Porsche 718 Cayman GTS und GT4 im Vergleichstest: Weniger kann mehr sein

Das aktuelle Mittelmotor-Modell der Stuttgarter gibt es in zwei Varianten mit Saugmotor. Ob es sich lohnt, statt der alltagstauglicheren die kompromisslosere Variante zu wählen, soll der NZZ-Test aufzeigen.

Herbie Schmidt
Drucken
Welche Cayman-Variante hat die Nase vorn? Der NZZ-Test soll es zeigen.

Welche Cayman-Variante hat die Nase vorn? Der NZZ-Test soll es zeigen.

PD

Genaugenommen treffen in diesem Vergleich zwei Generationen des Porsche 718 Cayman aufeinander. Die besonders für Rennstreckenfahrten ausgelegte Variante GT4 wurde im Juni 2019 lanciert. Der alltagstauglichere GTS kam Anfang 2020 mit dem Modellzusatz 4.0 auf den Markt, weil auch er nun über den gleichen Vierliter-Sechszylindermotor verfügt, der bei allen Cayman hinter den beiden Sitzen und vor der Hinterachse platziert ist. Diese Mittelmotor-Bauweise sorgt für einen vor allem horizontal guten Schwerpunkt des Fahrzeugs für besonders dynamische Fahrten.

Der GTS lässt sich wie bei Porsche üblich mit schwarzen Elementen an Rädern, Leuchten und im Innern von anderen Cayman-Modellen optisch unterscheiden, dazu kommt der 400 PS leistende Motor ohne Turbo. Der Testwagen war mit dem Porsche-Doppelkupplungsgetriebe (PDK) ausgerüstet, das entweder vollautomatisch fährt, oder aber mit manuellen Gangwechseln ohne Kupplung und Zugkraftunterbrechung per Paddel am Lenkrad. Ausgestattet war der Wagen mit Extras wie LED-Scheinwerfern, adaptivem Fahrwerk und 18-fach elektrisch verstellbaren Sportsitzen. Auf diese Weise erhöhte sich der Basispreis um 25 180 Franken auf insgesamt 128 580 Franken.

Der GT4 war mit Clubsportpaket, also Überrollkäfig, Feuerlöschanlage und Rennsitzen, sowie einer Reihe von Extras um rund 30 000 Franken teurer, kostete also 157 050 Franken. Anders als der GTS 4.0 wird der GT4 nur mit manuellem Sechsganggetriebe angeboten. Bereits serienmässig beim auf die Rennstrecke ausgelegten, aber für den Strassenverkehr zugelassenen Wagen ist ein grosser Heckflügel, der sich je nach Piste verstellen lässt. Hinzu kommen ein weit herabgezogener Frontstossfänger mit grösseren Lüftungsöffnungen sowie verbreiterte Lufteinlässe vor den Hinterrädern, um den auf 420 PS hochgezüchteten Sechszylinder besser beatmen zu können. Im Vergleich zum Cayman GTS 4.0 wirkt der Cayman GT4 wie ein Porsche 911 GT3, nur eben etwas kompakter und ohne Stauraum hinter den Sitzen.

Typisch für GTS-Modelle sind schwarze Elemente an Frontgrill, Leuchten und Felgen.

Typisch für GTS-Modelle sind schwarze Elemente an Frontgrill, Leuchten und Felgen.

PD
Beim GT4 sorgen grosse Lüftungsöffnungen und ein verstellbarer Heckflügel für Aufmerksamkeit.

Beim GT4 sorgen grosse Lüftungsöffnungen und ein verstellbarer Heckflügel für Aufmerksamkeit.

PD

Interieur

Die Struktur des Innenraums mit der ausgereiften Ergonomie ist bei beiden Fahrzeugen ähnlich, wenngleich die Sitzposition im GT4 deutlich tiefer ist als im GTS, wodurch das Lenkrad für Menschen mit kürzerem Oberkörper auch bei tiefster Einstellung etwas zu hoch platziert ist. Bei der Materialwahl findet sich hier wie dort viel Alcantara, was beispielsweise bei den Sitzflächen und am Lenkrad die Griffigkeit erhöht und einen sportlich-edlen Eindruck vermittelt. Tasten und Schalter in der Mittelkonsole sind bei beiden passend angeordnet, doch das Drehrad im Lenkradkranz – nach wie vor ein sehr praktisches Porsche-Merkmal – fehlt im GT4. Typisch für diesen sind zudem die Textilschlaufen anstelle von Hebeln zum Öffnen der Türen von innen. Das Merkmal sollte in früheren Jahren darauf hinweisen, wie viel Gewicht in Rennautos eingespart wird, im GT4 ist dies jedoch reine Pose.

Beide Wagen verfügen über ausgezeichnete Sitze. Beim GT4 sind diese als Schalen mit hohem Seitenhalt ausgelegt, was lediglich beim Ein- und Aussteigen etwas weniger Komfort bietet als beim alltagstauglicheren GTS. Letzterer verfügt über eine optionale Sitzheizung, im GT4 fehlt diese. Doch gewiss, beim Fahren des hochsportlichen Wagens wird dem Piloten ohnehin warm. Eingeschränkt ist im GT4 aufgrund des grossen Heckflügels die Sicht nach hinten, beim GTS gibt es hier keine Einschränkungen.

Der GTS verfügt über einen rot hinterlegten Tacho sowie das praktische Drehrad im Lenkkranz zur Einstellung der Fahrmodi.

Der GTS verfügt über einen rot hinterlegten Tacho sowie das praktische Drehrad im Lenkkranz zur Einstellung der Fahrmodi.

PD
Das Lenkrad im GT4 verfügt über Mittelstellungsmarkierung. Die inneren Türöffner sind Textilschlaufen.

Das Lenkrad im GT4 verfügt über Mittelstellungsmarkierung. Die inneren Türöffner sind Textilschlaufen.

PD

Set-up

Die Abstimmungsunterschiede zwischen dem Porsche 718 Cayman GTS 4.0 und dem 718 Cayman GT4 sind nicht dramatisch, und doch zeigt sich der GTS eine Spur komfortabler, was allein schon durch die etwas bequemeren Sitze auffällt. Insgesamt ist der GTS sportlich-straff abgestimmt, doch Fahrbahnunebenheiten kompensieren die Feder-Dämpferkombinationen gut.

Der GT4 ist so ausgelegt, dass er als gelungener Kompromiss zwischen Strasse und Rennstrecke auf den verschiedensten Fahrbahnen funktioniert. Die Federung ist hart, aber nicht unerträglich. Auf schneller Fahrt zeigt sich die am Heckflügel gut eingestellte aerodynamische Balance zwischen Vorder- und Hinterachse. Das Einlenkverhalten des GT4 ist etwas direkter als beim GTS, und auch das Beschleunigen aus Kurven heraus gelingt aufgrund der Sperrdifferenziale bei beiden hervorragend.

Beeindruckend am GTS ist nicht nur die fast schlupffreie Beschleunigung aus Kurven heraus, sondern auch der abschaltbare Sportklang der Abgasanlage.

Beeindruckend am GTS ist nicht nur die fast schlupffreie Beschleunigung aus Kurven heraus, sondern auch der abschaltbare Sportklang der Abgasanlage.

PD
Der Heckflügel am GT4 ist fest montiert, jedoch manuell verstellbar.

Der Heckflügel am GT4 ist fest montiert, jedoch manuell verstellbar.

PD

Antrieb

Beide Cayman-Varianten verfügen über den gleichen Saugmotor mit sechs sich gegenüberliegenden Zylindern (Boxer-Bauweise), der für eine lineare Kraftentfaltung sorgt. Der GTS verfügt über 20 PS weniger Leistung als der GT4, jedoch 10 Nm mehr Drehmoment. Das macht ihn zum idealen Wagen für die Drei-Pässe-Fahrt, seine Auslegung zielt aufs sportliche Reisen ab.

Ganz anders der GT4: Er ist auf möglichst rasches Absolvieren von Kurvenkombinationen und kurzen Geraden abgestimmt. Im Unterschied zum Ausdauersportler GTS ist der GT4 der Sprinter mit noch besseren Kurventempi, schärferen Bremsen, schärferer Lenkung. Hinzu kommt das sehr präzise Handschaltgetriebe mit kurzen Schaltwegen und kürzerer Übersetzung als beim GTS mit PDK. Der GT4 ist sozusagen der 100-Meter-Sprinter im Vergleich zum 5000-Meter-Läufer GTS.

Für beide Fahrzeuge gilt, dass der Vierliter-Sauger über eine hohe Elastizität verfügt, was auch beim Handschalter kein Stakkato-artiges Hinauf- und Hinunterschalten verlangt. Beim GT4 lässt sich zudem per «Auto Blip»-Knopf automatisches Zwischengas einstellen, beim GTS sorgt das PDK automatisch für dieses getriebeschonende «Rev Matching».

Ökonomie

Bei Sportwagen dieser Güte spielt der Benzinverbrauch eher eine untergeordnete Bedeutung. Und doch ergab der Test markante Abweichungen. Der GTS ist nach WLTP-Messmethode mit 9,9 Litern je 100 Kilometer zugelassen. Im Test aber waren es 12,1 Liter, also gut 22 Prozent mehr. Etwas braver gab sich der GT4, der nach WLTP im Schnitt auf 11,1 Liter kommen sollte. Es ergaben sich aber 12,2 Liter, also fast gleich viel wie beim GTS, jedoch nur knapp 10 Prozent mehr als offiziell gemessen.

An der Witterung kann dies nicht gelegen haben, denn beide Fahrzeuge wurden bei frühlingshaftem Wetter getestet. Auch die Fahrten fanden mit dem gleichen Mix aus Autobahn, Landstrasse und urbanem Verkehr statt. Fänden solche Test über mehrere tausend Kilometer statt, ergäbe sich möglicherweise ein anderes Bild mit Werten, die dem WLTP näher kämen.

Der 718 Cayman GTS 4.0 verfügt über etwa 7 mm mehr Bodenfreiheit als der 718 Cayman GT4.

Der 718 Cayman GTS 4.0 verfügt über etwa 7 mm mehr Bodenfreiheit als der 718 Cayman GT4.

PD
Wie sein grösserer Bruder 911 Carrera GT3 weist der GT4 eine Lüftungsöffnung vor der Motorhaube auf.

Wie sein grösserer Bruder 911 Carrera GT3 weist der GT4 eine Lüftungsöffnung vor der Motorhaube auf.

PD

Fazit

Beide Porsche-Modelle verfügen über den gleichen Grundstock an gelungenen Eigenschaften: ansprechende Coupé-Form für Sportfahrten, vorteilhafte Mittelmotorauslegung und alles an Erfahrung, die Porsche im Sportwagenbau mitbringt.

Dennoch gibt es klare Unterschiede, und dies nicht nur im Preis. Der GT4 ist der klassische Zweitwagen für gelegentliche Ausflüge auf die Rennpiste oder ins Gebirge. Der GTS eignet sich als weniger kompromissloser Cayman auch als «Daily Driver», also Fahrzeug für die tägliche Fahrt zur Arbeit oder zum Einkaufen, genauso wie für Reisen auf grössere Distanz. Nur für eines ist der zweisitzige Cayman nicht brauchbar: Familienausfahrten.

718 Cayman GTS

718 Cayman GTS

718 Cayman GT4

718 Cayman GT4

Porsche-Verkäufe in der Schweiz

2013–2023, nach Modellen
911
918
Boxster
Cayenne
Cayman
Macan
Panamera
Taycan

Newsletter Mobilität

News und Hintergründe aus den Sparten Automobil, Motorrad, Velo, öffentlicher Verkehr, Luftfahrt und Schifffahrt. Hier kostenlos anmelden.