Barnetta auf halbrechts Jérémy Guillemenot. Der Westschweizer umspielt seinen Gegner und trifft mit einem perfekten Schlenzer.

St.Galler Jubel nach dem Führungstreffer von Jérémy Guillemenot. (Bild: Keystone)

St.Galler Jubel nach dem Führungstreffer von Jérémy Guillemenot. (Bild: Keystone)

Noch schöner als der Treffer: Aufgrund der Spielstände auf den anderen Plätzen sind die Espen ab diesem Moment für die Gruppenphase der Europa League qualifiziert. Bloss ein paar Minuten vor der Pause rutschen sie in der Blitztabelle kurzzeitig auf Platz 4 ab: Lugano trifft gegen GC. Weil der Tabellenletzte im Cornaredo aber postwendend ausgleicht und Luzern gegen YB zurückliegt, heisst es nach 45 Minuten: Der FC St.Gallen beendet die Saison auf Platz 3 und ist fix in der Gruppenphase der Europa League dabei.

Die zweite Halbzeit beginnt mit einem Dämpfer für die St.Galler, und zwar noch vor dem ersten gespielten Pass: St.Gallen rutscht auf Platz 4 ab, weil Lugano gegen GC wieder führt. Nur ein paar Minuten später verschlechtern sich die Karten der Ostschweizer im Kampf um Europa weiter: Der FC Zürich gleicht aus, nachdem Andreas Wittwer seinen Gegenspieler aus den Augen verloren hat. Somit liegen die St.Galler aktuell nur noch auf Platz 5, wären aber immer noch in der Qualifikation für die Gruppenphase der Europa League.

In der Folge überstürzen sich die Ereignisse. Allerdings nicht im Letzigrund, sondern auf den anderen Plätzen. Alles läuft für den FC St.Gallen: Weil Luzern bei YB untergeht und Lugano gegen GC maximal das Unentschieden halten kann, würde den Ostschweizern ein einziges Tor genügen, um auf Platz 3 vorzustossen. Von St.Gallen kommt in Umgang 2 vorerst aber viel zu wenig. Trainer Zeidler treibt seine Mannen aus der Coachingzone zwar unablässig an, die Ostschweizer kommen aber nur noch zu wenigen Chancen. Die beste von ihnen, eine hundertprozentige, vergibt Ashimeru, der nach 87 Minuten aus kurzer Distanz danebenzielt. Als auch Nuhus Abschluss in der Nachspielzeit darübergeht, ist klar: St.Gallen beendet die Saison nur auf Platz 6. Direkt für die Europa League qualifiziert ist Lugano, die Qualifikation für die Europa League erreicht haben Thun und Luzern.

Der Beste

Dereck Kutesa. Wie schon gegen YB zeigt er eine starke Partie. In der ersten Halbzeit läuft praktisch jeder Angriff über ihn. Kutesa ist ballsicher und beweist viel Zug gegen vorne. Nach der Pause gelingt ihm dann bis zur Auswechslung nach etwas mehr als einer Stunde nicht mehr viel.

Dereck Kutesa: Note 5. Zeigt zu Beginn starke Aktionen, ist sehr wendig. Doch auch er: Nach der Pause fahrig.
14 Bilder
Tranquillo Barnetta: Note 5. Auch bei seinem letzen Auftritt haben seine Aktionen Hand und Fuss. Ein Assist, legt auch bei Ashimeru-Chance auf.
Jérémy Guillemenot: Note 4.5. Er scheint sich im St. Galler Team immer wohler zu fühlen. Präsenter als zuletzt. Trifft schön zum 1:0.
Simone Rapp: Note 3.5. Kommt für Guillemenot. Gewinnt einige Zweikämpfe, zu Torchancen kommt er aber nicht.
Cedric Itten: Nicht benotet. Deutet Gefährlichkeit bei seiner Rückkehr wieder an. Zu wenig Spielzeit für eine Bewertung.
Vincent Sierro: Note 4.5. Arbeitet sehr viel im Mittelfeld. Kann aber das Spiel nach dem 1:1 ebenso wenig in die Hand nehmen wie seine Kollegen.
Milan Vilotic: Note 4.5. Räumt Flanken mehrmals aus dem Strafraum, gutes Stellungsspiel – Angriffsauslösungen nicht immer genau.
Andreas Wittwer: Note 3.5. Über weite Strecken abgeklärt. Lässt vor dem 1:1 aber Khelifi unbewacht – und kann am Ende offensiv kaum mithelfen.
Dejan Stojanovic: Note 5. Er rettet in der Anfangsphase zwei mal brillant, das Gegentor geht nicht auf sein Konto.
Musah Nuhu: Note 4. Er zeigt einen starken Beginn, wirkt aber nach der Pause, als es um alles geht, fahrig.
Silvan Hefti: Note 4.5. Zweikampfstark und defensiv abgeklärt. Nach vorne kamen am Ende zu wenig Impulse.
Axel Bakayoko: Note 4. Bringt zum Schluss Schwung, agiert aber etwas überhastet.
Majeed Ashimeru: Note 3.5. Hat im Mittelfeld weniger Einfluss als sonst. Vergibt die «Millionen-Chance» kurz vor Schluss.
Jordi Quintillà: Note 4.5. Sein Übersteiger steht am Anfang des 1:0. Ruhig und unaufgeregt. Offensive Power aber fehlt.

Dereck Kutesa: Note 5. Zeigt zu Beginn starke Aktionen, ist sehr wendig. Doch auch er: Nach der Pause fahrig.

Der Schlechteste

Majeed Ashimeru. In seinem letzten Spiel für Grünweiss zeigt der Ghanaer praktisch nichts von dem, was ihn eigentlich so stark macht. Eine sehr diskrete Abschiedsvorstellung Ashimerus, der überdies kurz vor Schluss noch eine Hundertprozentige vergibt. SRF-Kommentator Sascha Ruefer bezeichnet Ashimerus erfolglosen Abschluss prompt als «3-Millionen-Fehlschuss».

Die Fans

Am Mittwoch verabschiedeten die St.Galler Anhänger Tranquillo Barnetta mit einer wunderbaren Choreographie. Drei Tage später machen die FCZ-Fans dasselbe mit Clublegende Alain Nef, der seine Karriere ebenfalls beendet:

(Bild: Daniel Walt)

(Bild: Daniel Walt)

Auch die St.Galler Anhänger, die zahlreich nach Zürich gereist sind, sorgen für eine prächtige Stimmung, wobei sie sich vom Abbrennen pyrotechnischer Gegenstände auch durch mehrmalige Durchsagen nicht abhalten lassen:

(Bild: Daniel Walt)

(Bild: Daniel Walt)

Die Karikatur

Das war sie jetzt also, die allerletzte Partie in der Karriere von Tranquillo Barnetta. Unser Karikaturist Tom Werner sieht seinen Abschied so:

Die Reaktionen

Tranquillo Barnetta, Spieler FC St.Gallen: «Ich persönlich bekam während des Spiels nicht mit, wie es auf den anderen Plätzen stand. Es tut weh und passt zu dieser Saison, dass wir unser Ziel letztlich um ein einziges Tor verpasst haben. Nach der Pause liessen wir uns zu sehr hinten reindrücken. Klar, wir hätten es heute in den Füssen gehabt, wir haben die Punkte aber auch in anderen Spielen liegen lassen. »

Silvan Hefti, Captain FC St.Gallen: «Wir sind natürlich sehr enttäuscht. Wir hatten unsere Chancen, mit ein bisschen Glück und Können bringen wir den Sieg heim. In der zweiten Halbzeit war irgendwie zu wenig Power in unseren Kontern.»

Cedric Itten, Spieler FC St.Gallen: «Im Moment überwiegt die Enttäuschung über das Verpassen der europäischen Plätze die Freude über meine Rückkehr. Irgendwann werde ich aber sicher spüren, wie glücklich ich bin, dass ich wieder gesund und zurück bei der Mannschaft bin. Wir wussten, dass wir unbedingt noch ein Tor brauchen, leider ist es nicht mehr gefallen. Für mich wäre es natürlich ein Traum-Comeback gewesen, wenn ich dieses Tor hätte erzielen können.»

Peter Zeidler, Trainer FC St.Gallen: «Ein paar Zentimeter haben gefehlt, und der FC St.Gallen hätte sechs Spiele in der Gruppenphase der Europa League bestreiten können. Das wäre unvorstellbar schön gewesen. Deshalb ist die Enttäuschung jetzt riesengross. Beim Ausgleich kann man natürlich nicht so verteidigen, aber das passiert. Erst zum Schluss konnten wir dann volles Risiko gehen, weil wir wussten, dass wir noch ein Tor brauchen, um europäisch zu spielen.»

Ludovic Magnin, Trainer FC Zürich: «Ich habe endlich wieder Fussball von meiner Mannschaft gesehen. Am Ende hätten wir verlieren können, wenn man die Chance von Ashimeru sieht, das wäre meiner Meinung nach aber unverdient gewesen.»

Das Spiel im Liveticker:

Weitere Artikel zum FCSG