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Wie geht eigentlich ein Börsengang?

«Finanz und Wirtschaft» schildert den Weg zu einem erfolgreichen IPO.

Die Gründe für einen Börsengang sind vielfältig. Der Zugang zum Kapitalmarkt hilft Unternehmen, Wachstum zu finanzieren. Reiferen Unternehmen bringt eine Kotierung mehr finanzielle Flexibilität. Treiber für das Initial Public Offering (IPO) sind weiter Nachfolgelösungen, bei denen entweder der Alt- oder die Neueigentümer eine bessere Handelbarkeit oder Verteilung ihres Vermögens wünschen. Aktuell kommen IPO-Kandidaten gehäuft aus Händen von Finanzinvestoren – allerdings im Ausland. Doch auch in der Schweiz bereiten sich derzeit Unternehmen auf eine Publikumsöffnung vor, was «Finanz und Wirtschaft» zum Anlass nimmt, diesen Prozess in seinen Grundzügen vorzustellen.

» 1. Schritt: Voraussetzung - » 2. Schritt: Vorbereitung - » 3. Schritt: Ankündigung - » 4. Schritt: Lancierung - » 5. Schritt: Bookbuilding - » 6. Schritt: Preisfestlegung - » 7. Schritt: Handel

  VORAUSSETZUNG

Das Unternehmen auf die Öffentlichkeit ausrichten

Eignung prüfen:  Gute Chancen auf eine erfolgreiche Publikumsöffnung haben Unternehmen, die einen Streubesitz von mindestens 100 Mio. Fr. bieten können. Dies gewährleistet normalerweise gute Handelbarkeit der Titel. Mit Vorteil sind Börsenkandidaten in einer Wachstumsbranche aktiv, am besten Marktführer in ihrem Segment.

Positionierung vorbereiten:  «Ein Börsenaspirant muss eine überzeugende Equity Story aufbauen, die beispielsweise die komparativen Vorteile gegenüber bereits kotierten Konkurrenten heraushebt», sagt Andreas Neumann, Leiter Equity Capital Markets bei der Zürcher Kantonalbank. Je nach Marktumfeld kann sich der Appetit der Investoren jedoch verschieben. «Im aktuellen Tiefzinsumfeld sind Titel etablierter Unternehmen gefragt, die eine überdurchschnittliche Dividendenrendite versprechen», weiss der Banker.

Zentral ist bei einem Börsengang das Timing. Entsprechend wichtig ist es, gut vorbereitet zu sein, wenn sich im Markt ein Fenster für Neuzugänge öffnet. «Ein IPO vorzubereiten dauert in der Regel rund fünf Monate», sagt Neumann. «In Einzelfällen kann es auch schneller gehen, was jedoch ambitioniert ist.»

Strukturen anpassen:  Unumgänglich ist die Bereitschaft zur Öffnung. «Die Corporate Governance privater Unternehmen muss an die Bedürfnisse der Publikumsaktionäre angepasst werden. Dazu gehören unabhängige Verwaltungsräte und ein Team, das Investorenbeziehungen pflegt», zählt Neumann auf.

Auch formale Anforderungen müssen erfüllt sein: «Die Rechnungslegung muss bei einer Kotierung an der SIX Swiss Exchange gemäss US GAAP, IFRS, Swiss GAAP FER oder bankengesetzlichem Rechnungslegungsstandard erfolgen.» Zur Vorbereitung gehört zudem, dass «allfällige Restrukturierungen, Umfirmierungen oder Portfoliobereinigungen vorgängig vorgenommen werden, sodass ein kongruentes Bild der Entwicklung über die letzten drei Jahre gezeichnet werden kann», gibt der IPO-Experte zu bedenken.

  VORBEREITUNG

Die richtigen Partner wählen

Investitionsargumente überprüfen:  Noch während die internen Anpassungen umgesetzt werden, wird in der Regel eine Investmentbank zugezogen, die die Equity-Story über einige Monate mitentwickelt und später den IPO-Prozess federführend leiten wird. Als Bookrunner wird sie den Preisfindungsmechanismus bis zur Erstnotiz orchestrieren.

Berater mandatieren:  «Kriterium für die Wahl eines Bookrunners ist die IPO-Erfahrung sowie die Platzierungsfähigkeit, wobei ebenfalls eine Rolle spielt, ob die Neuemission auch ausserhalb von Europa vertrieben werden soll», sagt Mark Hammarskjold, Head Equity Capital Markets der Credit Suisse Schweiz.  Zudem spiele die Kompetenz und das Standing der Research-Abteilung im angepeilten Sektor eine wichtige Rolle. Zusätzliche Syndikatsbanken können später mandatiert werden.

Kotierungsdokumente vorbereiten:  Unentbehrlich für die IPO-Vorbereitungen sind Anwälte, die den Prozess aus rechtlicher Sicht begleiten, Verträge und Eigentumsrechte unter die Lupe nehmen und den Prospekt verfassen. Ebenso Auditoren, die die Geschäftsergebnisse der letzten drei Jahre testieren und dem Bankensyndikat in einem «Comfort Letter» die Korrektheit der Zahlen bestätigen, die in die Kotierungsdokumente einfliessen.

Der IPO-Prospekt bildet das Grundlagendokument für jeden Börsengang und sollte mindestens zwanzig Börsentage vor Veröffentlichung bei der SIX eingereicht werden. Ausserdem gilt es, Kommunikationsrichtlinien aufzustellen.

Kommunikation steuern:  Einen Kommunikationsexperten beiziehen kann den Zugang zur Finanzgemeinde verbessern und hilft bei der Umsetzung der richtigen Sprachregelung. Denn «private Unternehmen sind in der Kommunikation frei und können beispielsweise offen über Börsenaspirationen sprechen», sagt Matthias Courvoisier, Anwalt und Partner bei Baker & McKenzie Zürich. «Kommunikation wird aber haftungsrelevant, wenn die IPO-Vorbereitungen konkret werden und Berater beginnen, den Kotierungsprospekt aufzusetzen.»

  ANKÜNDIGUNG

Das erste Mal die Fühler ausstrecken

Pilot Fishing:  Noch laufen die IPO-Vorbereitungen hinter verschlossenen Türen. Schrittweise wird der Kreis der einbezogenen Parteien jedoch erweitert. «Vor der öffentlichen Ankündigung eines IPO ist die Durchführung eines Pilot-Fishing-Prozesses zu empfehlen, also das vertrauliche Gespräch des IPO-Kandidaten mit ausgewählten Investoren und spezialisierten Fonds», sagt CS-Banker Hammarskjold.

«Dass Investoren im Vorfeld eines IPO nicht gleichzeitig über das Gleiche informiert werden, ist rechtlich unproblematisch», ergänzt Anwalt Courvoisier. Denn die börsenrechtlichen Informationspflichten greifen erst mit der Kotierung, und der Prospekt, der dann allen Investoren zur Verfügung steht,  informiert umfassend.

Lernen und erklären:  Aufschlussreich sind solche selektiven und vertraulichen Gespräche besonders bei neuen oder komplexen Geschäftsmodellen.

«Die Analysekompetenz ausgewählter institutioneller Investoren und ihre präzisen Fragen helfen, die Equity-Story zu verfeinern», sagt Hammarskjold. Ausserdem gibt ihr Feedback Orientierungspunkte für die Bewertung. Das Pilot-Fishing bietet zudem Gelegenheit, eine erste, verlässliche Abnehmerschaft für die neu auszugebenden Aktien zu schaffen. «Damit lassen sich die Risiken einer Neuemission erheblich reduzieren», ist die Erfahrung des Kapitalmarktexperten.

Präsentationen vorbereiten:  Als nächster Schritt präsentiert das Management vor den Analysten der Konsortialbanken. Sie erstellen unabhängig Berichte, die sie bei der Lancierung des Börsengangs institutionellen Investoren vorstellen.

Kotierungsabsicht bekannt geben:  Wenn auch das Feedback der Analysten stimmt und die Marktlage günstig scheint, wird die Börsenabsicht öffentlich angekündigt. Die sogenannte Intention to Float (ITF) wird publiziert, nennt sich dies im Jargon der Investmentbanker.

  LANCIERUNG

Anpreisen – aber bitte mit Mass

Investor Education:  Obwohl der Prozess mit der Intention to Float auf einen Schlag öffentlich wird, bleibt die Kommunikation aufgrund von Rechtsrisiken noch immer zurückhaltend.

«Mitteilungen und Kommentare von im IPO-Prozess involvierten Personen können rechtlich dem Prospekt gleichgestellt werden und Haftungsansprüche begründen», mahnt Courvoisier.

«Im schriftlich verfassten Prospekt werden nicht nur die Chancen beschrieben, sondern ebenso die Risiken. Diesen Anspruch auf Ausgewogenheit im spontanen Gespräch zu erfüllen, ist schwierig, gerade für Personen, die erstmalig öffentlich auftreten, beobachtet der Anwalt. «Sie laufen Gefahr, zu viel zu versprechen.»

Der Standardprozess trägt dem Rechnung, die Öffnung verläuft graduell. «Nach offizieller Ankündigung der Börsenabsicht werden in der Regel während zweier Wochen zuerst institutionelle Anleger konsultiert», sagt Neumann von der ZKB.

Bewertung finalisieren:  «Bei dieser Investor Education besprechen die Analysten der Syndikatsbanken die Investment Story mit Pensionskassen, Versicherungen und Fonds. «Das Feedback gibt Aufschluss über das Zeichnungsinteresse, woraus die federführende Bank Platzierungsvolumen und unter zusätzlichem Einbezug der unabhängigen Bewertungen der Analysten die Preisspanne ableitet», erklärt der Kapitalmarktexperte.

Preisspanne festlegen:  Die Preisspanne umreisst typischerweise eine Bewertungsbandbreite von 10 bis 15%. «Sie soll Spielraum bieten, aber aussagekräftig bleiben», lautet die Devise. Je robuster der Börsenkandidat ist und je stabiler sich das Umfeld präsentiert, desto enger kann sie gefasst werden.

  BOOKBUILDING

Die richtige Balance ist gefragt

Prospekt veröffentlichen:  Mit Bekanntgabe der Preisspanne wird typischerweise der Prospekt aufgelegt, eine Pressekonferenz einberufen und die Zeichnungsfrist eröffnet.

«Während dieser zwei Wochen des Bookbuilding-Prozesses geht das Management auf Roadshow und informiert institutionelle und insbesondere bei Privatisierungen auch private Investoren, die als Zielgruppe definiert wurden, direkt», beschreibt Neumann die anstehenden Schritte.

Roadshow starten:  Im Fokus steht die Zusammensetzung des künftigen Aktionariats: «Eine Erstemission ist nicht nur eine Frage der Preismaximierung. Ebenso wichtig ist eine gute Investorenwahl, damit sich die Aktie im Sekundärmarkt gut entwickelt», betont Hammarskjold von der Credit Suisse.

In jedem IPO wird ein bestimmter Aktionärsmix angestrebt, beispielsweise mit einem grossen Anteil lokal verankerter Retailinvestoren oder etwa US-Fonds, die auf einem bestimmten Sektor Meinungsführer sind. Entsprechend wichtig ist, dass die Roadshow des Managements spezifisch auf diese Gruppen ausgerichtet ist. Die Banker schauen derweil auf den Anlagestil der unterschiedlichen Investorentypen.

Angebote sammeln:  «Bookrunners haben bei regelmässigen IPO-Investoren Erfahrungswerte, wie sie sich im IPO-Prozess verhalten», sagt Hammarskjold. Dank der meist langjährigen Beziehungen der Banker mit den grossen Investoren lässt sich einschätzen, ob ein Fonds neu erworbene Aktien normalerweise bis zur Erreichung des fairen Werts hält und zur Kursstabilität beiträgt oder ob er bei der erstbesten Gelegenheit verkauft und für Liquidität sorgen wird.

«Die optimale Mischung aus Qualität und Preis zu erreichen, ist bei jeder Erstemission zentral», betont Hammarskjold. Dies ist die Kunst des Bookbuilding.

  PREISFESTLEGUNG

Neuinvestoren Potenzial zugestehen

IPO-Discount:  Der Emissionspreis ist Resultat der unterschiedlichen Anforderungen an eine Platzierung: Einerseits sollen neue Mittel aufgenommen oder Altaktionäre ausbezahlt werden. Andererseits findet eine Publikumsöffnung immer mit Blick auf die neue Aktionärsbasis statt.

«Normalerweise wird eine Erstemission zu einem Abschlag zum fairen Wert platziert», sagt CS-Banker Hammarskjold. Mit diesem sogenannten IPO-Discount werden die Investoren für die mit einer Erstemission verbundenen Risiken entschädigt. Erfahrungsgemäss beträgt der Abschlag rund 10 bis 15%.

Den Anlegern soll eine positive Investitionserfahrung geboten werden. Denn sie sollen auch künftig Neuzugänge oder Kapitalerhöhungen zeichnen. Die Interessenabwägung führt dazu, dass bei einem sorgfältig platzierten IPO der Preis nicht ausgereizt wird, sondern auch für Neuinvestoren Potenzial besteht.

Zuteilungskriterien:  «Privatanleger können Aktien bei einem IPO grundsätzlich bei jeder Bank zeichnen», sagt Neumann.

Mit Vorteil zeichnen sie jedoch bei einer Syndikatsbank. Denn mit jedem IPO wird ein bestimmter Investorenmix angestrebt. Die Zuteilungen bzw. Kürzungen erfolgen bei Überzeichnungen nach klaren Kriterien. Und da Zeichnungen durch Drittbanken als Paket beim Konsortium eintreffen, ist bei diesen Orders keine Auswahl möglich. «Sie werden normalerweise pauschal gekürzt», erklärt der Kapitalmarktspezialist der ZKB den Zuteilungsprozess.

  HANDEL

Den Erfolg schützen

Marktstabilisierung:  Auch bei sorgfältiger Vorbereitung bleibt ein IPO immer ein Risiko. Denn der Handelsverlauf einer neu an die Börse gebrachten Aktie ist unerprobt. Ein wichtiges Instrument einer mustergültigen Erstemission ist deshalb der Green Shoe, benannt nach der Firma, die diesen Stabilisierungsmechanismus als erste eingesetzt hat.

In einem IPO werden in der Regel 15% mehr Aktien als das primär angestrebte Emissionsvolumen platziert. Falls der Kurs im freien Handel unter den Ausgabepreis rutscht, kann die federführende Bank diese Mehrzuteilungsoption aus dem Markt zurückkaufen und an den Emittenten zurückgeben. Dieser Mechanismus ermöglicht dem Bankensyndikat, den Kurs innerhalb der ersten dreissig Börsentage zu stützen. «IPO-Investoren schätzen den Green Shoe als Sicherheitsnetz», sagt CS-Banker Hammarskjold. Danach ziehen sich die Berater zurück.

Erst vierzig Tage nach Börsendebüt folgt noch die Veröffentlichung der Analystenberichte der Konsortialbanken. Denn ihre Projektionen sollen nicht mit den haftungsrelevanten Aussagen des IPO-Prospekts gleichgestellt werden können.

Investorenkontakt pflegen:  Ab jetzt ist es die Aufgabe der neukotierten Firma, selbst für eine möglichst breite Research-Abdeckung zu sorgen  und die Investoren zu pflegen.

«Mit dem Tag der Kotierung greift die börsenrechtliche Pflicht, Investoren ad hoc über kursrelevante Sachverhalte zu informieren, und zwar unter Einhaltung des Gleichbehandlungsgebots», umreisst Anwalt Courvoisier die Richtlinien für diese neue Aufgabe.