Essen. Die prägenden Spieler des WM-Turniers spielten früher in Deutschland, heute nicht. Das verrät auch etwas über den FC Bayern München.

Mario Mandzukic (32) sieht meistens schon aus, als sollte man ihm lieber glauben, was er sagt. Der Stürmer misst 1,90 Meter, sein Körper ist so drahtig, kantig, spitzknochig, dass sich erahnen lässt, wie es sich anfühlt, gegen ihn zu spielen. Er steht für die Unbeugsamkeit und den unbedingten Siegeswillen dieser kroatischen Mannschaft, die sich bislang bei dieser Weltmeisterschaft gegen alle Widerstände durchgesetzt hat. „Wir fürchten uns nicht“, sagte der Mann, als das Turnier in die entscheidende Phase einbog. Ein Satz, der auch vor dem Finale am Sonntag (17 Uhr/ZDF live ) in Moskau gegen den nächsten Favoriten Frankreich gilt.

Aber der furchtlose Mandzukic steht auch für etwas anderes. Für etwas, das sich eigentlich ausschließt und doch offenbar vereinbar ist: Für den Bundesliga-Faktor in diesem Endspiel, der erstaunlich hoch und zugleich erschreckend gering ist. Und das erzählt vor allem etwas über den nationalen Marktführer, den FC Bayern München.

Seit 1982 stand immer ein Profi des FC Bayern München im WM-Endspiel

Immerhin: Eine beeindruckende Serie setzt das Flaggschiff des deutschen Fußballs fort. Seit 1982 stand immer mindestens ein bajuwarischer Profi im WM-Finale. In den Jahren ohne deutsche Endspiel-Beteiligung waren dies die Herren Jorginho (Brasilien/1994), Lizarazu (Frankreich/1998), Sagnol (2006) sowie van Bommel und Robben (Niederlande/2010). Außer den Bayern kann nur der italienische Traditionsklub Inter Mailand auf eine solche Serie verweisen.

Der dieses Mal aus München Entsandte ist Corentin Tolisso, Mittelfeldspieler, der im exquisit besetzten Kader Frankreichs allerdings nur eine Nebenrolle spielt – vermutlich auch im Finale. Nur ein Bayern-Spieler im WM-Finale. 2014 waren es sieben. Darunter: Siegtorschütze Mario Götze.

An Tolisso hängen am Sonntag noch die Münchner Hoffnungen, dass eine andere Serie doch nicht ihr Ende nimmt. Denn beim Turnier in Russland hat bislang noch kein Profi des FC Bayern ein Tor erzielt. Zum Vergleich: Vor vier Jahren waren es 18 Bayern-Treffer. Mit Abstand Bestwert.

Sieben FC-Bayern-Spieler im deutschen WM-Kader

Im deutschen WM-Kader standen dieses Mal sieben München-Profis, allerdings mit dem glücklosen Thomas Müller nur ein Offensivmann. Kein Treffer. Vorrunden-Aus. Der kolumbianische Angreifer James Rodriguez traf ebenso wenig wie der spanische Mittelfeldmann Thiago. Für beide war im Achtelfinale Schluss. Noch ärger: Robert Lewandowski, einer der besten Stürmer der Welt, derzeit offenkundig an einer Schaffenskrise leidend, verabschiedete sich mit Polen schon in der Vorrunde. Ohne Tor. Kein Bayern-Treffer bei einer WM? Das gab es zuletzt 1990 – erstaunlicherweise trotz Titelgewinns.

Jener Lewandowski wechselte übrigens im Jahr 2014 von Borussia Dortmund zum FC Bayern. Einen anderen Stürmer schickten die Münchner in jenem Sommer fort: Mario Mandzukic. Im jetzigen Halbfinale gegen England, als Kroatien zum dritten Mal in Serie in eine Verlängerung musste, schoss der Profi von Juventus Turin den entscheidenden Treffer zum 2:1. Die Vorlage kam von Ivan Perisic, der bereits den Ausgleich erzwungen hatte und die Auszeichnung zum Mann des Spiels entgegennehmen durfte. Der Offensivspieler kickte früher bei Borussia Dortmund, danach – wie auch Mandzukic - beim VfL Wolfsburg. Glücklich wurde er nicht – und die Vereine nicht mit ihm. Und dann wäre da noch Ivan Rakitic, der in Schalke den Durchbruch nicht schaffte, seit 2014 aber eine unverzichtbare Größe des legendären FC Barcelona ist.

Die Bundesliga als Ausbildungsliga für die Stars von heute und morgen? Zumindest ist aus der Weltmeisterliga eine geworden, die überholt zu werden droht. Die erschütternden Europapokalergebnisse der vergangenen Saison erzählen auch davon.

Sechs Bundesligisten haben einen Spieler im WM-Finale

Wohlwollend gerechnet sechs Bundesligisten haben einen Spieler im WM-Finale: Die Bayern (Tolisso) und der VfB Stuttgart Pavard) sind auf französischer Seite vertreten, Eintracht Frankfurt (Ante Rebic), Bayer Leverkusen (Tin Jedvaj) und 1899 Hoffenheim (Andrej Kramaric) auf kroatischer. Zudem war Kroatiens Marko Pjaca bis zum 30. Juni noch an den FC Schalke 04 ausgeliehen. Damit liegt die deutsche Liga gleichauf mit der englischen Premier League, aber hinter der französischen, spanischen (jeweils 10) und italienischen (7). Doch die prägenden Figuren dieser WM spielen nicht vor deutschem Publikum.

Und selbst jene, die gerade groß werden, könnte es auch schon wieder wegziehen. Außenverteidiger Pavard hat sich ins Notizbüchlein der europäischen Topklubs gespielt, Rebic stürmte schon im DFB-Pokalfinale dem FC Bayern davon. Seither wird den Münchnern ein Interesse nachgesagt, das sich aber noch nicht nachhaltig verifizieren ließ. Derweil hat sich Juventus Turin gerade Cristiano Ronaldo von Real Madrid angeschafft. 110 Millionen Euro, die die internationale Aufmerksamkeit und die sportliche Leistungsfähigkeit steigern. Von beidem könnte die Bundesliga in diesen Tagen ebenfalls mehr vertragen.