Opel-Leiharbeiter bangen um ihre Zukunft

In Rüsselsheim produziert Opel den Astra. Das Foto wurde im Sommer 2021 aufgenommen.
© Opel

Bis zu 300 Zeitarbeitnehmer stehen Rüsselsheimer Stammwerk vor einer wichtigen Entscheidung. Wir zeigen, wie viele Opel befristet übernehmen wird und wie viele wohl gehen müssen.

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Rüsselsheim. Leiharbeiter oder Zeitarbeitnehmer, wie sie im Fachjargon genannt werden, sind für die Industrie wichtig. Mit ihnen können die Firmen flexibel auf Produktionsschwankungen reagieren. Auf Auftragsspitzen und Flauten. Zudem sind Zeitarbeitskräfte günstiger, sie bekommen zumeist weniger Grundgehalt und vor allem keine Zulagen. Wie etwa Weihnachtsgeld, Gewinnbeteiligungen oder einen firmenspezifischen Inflationsausgleich. In Rüsselsheimer Opel-Werk, in dem neben dem Astra auch der DS4 vom Band läuft, liegt die Zahl der Leiharbeiter Unternehmenskreisen zufolge mit rund 1.000 vergleichsweise sehr hoch. Das entspreche einer Quote von mehr als 40 Prozent, ist zu hören.

Wie viele Leiharbeiter will Opel in Rüsselsheim befristet übernehmen?

Dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz zufolge müssen die Gehälter von Zeitarbeitnehmern nach 15 Monaten gemäß der „Equal Pay“-Regelung jenen der festangestellten Kollegen gleichwertig sein. Laut einem Flugblatt der IG Metall Darmstadt, das am Dienstag bei Opel in Rüsselsheim verteilt wurde, haben aktuell bis zu 300 Leiharbeiter des Stammwerkes den „Equal Pay“-Status erreicht. Opel sei das „nun zu teuer und will deshalb viele von ihnen vor die Tür setzen und durch neue ‘günstigere’ Leiharbeiter ersetzen“, heißt es in dem Flugblatt. Heißt: bei Opel abmelden.

Dem widerspricht Opel in einem Statement. Die betreffenden Zeitarbeitskräfte würden nicht ersetzt, vielmehr führe „die Optimierung der internen Produktionsabläufe nun zu einem geringeren Bedarf. Daher werden wir im Verlauf der nächsten Wochen rund 300 Zeitarbeitskräfte weniger am Standort benötigen.“ Dank kontinuierlicher Verbesserungsprozesse sei die Effizienz der Fertigung deutlich gesteigert worden, so ein Sprecher weiter. Dies sei besonders am Standort Deutschland mit hohen Energie- und Lohnkosten wichtig, um wettbewerbsfähig zu sein.

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Unabhängig davon geht für einen guten Teil der Betroffenen der Kampf um die Leiharbeiter gut aus, zumindest befristet. Denn wie aus einer Mitarbeiterinfo der IG Metall im Opel-Betriebsrat, die dieser Zeitung ebenfalls vorliegt, hervorgeht, habe das Management nach langen Gesprächen zugesagt, „dass Opel mindestens weitere 125 Leiharbeitskolleginnen und -kollegen, die 15 Monate oder länger im Werk arbeiten, befristet für 18 Monate übernehmen wird“. Das sei „ein erster Erfolg und im Übrigen auch ein Beitrag zur Kostensenkung und Qualitätssicherung“, heißt es in dem Schreiben weiter.

Warum kämpfen Opel-Arbeitnehmervertreter für die Übernahme weiterer Leiharbeiter?

Ein „erster Erfolg“ deshalb, weil die Arbeitnehmervertretung für die Übernahme weiterer Zeitarbeitnehmer des Werks kämpft. Es ist bereits der zweite Schwung an Leiharbeitern des Stammwerkes, die bei Opel bleiben können. Mitte vergangenen Jahres hatten Management und Betriebsrat vereinbart, dass das Unternehmen 150 Zeitarbeitnehmer übernimmt, davon 50 unbefristet und 100 befristet. Das hebt auch das Management hervor. „Wir freuen uns, dass wir zusätzlich zu den im vergangenen Jahr übernommenen 150 Leiharbeitern weitere 125 Leiharbeitnehmer befristet anstellen können“, sagt der Firmensprecher.

Die Gewerkschaft bleibt derweil bei ihrer Darstellung: Die Rechnung, erfahrene Leiharbeiter durch günstigere neue zu ersetzen, „wird nicht aufgehen“, warnt Daniel Bremm, der Erste Bevollmächtigter der IG Metall Darmstadt. Gut ausgebildete Beschäftigte würden händeringend gesucht „und sollten gehalten werden“. Auf dem regionalen Arbeitsmarkt seien Menschen für die Anforderungen im Automobilwerk nur noch sehr schwer zu finden. „Mit Blick auf Qualität und Stabilität der Prozesse ist es fatal, aktuell im Werk solche Veränderungen vorzunehmen, gerade vor dem Hintergrund, dass das Opel-Werk in Rüsselsheim wettbewerbsfähig gegenüber anderen Werken im Stellantis-Konzern sein muss“, um zukünftige Modelle zur Produktion erhalten zu können, so Bremm weiter.

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„Das dauerhafte neue Einstellen, Trainieren und Anlernen ist eine große Belastung für alle Beschäftigten und führt zu massiver Unruhe und Unzufriedenheit im Betrieb.“ Ähnlich äußern sich die Arbeitnehmervertreter in der Rüsselsheimer Mitarbeiterinfo. „Es macht keinen Sinn, qualifizierte Leiharbeitnehmer/-innen abzumelden, um dann wieder neue Kolleginnen und Kollegen kosten- und zeitintensiv anzulernen“, heißt es darin. Vor dem Hintergrund, dass das Werk aktuell erhebliche Herausforderungen zu bewältigen habe. Etwa „Volumenrückgang“ aufgrund des vorzeitigen Endes der Elektroauto-Förderung in Deutschland sowie „die Verbesserung der Kostenstrukturen“. Überdies sollten die Qualitätsziele „weiter auf hohem Niveau“ gehalten werden.