NRW-Check: Aussichten für die AfD in NRW trotz Verbotsdebatten gut Sorgen um Erhalt der Demokratie

Alice Weidel und Tino Chrupalla, Fraktionsvorsitzende AFD, sprechen vor der Sitzung der Bundestagsfraktion
Alice Weidel und Tino Chrupalla, Fraktionsvorsitzende AFD, sprechen vor der Sitzung der Bundestagsfraktion. © picture alliance/dpa
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Gerichtsprozess gegen den Verfassungsschutz, Forderungen nach einem Parteiverbot und Geheimtreffen mit Rechtsradikalen – die immer extremeren Entwicklungen der AfD in Deutschland scheinen der Partei selbst im Westen mehr zu nutzen als zu schaden. Kämpfte die Partei im Frühjahr 2022 noch um den Einzug in den Düsseldorfer Landtag und erreichte gerade einmal ein Wahlergebnis von 5,4 Prozent, würden aktuell 13 Prozent aller Wahlberechtigten ihr die Stimme geben, wenn am nächsten Sonntag Landtagswahl wäre. Das geht aus einer Umfrage von Forsa im Auftrag der nordrhein-westfälischen Tageszeitungen hervor.

Im Bund käme sie laut „NRW-Check“ sogar aktuell auf 14 Prozent bei der Sonntagsfrage. Für die repräsentative Erhebung hat Forsa Anfang März insgesamt 1502 Wahlberechtigte über 18 Jahre aus NRW befragt.

Wählerpotenzial der AfD

Die AfD kann demnach zusätzlich mit einer Gruppe von Wählerinnen und Wählern kalkulieren, die zurzeit zwar nicht die AfD favorisiert, es sich aber unter Umständen vorstellen kann, sie zu wählen. Acht Prozent aller Befragten gaben das in der Umfrage an, darunter mehr Männer als Frauen, und eher Ältere zwischen 45 und 60 Jahren als Jüngere, nur für elf Prozent der 30- bis 44-Jährigen käme ein Kreuz bei der AfD infrage. Am wenigsten Potenzial hat die AfD bei unter 30-Jährigen, am ehesten wählen würden sie Arbeiter (25 Prozent), aber auch Selbstständige (19 Prozent).

Die größten Schnittmengen scheint die Partei mit den Anhängern von FDP und dem Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) zu haben: Von den Befragten, die derzeit die AfD bei einer Bundestagswahl noch nicht wählen wollen, könnte es sich jeder vierte BSW-Wähler sowie jeder zehnte FDP-Wähler unter bestimmten Voraussetzungen zumindest vorstellen. Als Hauptargument geben die potenziellen AfD-Wähler Unzufriedenheit mit der Ampelregierung (66 Prozent) an, auch die Ablehnung des gesamten politischen Systems (13 Prozent) sowie Übereinstimmung der politischen Inhalte (12 Prozent) führen sie an. Die Landespolitik spielt bei ihnen so gut wie gar keine Rolle.

Sorge um die Demokratie

Dass die AfD die gesamte demokratische Landschaft hierzulande gefährdet, glauben ähnlich wie im Bund zwei Drittel der Menschen an Rhein und Ruhr. Am meisten besorgt zeigen sich die Anhänger von Grünen und SPD (über 90 Prozent), gefolgt von CDU-Wählerinnen und Wählern (74 Prozent), aber nur 53 Prozent der FDP- und 43 Prozent der BSW-Anhänger.

Dass sich laut der repräsentativen Befragung eine Mehrheit der NRW-Bürger und Bürgerinnen sogar große bis sehr große Sorgen um den Erhalt der Demokratie macht, hängt ebenfalls mit der Haltung gegenüber der AfD zusammen. Nur eine Minderheit von 18 Prozent aller Wahlberechtigten hält sie für eine normale demokratische Partei. Die große Mehrheit der Befragten (77 Prozent) betrachtet die AfD als eine am rechtsradikalen Rand angesiedelte Partei. Immerhin eine Gruppe von sechs Prozent der AfD-Anhänger stimmt dem sogar zu – gegenüber 92 Prozent, die die AfD als normale demokratische Partei ansehen.

Meinungen zum AfD-Verbot

Nichtsdestotrotz spaltet die Debatte um ein Verbot der Partei die Gemüter: Nur eine Minderheit von 44 Prozent fände ein Verbot der AfD gut – das sind vor allem Anhänger der Grünen und der SPD. Mehr Menschen (48 Prozent) lehnen ein AfD-Verbot ab: 52 Prozent der CDU-Wähler, 67 Prozent der FDP-Wähler und – wenig überraschend – 99 Prozent der AfD-Anhänger sind gegen ein Verbot. Insgesamt entspricht die Haltung zur Verbotsfrage dem Bundestrend, wie das von Forsa ermittelte RTL/ntv-Trendbarometer im Januar ergeben hat (47 Prozent dafür und 48 Prozent dagegen).

Die Verbotsforderung ist die radikalste Form der Ablehnung, der aus sachlichen Gründen aber nicht alle AfD-Kritiker folgen. Dass sie in der Überzahl sind, hat sich auf den Straßen deutscher Städte in den vergangenen Wochen gezeigt. Im „NRW-Check“ bekräftigt eine Mehrheit die Bedeutung der Demonstrationen gegen Rechtsextremismus: Mehr als drei Viertel (77 Prozent) der Wahlberechtigten in NRW sind der Meinung, dass es für die Demokratie (sehr) wichtig sei, dafür auf die Straße zu gehen. Selbst von den AfD-Anhängern gibt das jeder Fünfte an. Lediglich 18 Prozent aller NRW-Befragten halten solche Proteste für unwichtig. Das geben vor allem Menschen zwischen 30 und 59 Jahren an, die neben der AfD entweder FDP oder BSW wählen.

Die Befragung zeigt: Die Radikalisierung der AfD ist ihren Befürwortern nicht nur bewusst, zu einem gewissen Teil wählen sie diese Partei genau deshalb – nicht nur aus Protest und Auflehnung gegen die Ampelregierung. Die Bundespolitik, weniger die Landespolitik, spielt bei all jenen eine Rolle, die die AfD noch nicht wählen, es sich aber durchaus vorstellen könnten. Hier steht viel politisch auf dem Spiel.

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NRW-Check

Für den NRW-Check befragte Forsa insgesamt 1502 Wahlberechtigte über 18 Jahre aus NRW. Die Erhebung fand vom 5. bis 14. März statt.

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