Auszeit bei Nina Hoss? Von wegen. Die Schauspielerin drehte ein halbes Jahr in New York. Und erzählt über ihre Erfahrungen dort.

Es war seltsam ruhig um Nina Hoss. Sie war eine Zeit lang, für sie völlig ungewöhnlich, gar nicht im Theater zu erleben. Aber von einer Auszeit kann keine Rede sein. Nina Hoss war ein halbes Jahr in New York. Dort hat sie erst Volker Schlöndorffs „Rückkehr nach Montauk“ gedreht und dann die jüngste Staffel der Serie „Homeland“. Nun ist sie zurück, mit vielen neuen Eindrücken. Wir trafen die Berliner Schauspielerin im Hotel de Rome.

Wenn ein Volker Schlöndorff anfragt, sagt man da eigentlich blind zu?

Nina Hoss: Das kann ich gar nicht sagen. Das ging bei uns ja so freundschaftlich los. Wir wussten voneinander, sind uns immer mal wieder auf Veranstaltungen begegnet, hatten auch einen kleinen Überschneidungspunkt durch Ulrich Matthes. Aber dann sind wir uns auf Malta beim Europäischen Filmpreis begegnet. Danach hat Volker mich öfter im Theater besucht, und eines Abends, nach einer Vorstellung von „Bella Figura“, hat er mich gefragt, ob er mir eigentlich mal ein Drehbuch geben könnte. Natürlich sagt man da nicht Nein.

Schlöndorff nennt „Rückkehr nach Montauk“ seinen persönlichsten Film. Merkten Sie das?

Ich war sehr überrascht, mit dieser Geschichte hatte ich nicht gerechnet, auch nicht mit der Form, wie sie erzählt wurde. Das war sehr mutig, aber so etwas gefällt mir ja erst mal. Das reizt mich gerade, wenn es nicht so eingängig ist. Wenn das etwas ist, was den Filmemacher offensichtlich persönlich beschäftigt, dann habe ich erst das Gefühl, die Geschichte ist erzählenswert. Das kann aufgehen oder schiefgehen, aber diese Geschichten muss man einfach erzählen. Das habe ich gespürt, beim Lesen und dann auch in Gesprächen mit Volker.

Nur eine Projektionsfläche des Mannes: Nina Hoss mit Stellan Skarsgard in „Rückkehr nach Montauk“
Nur eine Projektionsfläche des Mannes: Nina Hoss mit Stellan Skarsgard in „Rückkehr nach Montauk“ © Wild Bunch Germany 2017 | Wild Bunch Germany 2017

Ihre Frauenfigur ist ja lange eine reine Projektionsfläche des Mannes. Hat man vor so einer Rolle nicht Angst?

Wenn ich ehrlich bin, ja, das habe ich auch gedacht. Weil sie ja erst mal nur eine Reflexionsfigur des Autors ist. Als ich das las, dachte ich: Wie soll man der denn Leben einhauchen? Aber dann kommt dieser lange Monolog, in dem man erkennt, dass sie nicht nur seine Sehnsucht, sondern ein Wesen aus eigen Fleisch und Blut ist. Dass sie sich diesem Zugriff entzieht und eine ganz eigene Geschichte hat. Was dann Rückschlüsse darauf zulässt, wie wir die Figur zunächst kennenlernen.

Wie war dann die Chemie mit Volker Schlöndorff? Als sie sich zum Drehen wiederbegegneten?

Wenn ich mir so Fotos von den Dreharbeiten anschaue, haben wir eigentlich nur gelacht. Obwohl das Thema doch so ernst ist. Wir mussten beim Drehen schnell und flexibel sein, es war auch nicht so viel Geld da, weshalb wir auch manchmal illegale Sachen gemacht haben, in New York zum Teil ohne Drehgenehmigung gedreht. Das hatte dann aber so eine Energie, die unheimlich Spaß gemacht hat. Dennoch war da immer die Genauigkeit bei der Arbeit. Volker wusste genau, was er wollte, da merkte man ihm auch seine Erfahrung an. Er hat nie überkontrolliert, er konnte es auch mal fließen lassen. Ich mag es ja, wenn Regisseure ihre Entwürfe auch mal loslassen und sich überraschen lassen können.

Er hat etwas Seltsames über Sie gesagt: „Sie hat so etwas Geheimnisvolles. Ich bin nicht recht dahinter gekommen, habe es ihr aber gelassen.“

Na, der letzte Teil, den hat er von mir. (lacht) Ich habe ihm gesagt, man muss nicht immer alles wissen, das muss man einem auch lassen. In der Arbeit ist es einfach interessant, wenn man manche Dinge nur „anspürt“, wenn man es nicht übererklärt. Wenn man zu viel erklärt, kann das auch mal die eigene Fantasie „überkleben“. Aber manchmal sagt man auch so Sachen dahin… So ein großes Geheimnis gibt es da vielleicht gar nicht! Wahrscheinlich suche ich mir halt nur immer solche Figuren aus, die etwas Geheimnisvolles haben, die sich etwas bewahrt haben.

Die Stars und ihr Regisseur: Mit Volker Schlöndorff (l.) bei den Dreharbeiten
Die Stars und ihr Regisseur: Mit Volker Schlöndorff (l.) bei den Dreharbeiten © Wild Bunch Germany 2017 | Wild Bunch Germany 2017

Kennen Sie das selbst: eine alte Liebe, der man nachtrauert?

Nachtrauern nicht, aber an die man denkt.

Sie haben gleich nach „Montauk“ noch die neue Staffel von „Homeland“ gedreht, ebenfalls in New York.

Dazwischen war noch das Filmfestival in Venedig, wo ich in der Jury saß. Aber ja, das war ein langes New-York-Jahr.

Einen größeren Unterschied kann man sich kaum vorstellen: ein kleiner Spielfilm, fast guerilla-artig gedreht. und dann so eine aufwändige Serie mit tausend Sets.

Der Aufbau drumherum ist natürlich anders. Hier verstecken sich die paar Techniker, damit sie nicht wahrgenommen werden, und da hast du einen riesigen Trailerpark an Mitarbeitern, wo die Umzüge Stunde dauern. Das ist aber auch schon der größte Unterschied. Du hast vielleicht mehr Kameras, aber auch das merkst du nicht wirklich beim Spiel. Der Konzentrationsraum beim Arbeiten ist ganz ähnlich.

Serie ist das neue Kino. Werden auch Sie ein Serien-Täter?

Ich weiß es nicht. Ich schaue ja auch sehr gerne Serien. Ich mag allerdings vor allem das Format der Mini-Series, was hier also die Mehrteiler sind. Die auch ein Ende haben und nicht nur einen Cliffhanger zur nächsten Staffel. Das ist dann ein Film, bei dem du mehr Zeit geschenkt bekommst, in diese Figuren und deren Leben abzutauchen. Da kann man auch genauer werden und muss nicht hektisch werden in der Erzählung. Aber ich liebe auch nach wie vor das Format des Spielfilms. Diese absolute Konzentration, wo man für zwei Stunden abtauchen und sich in diese Protagonisten versenken kann. Das ist für mich immer noch ein Faszinosum.

Nina Hoss bei der Filmpremiere im Februar auf der Berlinale
Nina Hoss bei der Filmpremiere im Februar auf der Berlinale © dpa | Jörg Carstensen

Man sieht Sie in immer mehr internationalen Produktionen. Ist das eine bewusste Entwicklung? Weg vom deutschen Film?

Nein. Das hat sich so ergeben. Auch, weil ich die Hemmungen verloren habe, auf Englisch zu drehen. Ich habe das Gefühl, ich kann damit jetzt auch schauspielen. Wobei ich bei der Synchronisation von „Montauk“ gemerkt habe, dass das noch mal ganz anders in die Magengrube geht, wenn man es in seiner Muttersprache sagt. Das habe ich übrigens von Romy Schneider geklaut. Von der habe ich gelesen, dass sie die Vorbereitungen zu ihren Szenen immer auf Deutsch geprobt hat. Und sich auch die Texte des Partners auf Deutsch vorgesagt hat. Das ist ein Riesenunterschied, nur in der eigenen Sprache spürst du da kleinste Details. Und was das mit dir macht.

Sie waren in der New-York-Zeit einmal völlig theater-abstinent. Hatten Sie da Entzugserscheinungen?

Und ob. Das war das erste Mal seit meinem 14. Lebensjahr, dass ich so lange nicht Theater gespielt habe. Das war ein richtiges Sabbatical, wenn auch nur für ein halbes Jahr. Früher hatte ich vielleicht mal sechs Wochen Pause, länger nie. Das war schon komisch. Ich bin dann aber in New York auch oft ins Theater gegangen. Das juckte dann schon! Es ist halt auch eine große Leidenschaft. Das ist ein Virus, den wird man nicht los.

Es war ja eine unglaubliche Zeit, als Sie in New York waren. Mitten im Wahlkampf, und dann auch der Amtsantritt von Donald Trump als Präsident. Wie haben Sie das erlebt?

Das fing alles schon an, als wir „Montauk“ drehten. Als ich dann zu „Homeland“ wieder kam, hatte der Wahnsinn schon begonnen. Da wurde man ständig eingeladen von Freunden, wo man zu fünft oder zehnt die Debatten verfolgte und es nicht fassen konnte. Die waren da aller noch guter Hoffnung, dass das Ruder noch rumgerissen wird. Ich nicht. Das hat vielleicht mit unserer Geschichte zu tun. Und sobald man ein bisschen rausgefahren ist, ins Hudson Valley oder Long Island, hast du überall nur noch Trump-Schilder gesehen. Nach der Wahl hat man hat den New Yorkern ihre Depression angemerkt. Gleichzeitig war da aber eine unwahrscheinliche Kraft: Wir können das nicht so stehen lassen, wir müssen sofort Flagge zeigen.

Flagge zeigen: Der Frauen-Marsch in Washington am 21. Januar
Flagge zeigen: Der Frauen-Marsch in Washington am 21. Januar © REUTERS | Shannon Stapleton

Sie haben dann auch mitdemonstriert bei dem Women’s March in Washington.

Wir hatten alle das Gefühl, wir müssen jetzt Flagge zeigen, keiner kann sich zurückziehen. Da gibt es etwas ganz Elementares zu verteidigen. Ganz egal, ob man aus dem Land kommt oder nicht. Das war ein tolles Gefühl, dass da so viele Leute zusammen gekommen sind. Ein Riesen-Marsch, ganz friedlich, ganz ohne Aggression. Wäre ich in Deutschland gewesen und hätte ich nur die deutschen Medien verfolgt, dann hätte ich wohl richtig Angst bekommen. Dort aber kann man spüren, Amerika ist nicht nur Trump. Da wurde auch eine große Kraft frei. Demokratische Kräfte, Gruppierungen und Institutionen, die so ein bisschen schläfrig waren, aber jetzt wieder aufgewacht sind.

Wie wurden Sie in der Zeit als Deutsche wahrgenommen?

Vielleicht ist das jetzt schon wieder anders. Aber da war der Tenor, Merkel ist unsere einzige Hoffnung. Sie war plötzlich eine Galionsfigur für all die Werte, für die die Amerikaner immer dachten, sie stehen dafür. Und sie ist nicht nur so ein Bollwerk der Demokratie, sondern obendrein noch eine Frau an der Spitze – das, was die Amerikaner eben nicht geschafft haben. Da hatte man als Deutscher erst mal einen guten Ruf. Das habe ich so vorher noch nie erlebt. Das Bild und der Blick auf Deutschland hatte sich geändert.