Technik-Revolution „Made in Germany“: Wie viel Mensch steckt im Quanten-Computer?

„Mr. Quantum“ erklärt bei BILD, wie das Computing der Zukunft von Deutschland aus die ganze Welt verändern wird

Markus Pflitsch (52), Chef von Terra Quantum, in seinem Büro

Markus Pflitsch (52), Chef von Terra Quantum, in seinem Büro

Foto: Sascha Baumann / all4foto.de
Von: Jasper Bitter

Der neue Computer wird die Welt verändern. Er rechnet nicht nur. Er „denkt“ viel komplexer. Er ist die Zukunft. Und ihren Anfang nimmt diese Zukunft schon jetzt – hier bei uns in Deutschland.

Große Innovationen kommen meist aus den USA oder Asien. Diesmal liegen wir vorn. Das Wort der Stunde heißt: Quanten-Computing. Das nächste große Ding – der Quanten-Computer – könnte im Wesentlichen „Made in Germany“ sein.

Grund: Der weltweite Vorreiter in Sachen Quanten-Computing ist das deutsch-schweizerische Unternehmen „Terra Quantum“ mit Sitz in München und St. Gallen.

Quantenprozessoren der Firma IBM sind in ein extrem aufwendiges Kontrollsystem eingebettet

Quantenprozessoren der Firma IBM sind in ein extrem aufwendiges Kontrollsystem eingebettet

Foto: Connie Zhou/IBM

Wie wird der Quanten-Computer die Welt verändern? Wie menschlich denkt er? Ist das eine Bedrohung? BILD sprach mit „Terra Quantum“-Chef Markus Pflitsch (52), in der Quanten-Szene als „Mr. Quantum“ bekannt.

Markus Pflitsch arbeitete u. a. bei der Boston Consulting Group und Unicredit, bevor er Terra Quantum gründete

Markus Pflitsch arbeitete u. a. bei der Boston Consulting Group und Unicredit, bevor er Terra Quantum gründete

Foto: Sascha Baumann / all4foto.de

Pflitsch studierte Physik an der RWTH in Aachen, arbeitete am Teilchenbeschleuniger CERN in der Nähe von Genf. Dann wechselte er in die Wirtschaft. Er sagt von sich, er wäre schon früh ein Nerd gewesen.

Technik-Revolution „Made in Germany“Wie viel Mensch steckt im Quanten-Computer?

Quelle: BILD

2019 trifft Pflitsch, der schon seit seinem 14. Lebensjahr von Quantenphysik besessen war, eine Entscheidung: „Jetzt ist das Zeitfenster, wo Quantum, was vorher Forschung, ein Glasperlenspiel war, konkret im Bereich Quanten-Computer umgesetzt werden kann.“ Pflitsch gründet Terra Quantum.

Kann der Quanten-Computer denken?

Die bisherigen Supercomputer lösen extrem viele Mal- und Plus-Aufgaben hintereinander. Der Quanten-Computer dagegen löst Aufgaben gleichzeitig. Und: Er ist nicht auf simple Mathematik beschränkt. Er lässt sich besser mit dem menschlichen Gehirn vergleichen.

„Unser Gehirn ist nicht nur deterministisch und agiert nicht nur aus seiner Erfahrung heraus, sondern ist auch kreativ“, sagt Pflitsch.

So ist die Kreativität eines Quanten-Computers auch der größte Vorteil gegenüber bisherigen Supercomputern, die immer nur die gleichen Prozesse durchführen können. Quanten-Computer denken zwar nicht wie ein Mensch, aber sie werden völlig neue, kreative Lösungen schaffen.

Supercomputer werden nur langsam schneller und besser. Beim Quanten-Computer können dagegen schon kleine Schritte zu 1000-fach schnelleren und besseren Lösungen führen.

Wann beginnt die Quanten-Zukunft?

Laut amerikanischen Behörden sollen Quanten-Computer 2030 – am sogenannten Q-Day – schneller als Supercomputer sein. Doch auf den Q-Day wollen Pflitsch und Terra Quantum nicht warten.

Ihre Lösung: hybrides Quantum. „Wir simulieren einen Quanten-Computer auf einem Supercomputer. Wir ersetzen die Hardware und lassen unsere Quanten-Software schon heute laufen.“

Das bedeutet: Terra Quantum kann schon heute die Rechenleistung des Quanten-Computers nutzen. Heute liegt die Steigerung dadurch bei bis zu 30 Prozent im Vergleich zu herkömmlichen Lösungen. Ab 2030 werden dann deutlich größere Sprünge möglich.

Schon heute ist Terra Quantum nicht von Subventionen oder Investoren abhängig. Die Firma verkauft Quantum als Service. Dafür stellt Pflitsch die meisten Quantenphysiker in der gesamten Branche an.

Markus Pflitsch beschäftigt mehr Quantenphysiker als alle anderen Unternehmen in der Quantenbranche

Markus Pflitsch beschäftigt mehr Quantenphysiker als alle anderen Unternehmen in der Quantenbranche

Foto: Sascha Baumann / all4foto.de

Wo werden wir die Technologie nutzen können?

Ein Anwendungsbereich für Quanten-Computer ist die Medizin. Viele Verfahren können durch den Quanten-Computer extrem beschleunigt werden. „In Zukunft werden wir durch Quanten-Technologie Krankheiten viel besser diagnostizieren und individualisiert bekämpfen können“, sagt Pflitsch.

Und weiter: „Perspektivisch ist ein perfekter digitaler Klon vom Menschen möglich. Das heißt, es gibt dann personalisierte Medizin, perfekt auf jeden zugeschnitten.“

Bislang dauern Zulassungsverfahren von Medikamenten Jahre. Quanten-Computer könnten diese auf wenige Monate oder sogar Wochen reduzieren.

Drohen uns auch Gefahren?

Alle heutigen Verschlüsselungen kann der Quanten-Computer in kürzester Zeit entschlüsseln. Davon sind unseren WhatsApp-Nachrichten bis hin zu kritischen Daten über Staaten und Firmen betroffen. Schon jetzt werden im großen Stil verschlüsselte Daten aufgekauft.

„Dann haben wir als Gesellschaft eine tickende Zeitbombe. Da kommen wir bei Terra Quantum ins Spiel. Wir bieten das gesamte Spektrum an, um Kommunikation quantensicher zu machen.“

Pflitsch weiter: „Einmal quanten-verschlüsselt heißt, das kann nie wieder geknackt werden. Das hält so lange, wie sich die Gesetze der Physik nicht ändern. Und davon ist erst mal nicht auszugehen.“

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