Interview Mercedes-Benz Mobility "Bidirektionales Laden finanziell interessant"

Mercedes Concept CLA 2024 Foto: Mercedes

Das bidirektionale Laden soll bis Ende des Jahrzehnts in großem Stil möglich sein. Die Politik bastelt den notwendigen Rahmen, die Autohersteller feilen an Technik und Geschäftsmodell.

E-Autonutzer können Fahrstrom künftig nicht nur kaufen, sondern auch verkaufen. Geht es nach den Fahrzeugherstellern, sollen die neuen Möglichkeiten beim bidirektionalen Laden ein wichtiges Kaufargument für ein Batterie-Mobil werden. Auch Mercedes verspricht sich und seinen Kunden große Vorteile, wie Frank Spennemann, Leiter Smart Charging bei Mercedes-Benz Mobility, erläutert.

Im Herbst 2023 haben Sie das CLA Concept vorgestellt. Wird das Serienmodell der erste Mercedes, der bidirektional laden kann?

Mit dem Concept CLA Class zeigen wir die Technik des bidirektionalen Ladens und geben einen Ausblick auf die Zukunft der Vernetzung von Elektrofahrzeugen mit dem Stromnetz. Das Fahrzeug wird zu einem Energiespeicher, der zum Beispiel Solarstrom für eine spätere Nutzung speichern kann. Vor allem aber kann es auch als Stromlieferant dienen, entweder Vehicle-to-Home (V2H) oder Vehicle-to-Grid (V2G). Es wird aber nicht unser erstes Fahrzeug mit dieser Technik sein. In Japan können schon heute alle EQS- und EQE-Modelle bidirektional laden. Dort fördert die japanische Regierung die Möglichkeit, die Elektrofahrzeuge als Notstromquellen zu nutzen, etwa im Falle von Erdbeben oder anderen Katastrophen. Theoretisch könnte ich mit einem vollgeladenen EQS rund eine Woche lang einen Haushalt mit durchschnittlichem Stromverbrauch versorgen, wenn die gesamte Batteriekapazität zur Verfügung stünde. Selbst wenn das hierzulande wohl eher selten nötig sein dürfte: Auf emotionaler Ebene ist das für die Kunden dennoch ein Thema.

Wo sehen Sie in Deutschland das wichtigste Anwendungsfeld für bidirektionales Laden?

Kunden legen Wert auf Nachhaltigkeit. Ein E-Auto mit großer Batterie kann beispielsweise helfen, das Netz bei der Umstellung auf erneuerbare Energie zu stabilisieren, indem sie überschüssigen Solar- oder Windstrom speichern. Die Netzbetreiber müssen bei hoher Energieproduktion mit Solar- oder Windkraftanlagen diese immer mal wieder zeitweise vom Netz nehmen. Wir haben gemeinsam mit unserem Partner The Mobility House berechnet, dass man bereits mit rund zwei Millionen bidirektional ladenden E-Autos rund 50 Prozent der heute üblichen Abschaltung von erneuerbaren Energiequellen vermeiden könnte.

Reicht die Stabilisierung des Netzes allein als Motivation?

Bidirektionales Laden kann auch finanziell interessant sein. Wenn ich beispielsweise im Sommer tagsüber überschüssigen Strom lade, tue ich das zu einem geringen Preis. Wenn Energie dann wieder knapper und teurer ist, kann ich sie von meinem Elektrofahrzeug als Speicher ins Netz zurückgeben und an der Strombörse verkaufen. Neben dem Nachhaltigkeitsaspekt kann ich mit bidirektionalem Laden also auch meine Energiekosten senken. Wir sehen in einem entsprechenden Service, der den Handel für den Mercedes-Kunden automatisiert, ein attraktives Potenzial für Kunden.

Welche Hinderungsgründe stehen dem bidirektionalen Laden ins Netz (V2G) aus Ihrer Sicht in Deutschland aktuell noch entgegen? Wann könnten sie ausgeräumt sein?

Es gibt noch einige regulatorische Hürden, die aber aktuell von der Politik gemeinsam mit Stakeholdern aus der Industrie und Energiewirtschaft angegangen werden. Bundeswirtschaftsminister Habeck hat hierzu im November letzten Jahres die relevanten Akteure auf nationaler und EU-Ebene eingeladen und wichtige Diskussionsprozesse gestartet. Alle arbeiten gemeinsam mit Hochdruck an Lösungen.

Wie häufig werden sich denn die Strompreise über den Tag hinweg ändern?

Der Strommarkt ist allgemein sehr volatil. Es gibt eine saisonale Kurve und eine Tageskurve, die mit Sonnenauf- und -untergang zusammenhängt. Hinzu kommen plötzliche Ereignisse, etwa kurzfristige Ausfälle von Stromerzeugungsanlagen oder wenn aus einem bestimmten Grund in einer Region viele Verbraucher Strom zur gleichen Zeit beziehen. Dann springen die Preise schon einmal hin und her und es ist sehr viel Dynamik zu beobachten. Wir sehen in den USA und vielen europäischen Ländern schon, dass die Stromtarife für Privatkunden dynamisch sind und sich stark über den Tagesverlauf verändern. Ein Stromhandel an der eigenen Wallbox sollte für den Kunden aber nicht zu komplex sein. Eine Tarifstruktur muss einfach gestaltet sein, sodass es jeder versteht.

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