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Vor 50 Jahren wurde die Niedernstraße Bielefelds erste Fußgängerzone

Die neue Bewegungsfreiheit

Bielefeld (WB). Das Polizeimusikkorps West spielte zackige Marschmusik, Oberbürgermeister Herbert Hinnendahl griff zu einer goldenen Schere und durchschnitt zur Eröffnung das quer über die Straße gespannte ebenfalls goldene Band. Am 30. Mai 1969 wurde die Niedernstraße Bielefelds erste Fußgängerzone.

Michael Schläger

Ein Blick in die Niedernstraße kurz nach Eröffnung der Fußgängerzone
Ein Blick in die Niedernstraße kurz nach Eröffnung der Fußgängerzone

Ein halbes Jahrhundert ist das jetzt her. Inzwischen können die Bielefelder von der Kunsthalle bis fast zum Hauptbahnhof unbedrängt vom Straßenverkehr durch die Innenstadt flanieren. »Die Fußgängerzone ist aus dem Zentrum der Einkaufsstadt Bielefeld nicht wegzudenken«, sagt Thomas Kunz, Hauptgeschäftsführer des Handelsverbandes Ostwestfalen-Lippe.

Sein damaliger Vorgänger Otto Gröndahl war 1969 davon überzeugt, »dass nur Kaufstraßen, die über ein Maximum an Einkaufskomfort und Einkaufsservice verfügen, überleben werden.« Die Niedernstraße sollte dazu gehören und nur ein gutes Jahr später auch die Bahnhofstraße, an deren Umgestaltung schon gearbeitet wurde. Im WESTFALEN-BLATT träumte Gröndahl damals sogar von überdachten Einkaufsmeilen.

Aber so ganz unumstritten war der Trend zur Fußgängerzone – oder zur Fußgängerstraße, wie sie damals noch gern genannt wurde – seinerzeit nicht. Geschäftsleute fürchteten um die Erreichbarkeit ihrer Geschäfte, die bis dahin mit dem Auto angefahren werden konnten. Durchaus eine Parallele zu heutigen Verkehrsdebatten.

Zwei Jahre vor der offiziellen Eröffnung hatte die Umgestaltung der Niedernstraße begonnen. Der Bereich vom Alten Markt an der Altstädter Nicolaikirche vorbei bis zur Hagenbruchstraße war das erste Stücke, auf dem die Bielefelder das neue Flaniergefühl schon vor der offiziellen Eröffnung testen konnten.

Umbaukosten: 140.000 Mark

140.000 Mark, gut 71.000 Euro, kostete der Umbau. Aus heutiger Sicht ein unvorstellbar günstiges Schnäppchen. Rote Ziegel wurden gepflastert, umrandet von grauen Betonplatten. Bis zur Neugestaltung in den 2000er-Jahren musste das halten.

Gewaltig gewandelt hat sich der Einzelhandel in den vergangenen 50 Jahren, nicht nur, aber auch gerade in der Altstadt. 1969 gab es in der Niedernstraße noch viele inhabergeführte Geschäfte. Die Namen haben bei älteren Bielefeldern noch heute einen guten Klang. Das Porzellan- und Spielwarenhaus Moster, das Sporthaus Berke, Möbel Eggert, Hoppe Schirm, die Parfümerie Hoffendahl mit der weithin sichtbaren 4711-Leuchtreklame, nicht zuletzt das Kaufhaus Opitz, dort, wo heute TK Maxx reduzierte Ware anbietet. Drei Kinos befanden sich im Umkreis von 100 Metern.

»Der inhabergeführte Handel ist in der Altstadt noch immer stark«, sagt Henner Zimmat, Vorsitzender der Kaufmannschaft Altstadt. Auf den Wandel der Einkaufsgewohnheiten reagieren die Kaufleute mit neuen Veranstaltungsformaten wie dem »Hut ab«-Festival vor wenigen Wochen. Beim Late Night Shopping am 28. September werde es ein DJ-Festival geben, sagt Zimmat. Solche Aktionen sollen Lust auf die Altstadt machen, die Aufenthaltsqualität im Hufeisen steigern. »Wir wollen einen Ort schaffen, an den die Menschen gern kommen.«

Robert Gehner von der damaligen Buchhandlung Stute war 1969 der Sprecher der Kaufleute in der Niedernstraße. Er sagte zur Eröffnung, die Stadt habe den Kaufleuten mit der »Fußgängeroase« ein besonderes Geschenk gemacht. Das sahen auch viele Bielefelder so. Tausende kamen zur Eröffnung, feierten die neue Bewegungsfreiheit bei Freibier und Sekt – trotz einiger Regentropfen. Bollerwagen mit Blumenschmuck waren aufgestellt worden, rot-weiße Fähnchen flatterten über der Straße. Und bei einer Verlosungsaktion waren gleich drei BMW 1500 zu gewinnen. Zu erraten war der Name der ersten fußläufigen Einkaufsstraße in Bielefeld. Wie hieß die doch gleich?

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