Winnenden

Trotz Turbo-Blutkrebs voller Zuversicht

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Leukämie-Patient Thomas Nuding fühlt sich im Rems-Murr-Klinikum von engagiertem Personal hervorragend versorgt und hat keine Angst. © Palmizi/ZVW
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Thomas Nuding vergegenwärtigt mit dem Schaubild „Der Raum meiner Krankheit“ seine Situation. Betreten hat er ihn mit der Diagnose (links), durch die Therapien schlug er den fünf Jahre in Anspruch nehmenden Weg zur Genesung (grün) ein. © ALEXANDRA PALMIZI
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Mit viel Humor begegnet Thomas Nuding seiner Krankheit.

Winnenden/Alfdorf. Auf einmal stehen die Chancen Fünfzig zu Fünfzig: Thomas Nuding hat einen Turbo-Blutkrebs, den nur die Hälfte der Betroffenen überlebt. Doch er lässt sich von der Diagnose nicht unterkriegen, geht offen, ja sogar humorvoll mit der Krankheit um. Eine Gemütsfrage? Nicht nur. „Ich habe auf der Station 38 des Rems-Murr-Klinikums überaus kompetente Menschen getroffen“, lobt der 59-Jährige.

Thomas Nuding hatte von vornherein ein Riesenglück: Sein Hausarzt hat sofort Verdacht geschöpft, war durch die plötzliche Schlappheit des hünenhaften, durch Spaziergänge der mit Hündin trainierten Mannes alarmiert, glaubte nicht an einen Zusammenhang mit der drei Wochen zuvor kurierten Angina. Er ließ ein Blutbild machen – und schlug Alarm. Im Rems-Murr-Klinikum stellten die Ärzte die erschreckende Diagnose: Akute Myeloische Leukämie (AML). „Hätte man nichts gemacht, wär’s in ein paar Wochen geschwätzt gewesen“, sagt Thomas Nuding über die explosionsartige Vermehrung der unreifen, bösartigen Blutzellen. Der bekannte FDP-Politiker Guido Westerwelle hatte ebenfalls AML und starb daran.

Tiefes Vertrauen in die Ärzte gefasst

In so einer Situation wird sich wohl niemand frohgemut in die Hände der Ärzte begeben, sondern in Gedanken Karussell fahren, getrieben von Unsicherheit, Angst, Unwissen. „Auch ich hatte harte 32 Stunden – bis ich hier auf der Station war. Dann traf ich Dr. Stefani Parmentier. Diese Frau vermittelt mit ihrem Handeln und ihrer Ansprache: Hier bist du richtig.“ Thomas Nuding fasste tiefes Vertrauen, das Karussell stoppte.

Seit der ersten Nacht in der Onkologie hat er sich mit der neuen Situation arrangiert und beschlossen: „Da musst du durch, und das machst du mit Power und Action.“ Von einer Mundentzündung, Ausschlag, Abszess oder gar Fieber ließ er sich nicht davon abbringen. „Das Internet ist voll von negativen Krankengeschichten, die Leute beschweren sich über Kleinigkeiten“, bedauert Thomas Nuding. In Winnenden fand sich für alles eine Lösung.

Nuding informiert per E-Mail über seinen Zustand

All seinen Verwandten und Bekannten gegenüber hat Thomas Nuding die Parole herausgegeben: Besucht mich nicht. Die Chemotherapie macht im Körper kranke Krebszellen kaputt, legt aber auch das Immunsystem lahm. Er hat eine Zeit lang keine Abwehrkräfte mehr und ist höchst anfällig für fremde Bakterien, Keime und Pilze. Nur seine Frau Anni besucht ihn, vermummt mit Handschuhen, Mundschutz und Kittel – aber alle anderen bekommen regelmäßig Infos, wie’s Nuding so geht und was die Ärzte sagen.

Und zwar garniert mit Witz und Kreativität. Zwei Fotos zum Beispiel hängt er an die Einladung an die Zeitung an, über ihn zu schreiben: „Die Botschaft meiner Haare“ betitelt er das eine Bild, auf dem er eine Strickmütze mit dem Spruch „Wir sind dann mal weg“ trägt. Das Zweite zeigt ihn mit Glatze. Die Scheu nachzufragen oder gute Besserung zu wünschen, das Tabu der Krankheit, waren mit solchen Mails bei Freunden und Geschäftspartnern gebrochen.

Kräftigung und Bewegung, auch wenn er am Infusionsständer hängt

„Ich bin in Kontakt mit meinen Auftraggebern, sie haben mir zugesichert, dass wir weiter zusammenarbeiten, wenn es mir wieder besser geht.“ Das macht Thomas Nuding Mut und gibt ihm Ruhe, sich ganz auf die Therapie konzentrieren zu können. Das bedeutet aber nicht, dass er den ganzen Tag im Bett still liegt. Im Gegenteil, er ist sehr aktiv, um seine Gassi-Geh-Fitness zu erhalten oder sogar noch zu verbessern. Läuft mit Mundschutz durchs Zipfelbachtal bis Hanweiler und zurück, vier Kilometer. Nimmt im Krankenhaus grundsätzlich nie den Aufzug. Besucht dort sogar eine Kunstausstellung. Und selbst, wenn die Chemo-Infusion über das Venenkatheter in seinen Hals sickert, läuft und turnt er im Zimmer zweieinhalb bis drei Stunden, kräftigt seine Muskeln mit einem Theraband, macht Kniebeugen. Prof. Dr. Markus Schaich hat ihm dafür extra lange Schläuche besorgt, damit er einen größeren Bewegungsradius hat. Ein lustiges Foto von seiner Frau, die nach einer anstrengenden Bergetappe genauso die Zunge raushängt wie die Hündin, muntert ihn zusätzlich auf.

Mit einem der Psychoonkologen des Klinikums hat er sich nur einmal unterhalten. Thomas Nuding findet das Angebot hervorragend, aber er braucht es nicht. Ihm genügt sein sonniges Gemüt in Kombination mit der freundlichen und aufmerksamen Betreuung auf der Krebsstation durch Pfleger und Ärzte: „Sie verbringen unglaublich viel Zeit an ihrem Arbeitsplatz und führen dennoch mit strahlenden Gesichtern gelöste Gespräche.“


Weihnachten feiert er zuhause

Dieser Tage darf Thomas Nuding nach Hause und dort mit seiner Familie mitsamt Enkelin seinen 60. Geburtstag und Weihnachten feiern. Im neuen Jahr wird er sich wieder in Winnenden einfinden zur Fortsetzung der Therapie. Erst nach zwei Jahren wird man sagen können, ob die Ärzte und er die Leukämie in den Griff bekommen haben.

Den mehrwöchigen Aufenthalt zu Hause haben Thomas Nuding und seine Frau Anni gut vorbereitet, damit er nicht von Keimen, Schimmel, Zigarettenrauch oder ähnlichem belastet wird. Dafür rückten Handwerker kurzfristig bei ihm zu Hause an – und ein direkter Nachbar rüstet sogar von seiner Holz- auf eine Gasheizung um. „Dessen Rauchpartikel sind wegen der besonderen Bebauung und der Wetterlage öfter zu uns gedrungen. Das würde jetzt meinem Immunsystem ganz schön gefährlich werden. Mir fällt ein Riesenstein vom Herzen, dass er umstellen wird“, sagt Thomas Nuding. Auch andere versprachen, Rücksicht zu nehmen.

Sobald er zu Hause ist, wird er noch ein größeres Problem angehen und mit der Abfallwirtschaft Rems-Murr Kontakt auf nehmen, die in nur 100 Metern Entfernung von seinem Haus im Gewerbegebiet Pfahlbronn einen Häckselplatz betreibt. „Alle paar Wochen kommt ein Häcksler, groß wie ein Lastwagen, samt Radlader, der das teilzersetzte Grüngut häckselt und damit jede Menge Keime und Abgase durch die Luft jagt“, weiß Nuding. Könnte der Platz verlegt werden, oder könnte er wenigstens über die Häckseltermine vorab informiert werden, könnte er sich schützen. „Jede Belastung, die wegfällt, mindert mein Risiko.“

Thomas Nuding stammt eigentlich aus Plüderhausen, wo er bei der Feuerwehr und im Gesangverein war. Vor 28 Jahren fand er für seine Firma und seine Familie einen Bauplatz in Alfdorf. Plüderhausen ist er all die Jahre aber eng verbunden geblieben.