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Fahrt zum TÜV könnte überflüssig werden

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Viele Geräte und Fahrzeuge werden künftig via Internet kontrolliert.
Viele Geräte und Fahrzeuge werden künftig via Internet kontrolliert. © Rolf Oeser

Viele Geräte und Fahrzeuge werden künftig via Internet kontrolliert. Für den TÜV ergeben sich dadurch neue Betätigungsfelder.

Der Tüv Süd bereitet sich auf eine Zeit der Online-Überwachung von Automobilen, Anlagen und Geräten aller Art vor. „Es wird den Tüv over the air geben“, sagt Konzernchef Axel Stepken. Wann in großem Stil per Internet überwacht wird, will er nicht abschätzen. Die Vorbereitungsarbeiten dazu laufen bei den Münchnern aber bereits, denn moderne Sensorik kremple die alten Geschäftsmodelle speziell auch technischer Prüfgesellschaften völlig um. So sei es theoretisch schon jetzt möglich, mit dem Internet vernetzte Autos rund um die Uhr zu überwachen, was physische Tüv-Besuche zumindest zum Teil ersetzen könne. Online- Überwachung sei aber auch bei Kraftwerken, Aufzügen oder Herzschrittmachern möglich.

Es müsse aber jemand überprüfen, ob die Sensoren, die dort und anderswo immer häufiger zum Einsatz kommen, auch wirklich verlässliche Daten liefern, warnt Stepken. Auch das biete für den Tüv ein neues Betätigungsfeld. Mit Blick auf Autos verlangt er von den Herstellern, Prüfern ein Spiegelbild des bei den Autokonzernen vorhandenen Datensatzes für jedes Automobil zur Verfügung zu stellen und baut dabei auf politische Unterstützung. Im heraufdämmernden Zeitalter von Roboterautos müsse sichergestellt sein, dass zur Bewertung sicherheitsrelevanter Technik alle Daten unverfälscht beim Tüv ankommen, mahnt Stepken. „So etwas wie bei Abgaswerten darf uns nicht nochmal passieren“, erklärt er. Seitens der Autoindustrie glauben die Münchner dafür Verständnis zu spüren. Entschieden ist in Deutschland aber noch nicht, wem die von einem vollvernetzten Auto eingefahrenen Daten am Ende wirklich gehören.

Die Rolle einer reinen Prüf- und Zertifizierungsinstanz legt der Tüv derzeit ab. Keimzelle dafür ist die jüngst zugekaufte Technologieperle Uniscon. Deren patentgeschützte Cloud-Technologie erlaube es, Daten im verschlüsselten Zustand zu verarbeiten, womit sie vor Cyberangriffen hundertprozentig sicher seien, sagte Stepken. Cyberexperten betonen dagegen ständig, dass vollkommener Schutz vor Hackern nicht möglich sei. Gerade das sei bei der Uniscon-Technologie das entscheidende Alleinstellungsmerkmal, entgegnet Stepken.

Bedenken gibt es keine

Einsetzen will der Tüv Süd sie als Plattform in der Datenwolke für den Umgang mit besonders sensiblen Inhalten, wie sie bei Geheimnisträgern, Ärzten oder Wirtschaftsprüfern anfallen. „Wir werden zum Betreiber einer Datenplattform“, räumt Stepken ein. Die Gefahr, dass der Tüv damit eigenen Kunden Konkurrenz macht und sie verschreckt, sieht er nicht. Ein großer Cloudanbieter wolle der Tüv nicht werden. Verwenden will er die Technologie auch bei vernetzten Roboterautos der nahen Zukunft.

Mit der Technologie soll unter anderem beim Zulassungsverfahren für Automobile eine neue Ära eingeläutet werden. Heute werden neu entwickelte Fahrzeuge nur anfangs einmal geprüft. Die Software moderner Fahrzeuge wird aber immer öfter erneuert, auch in sicherheitsrelevanter Hinsicht. Deshalb rechnet Stepken damit, dass die Zulassungsberechtigung derart upgedateter Fahrzeuge künftig regelmäßig online vom Tüv überprüft wird.

Grundsätzlich sichert er eine Anonymisierung aller beim Tüv anfallenden Fahrzeugdaten zu, will sie aber auch an berechtigte Dritte weitergeben, falls Autobesitzer dazu vorab ihre Zustimmung erteilen. Als große Interessenten dafür gelten vor allem auch Versicherer.

Um in dieser neuen Technologiewelt voranzukommen, braucht der Tüv dringend Software-Experten. „Wir stellen so viele ein wie möglich“, sagt Stepken. 500 oder auch 1000 neue Jobs seien allein in diesem Bereich nötig und auch gezielte Zukäufe ganzer Technologiefirmen wie Uniscon.

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