Spiel kurz vor dem Abbruch :
Arminia Bielefeld geht in Wiesbaden unter

Von Alex Westhoff, Wiesbaden
Lesezeit: 4 Min.
Auch Vereinslegende Fabian Klos kann die Anhänger von Arminia Bielefeld nicht beruhigen.
Der Aufstieg von Wehen Wiesbaden in Liga zwei steht schon nach dem ersten Relegationsspiel nahezu fest. Die Arminia kann sportlich nicht mithalten – und der Bielefelder Anhang randaliert.

Lange steuerte der Abend auf eine reine Wiesbadener Fußballparty zu. Am Ende war die Feierstimmung aber gedämpft, weil die Fans von Arminia Bielefeld am Freitagabend für einen Tiefpunkt in der Vereinshistorie sorgten. Eine rund 20-minütige Spielunterbrechung inklusive.

Vereinslegende Fabian Klos äußerte sich nach dem Spiel entsprechend konsterniert. Unter Tränen sagte er: „Es muss jeder Stein umgedreht werden. Die Entwicklung, welche der Klub in den letzten 18 und mehr Monaten genommen hat, ist beängstigend und macht mich sehr traurig.“ Mit Blick auf das Rückspiel sagte er: „Es gilt jetzt zu gucken, wer gewillt ist, die Saison vernünftig zu Ende zu bringen. Das heißt nicht mehr, den Abstieg zu verhindern, sondern sich mit Anstand zu präsentieren und den Frust und die Wut der Leute im Stadion auszuhalten.“ 

Zur Wut der Arminia-Fans, die sich immer wieder entlud, hatte Wiesbadens Geschäftsführer Nico Schäfer eine klare Meinung. „Das kann nicht ohne Strafe für Arminia Bielefeld bleiben. Wir haben keine Lust, uns im Rückspiel vor 30000 Zuschauern wieder beschießen zu lassen“, sagte er.

Unschöne Bilder

Arminia Bielefeld gab im Relegationshinspiel auf und neben dem Platz ein verheerendes Bild ab. Sportlich, weil der klassentiefere SV Wehen Wiesbaden beim 4:0-Heimsieg überwiegend leichtes Spiel hatte. Und am Spielfeldrand, weil die Bielefelder Anhänger für Gefahr und ja, für Angst und Schrecken sorgten. Der ehemalige Profi Markus Babbel sagte beim übertragenden Fernsehsender „Sat1“: „Das ist nicht gefährlich, das ist kriminell.“

Auf die aufmarschierten Polizeikräfte gingen nach Abpfiff noch zig Raketen und Rauchtöpfe nieder. Es entstanden Bilder, welche die Schattenseiten des Fußballs illustrierten. Die DSC-Vereinslegende Fabian Klos hatte während des Spiels mehrmals versucht, beruhigend auf die Anhänger, die offensichtlich auf Eskalation aus waren, einzuwirken. Vergeblich.

Arminias Absturz

Den Bielefelder Profis droht beim Rückspiel am Dienstag nicht nur der sportliche Abstieg, sondern auch eine Art Spießrutenlauf vor dem eigenen Publikum. Denn auch in diesem Jahr scheint sich die Relegations-Gesetzmäßigkeit fortzusetzen, wenn sich Zweitliga-Sechzehnter und Drittliga-Dritter duellieren. Seit Einführung der finalen Saisonzusatzschicht hat sich nur in vier von 14 Fällen der klassenhöhere Klub durchgesetzt.

Drittliga-Dino Wehen Wiesbaden hat nach dem klaren Sieg jedenfalls beste Karten, die Serie fortzusetzen. Der Arminia droht dagegen mehr denn je der Sturz von der Eliteklasse auf direktem Wege in die dritte Liga – plus ein nach dem Wiesbadener Abend schwer geschädigtes Verhältnis zu den eigenen Fans.

Die reguläre Saison beider Teams war jeweils mit einem Schreckmoment zu Ende gegangen: Die Ostwestfalen leisteten sich am letzten Zweitligaspieltag einen widerstandsarmen wie blutleeren Auftritt beim 0:4 in Magdeburg. Die Hessen dagegen wähnten sich einige Minuten lang schon am ersehnten Ziel. In die Feierlichkeiten mit auf den Platz gestürmten Fans nach dem 1:0-Heimerfolg gegen Halle platzte die Nachricht, dass Konkurrent VfL Osnabrück parallel noch zwei Treffer in der Nachspielzeit erzielte. Der direkte Aufstieg wurde Wiesbaden vor der Nase weggeschnappt.

In der Zusatzschicht Relegation taten die Wiesbadener von Beginn an viel dafür, ein Zweitligaderby zwischen Osnabrück und Bielefeld in der kommenden Saison zu verhindern. Zwar hatte die Arminia die erste gefährliche Aktion durch den Schuss von Marc Rzatkowski, den SVWW-Profi Gino Fechner furchtlos per Kopf klärte (3.). Doch der Drittligaklub schlug umgehend zurück – mit dem Führungstreffer. Eine präzise Flanke des agilen Linksverteidigers Ezeh köpfte Torjäger Ivan Prtajin sehenswert ins Netz (6.).

Destruktives Böllern

Der Underdog verdiente sich anschließend den Vorsprung durch mutiges, vorwärtsgewandtes Spiel nach vorne. Der von Wiesbaden-Trainer Kauczinski erwartete „Kampf auf Biegen und Brechen“ war zunächst nicht nötig. Das behäbig wirkende Kombinationsspiel der Bielefelder nahmen die Wiesbadener dankbar zur Kenntnis und antworteten mit temporeichen Gegenstößen. Ezeh fehlte nach einem langen Lauf mit Ball am Fuß frei vor DSC-Torhüter Martin Fraisl etwas die Ruhe. Sein Schuss ging genau auf den Schlussmann (20.). Nur zwei Minuten später herrschte wieder Alarm im Bielefelder Strafraum, als der pfeilschnelle und trickreiche Benedict Hollerbach wieder mal durchgebrochen war. In der Folgezeit beruhigte sich das Spiel in der mit offiziell 11.008 Zuschauern vollbesetzten, im Ligabetrieb sonst nie ausgelasteten Arena an der Berliner Straße. Um nach der Pause wieder voll durchzustarten.

DSC-Torhüter Fraisl vermochte den stark getretenen Freistoß von Ezeh noch zu parieren, gegen den Nachschuss von SVWW-Kapitän Johannes Wurtz war er allerdings machtlos. Doch damit nicht genug an Trübsal für die klassenhöhere Arminia: Hollerbach sprintete bei einem Konter allen davon und vollendete präzise – 3:0 (60.). Die Bielefelder Fans schalteten daraufhin von Unterstützung ihrer Mannschaft umstandslos um auf destruktives Böllern und Feuerwerken.

Der SV Wehen Wiesbaden lässt Arminia Bielefeld keine Chance.
Der SV Wehen Wiesbaden lässt Arminia Bielefeld keine Chance.dpa

In einer ersten Spielunterbrechung wegen des Fehlverhaltens des Anhangs war es an Angreifer Klos, der auf die aufgebrachten Fans einzuwirken versuchte. Die Bielefelder Profis schienen sich daraufhin auf dem Rasen nochmal aufzubäumen. Doch drei gute Schusschancen in drei Minuten (66., 67., 68.) verfehlten ihr Ziel. Und es ging weiter Schlag auf Schlag, auf und neben dem Spielfeld zu Lasten der Arminia. Erst erzielte SVWW-Angreifer Iredale lässig das dritte Kontertor für seine Farben zum 4:0 (82.). Zu viel für die Arminia-Fans.

Zig weitere Feuerwerkskörper gingen auf dem Rasen nieder, einige versuchten die Zäune zu überwinden. Der Schiedsrichter brach folgerichtig die Partie vorübergehend ab und schickte die Spieler in die Kabinen. Auch der tief getroffene Klos, der als einziger Spieler im Innenraum verblieben war, ging irgendwann auf Abstand zum eigenen Anhang. Als der Schiedsrichter die Partie wieder anpfiff, passierte auf dem Rasen nicht mehr viel. Aber im Gästeblock gingen die Krawalle weiter.