Jugend und soziale Medien
Wenn für Likes die Hüllen fallen: Urner Beratungsstelle bietet Unterstützung

Nicht immer ist der Umgang mit den sozialen Netzwerkplattformen völlig gefahrlos – gerade bei Jugendlichen. Kontakt Uri bietet deshalb kostenlose Beratungsgespräche für Jugendliche, Eltern und Bekannte an.

Drucken

«Wie wäre es, wenn du mich jetzt nackt sehen könntest?» Das Foto zeigt Jennifer lasziv und leicht bekleidet auf ihrem Bett. Den Post hat sie soeben ihrem «erweiterten Freundeskreis» gesendet. Die Reaktionen der ausschliesslich männlichen Adressaten bleiben nicht aus. Jennifer erhält Likes, viele Likes. Ihr «Freundeskreis» wird innert kurzer Zeit um ein Vielfaches grösser. Jennifer hat jetzt viele Freunde. Einige Freunde schreiben ihr, sie würden sie gerne treffen. Jennifer ist 13 Jahre alt. Sie besucht die erste Sekundarschule.

Auf Social Media lauern auch Gefahren, wenn man nicht auf einen korrekten Umgang auf den Plattformen achtet.

Auf Social Media lauern auch Gefahren, wenn man nicht auf einen korrekten Umgang auf den Plattformen achtet.

Symbolbild: Christian Beutler/Keystone

Mit diesem anonymisierten Fallbeispiel will Kontakt Uri, die kantonale Fachstelle für Jugend-, Eltern- und Suchtfragen, auf die Problematik in einem Gastbeitrag aufmerksam machen. In loser Folge erscheinen deshalb Beispiele aus der Praxis, um das Angebot und die Inhalte der Fachstelle bekannter zu machen.

Wie soll man darauf reagieren?

Auch Jennifers Schulfreund Moritz erhält die Nachricht. Er findet den Post doof. Statt eine Antwort zu schreiben, zeigt Moritz den Instagram-Eintrag seiner Mutter. Für Frau Herger, die Mutter von Moritz, ist Jennifer keine Unbekannte. Für sie ist es offensichtlich, dass Jennifer mit diesem Post die Grenze des Tolerierbaren überschritten hat. Aber was ist zu tun? Wie soll sie als Mutter darauf reagieren? Soll sie Jennifer direkt darauf ansprechen? Die Eltern informieren? Mit der Lehrperson sprechen?

In der Medienmitteilung heisst es weiter: Frau Herger greift zum Telefon und wählt die Nummer der kantonalen Fachstelle Kontakt Uri. Eine Fachperson nimmt den Anruf entgegen und Frau Herger kann ihre Betroffenheit und ihre Sorge um das Wohlergehen von Jennifer mit ihr teilen. Fragen wie: Was motiviert Jennifer für diesen Post? Wer spricht mit ihr über mögliche Folgen solcher Nachrichten? Wie können wir Erwachsenen vorgehen, damit Jennifer aus dieser Erfahrung lernen kann? Frau Herger wird im Gespräch mit der Fachperson bewusst, dass es auf die vielen Fragen keine einfachen und keine allgemein gültigen Antworten gibt.

Beratungen bei Kontakt Uri sind kostenlos

Kontakt Uri ist die kantonale Fachstelle für Jugend-, Eltern- und Suchtfragen. Nebst der Einzelfallberatung ist sie in der Früherkennung, Frühintervention und Prävention tätig. Die Leistungen der Fachstelle werden über einen Leistungsauftrag mit dem Kanton Uri finanziert und sind für die Urnerinnen und Urner kostenlos. Mehr Informationen zum Angebot findet man unter www.kontakt-uri.ch.

Beratungen finden im Rahmen der Schweigepflicht statt. Anmeldungen werden unbürokratisch und zeitnah entgegengenommen. Die Unterstützungsangebote von Kontakt Uri stehen Direktbetroffenen, Angehörigen, Bezugspersonen und anderen Helfenden offen. (pd/RIN)

Hausarrest oder Handyentzug sind nicht sinnvoll

In einem ist sich die Fachperson jedoch sicher: «Strafen wie Handyentzug, Taschengeld kürzen, Hausarrest und so weiter sind erfahrungsgemäss wenig erfolgversprechend, greifen zu kurz und sind vor allem nicht sinnvoll», schreibt Kontakt Uri. Oft verberge sich hinter einem auffälligen Verhalten von Teenagern ein Berg von Herausforderungen, welchen sie sich nicht gewachsen fühlen. Hier gilt es, konkrete Hilfsangebote anzubieten. Nicht selten können W-Fragen helfen, einen gangbaren Weg zu finden: Wie hast du dich nach dem Post gefühlt? Welche Reaktion hat dich besonders gefreut? Welche hat dich besonders enttäuscht? Wer denkst du, kann dich dabei unterstützen, dass du auch ohne solche Post die gewünschte Anerkennung finden kannst?

Am Ende des Gesprächs erhält Frau Herger den für sie wichtigsten Hinweis. Ganz nebenbei sagt der Berater ein Grundsatz, der für alle gelte, die sich in den sozialen Netzwerken aufhalten:

«Poste nichts, was du nicht auch im Schulzimmer, im Büro oder an jedem x-beliebigen Anschlagbrett veröffentlichen würdest.»

Das spontane Beratungsgespräch dauert fast eine Stunde. Frau Herger fühlt danach eine deutliche Erleichterung. Für sie ist im Beratungsgespräch klar geworden, wie sie vorgehen wird, und fühlt sich gut vorbereitet. (RIN)