Die Nummer eins steht fest, das ist Maike Schaefer. Die Grünen-Fraktionschefin wird ihre Partei als Spitzenkandidatin in den Wahlkampf führen. Doch wer kommt auf der Liste direkt dahinter? Karoline Linnert, die Kontrahentin von Schaefer bei der Urwahl der Grünen-Mitglieder, ganz sicher nicht. Die Bürgermeisterin und Finanzsenatorin wird nach ihrer Niederlage nicht noch einmal für einen Sitz in der Bürgerschaft kandidieren.
Wer also? Und wer auf den folgenden Plätzen? Fragen von Bedeutung, weil die Antworten über politische Karrieren entscheiden und auch einen Fingerzeig geben, wie sich die Partei inhaltlich aufstellen will. Einer für Platz zwei wäre Matthias Güldner. Er sitzt seit 1999 in der Bürgerschaft und war acht Jahre lang Fraktionsvorsitzender der Grünen. Der 58-Jährige ist jetzt bildungspolitischer Sprecher und immer noch ein Dickschiff in seiner Partei.
Er war es maßgeblich, der den Plan des Landesvorstands durchkreuzte, ein fünftes Mal in Folge Karoline Linnert als Spitzenkandidatin ins Rennen zu schicken. Sie sollte Primus inter Pares werden, die Erste unter Gleichen in einem Team aus drei Frauen, das war die Idee. Maike Schaefer wäre noch dabei gewesen und Sozialsenatorin Anja Stahmann. Doch Güldner und seine Mitstreiter schafften es, die Mehrheit der Mitglieder von einer Urwahl zu überzeugen. Das Ergebnis ist bekannt.
Zwei Motive, die Güldner unterstellt wurden: Karoline Linnert, mit der ihn eine innige politische Feindschaft verbindet, von Platz eins schubsen. Und sich selbst auf einen aussichtsreichen Listenplatz hieven, um nach der Wahl möglicherweise Bildungssenator zu werden, falls die Grünen wieder an die Regierung kommen. Platz zwei also für Güldner? „Nein“, sagte der Abgeordnete am Mittwoch auf Anfrage des WESER-KURIER, „ich schließe aus, für diesen Platz zu kandidieren.“
Er wolle kein Kapital aus einer Urwahl schlagen, die er selbst initiiert habe. Das gebiete der Anstand. „Ich habe noch nicht einmal entschieden, ob ich überhaupt für die Bürgerschaft kandidiere“, erklärte Güldner. Wenn man in der Partei von Erneuerung spreche, müsse man auch sich selbst betrachten. Doch da sind ja noch andere auf dem Personalkarussell. Allen voran Anja Stahmann. Mit ihr auf Platz zwei käme die alte Idee des Landesvorstands wieder zum Tragen.
Stahmann hält sich bedeckt
Schaefer eins, Stahmann zwei, und auf Rang drei noch eine Frau, weil dieser Platz bei den Grünen den Frauen vorbehalten ist. Das Dreierteam, nur ohne Linnert, für die jemand anderes gesucht werden müsste. Eine Konstellation, die von den Wählerinnen und Wählern so verstanden werden könnte, wie die Grünen das ursprünglich vorhatten: Frauenpower! Wir sind ganz vorn damit! Auf Platz vier käme der erste Mann: Güldner, Björn Fecker, Ralph Saxe, Robert Bücking? Die Ränge fünf und sechs sind für junge Grüne reserviert.
Doch Stahmann hält sich noch bedeckt. Sie wolle ihre Erwägungen zuerst der Partei vorstellen, hieß es in einer Erklärung am Mittwoch. Die Wahlversammlung sei erst im Dezember. „Bis dahin tut es not, dass sich intern einiges sortiert.“ Die Senatorin hatte im Vorfeld der Urwahl für Karoline Linnert als Spitzenkandidatin geworben, kann mit Maike Schaefer jetzt aber offenbar auch leben.
„Ich wünsche ihr eine glückliche Hand, die Grünen in einem meinungsfreudigen Wahlkampf zu einem guten Ergebnis zu führen“, sagte Stahmann. „Ich selber kämpfe weiter für grüne Inhalte und bin selbstverständlich bereit, auch zukünftig politische Verantwortung zu übernehmen.“ Ob Stahmann nach der Wahl im Mai Senatorin bleibt, hängt zuerst davon ab, wie die Regierung gebildet wird. Der aktuelle rot-grüne Senat hat in den Umfragen längst die Mehrheit verloren. Sollte das so bleiben, käme eine Koalition aus SPD, Grünen und den Linken in Frage. Eine Variante, die als am wahrscheinlichsten angesehen wird.
Denkbar wäre auch ein Jamaika-Bündnis aus CDU, Grünen und der FDP. In beiden Fällen würden die Grünen wohl kaum wieder über drei Senatorenposten verfügen. Könnte also sein, dass Soziales wegfällt, zumal ein Ressort gesetzt wäre: Schaefer strebt als Spitzenkandidatin in die Regierung, sie will Umweltsenatorin werden. Platzen würde dieser Traum, wenn es eine große Koalition gibt; die SPD mit der CDU oder andersherum, sollten die Christdemokraten in der Bürgerschaft die stärkste Fraktion stellen.
Während die SPD und die Linken ganz offen miteinander liebäugeln, wollen sich die Grünen zu einer Wunschkoalition nicht äußern. Auch nicht dazu, ob ganz oben auf ihrer Wahlliste drei Frauen stehen werden, wie es mal geplant war. „Dazu lässt sich zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nichts sagen“, erklärte Landesvorsitzende Alexandra Werwath bei einer Pressekonferenz am Montag, als die neue Spitzenkandidatin präsentiert wurde.
Werwath hat nach dem Rücktritt von Ralph Saxe einen neuen zweiten und gleichberechtigten Vorsitzenden an ihrer Seite. Gewählt wurde Hermann Kuhn. Er lobte am Mittwoch noch einmal die Debattenkultur in seiner Partei: „Es gibt nach der Urwahl keinen Riss, keine Spaltung. Wir haben konstruktiv diskutiert und uns die Entscheidung nicht leicht gemacht.“ Er wolle nun alles dafür tun, Karoline Linnert und den scheidenden Bau- und Umweltsenator Joachim Lohse für die Grünen in den Wahlkampf einzubinden.