Panorama

Lampen, Lichter, Leichtigkeit Zum Mond, wieder zurück und nach München

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Glück und Unglück, Leichtigkeit und Schwere koexistieren, verschränken und bedingen sich. Findet Nicole Giesa.

Glück und Unglück, Leichtigkeit und Schwere koexistieren, verschränken und bedingen sich. Findet Nicole Giesa.

(Foto: Nicole Giesa)

2022 gehen die Menschen nach diversen Lockdowns wieder ihrer Wege, nichts ist jedoch mehr, wie es einmal war. Nicole Giesas "Lonesome Astronaut" wandert seither durch die Welt, ist mitten unter uns - und doch bleibt er in alltäglichen Situationen isoliert. Jetzt stellt er sich dem Publikum im Münchener Künstlerhaus am Lenbachplatz.

Der Astronaut steht auf dem menschenleeren Oktoberfest, zwischen Touristen in Venedig, in einem ausgetrockneten See, am Pool im Hotel "Du Cap-Eden-Roc" in Südfrankreich, in einem Raumschiff mit Blick auf den Mars, am Wilden Kaiser in Österreich, in St. Agnes in Berlin oder auf einer Parkbank neben einem Briefkasten im verschneiten Bayern. Mal wirkt er befremdet und nachdenklich, mal erschöpft, mal ironisch und humorvoll und dann versprüht er einen Zauber, der alles um ihn herum in den Bann zieht.

Begegnungen der dritten Art - die hat man ja immer wieder auf der Wiesn.

Begegnungen der dritten Art - die hat man ja immer wieder auf der Wiesn.

(Foto: Nicole Giesa)

Wie viel Lonesome Astronaut mag wohl in der Künstlerin stecken, fragt sich da manch ein Betrachter: "Ja, ich stecke in ihm", lacht Nicole Giesa. "Ich bin der Astronaut, auch wenn ich selbst nie den Anzug trage. Der Astronaut könnte jeder sein", erzählt sie ntv.de. "Ich werde nie den Besucher vergessen, der ein zweites Mal in die Ausstellung in der Glyptothek kam, um ein bestimmtes Bild anzusehen. Er sagte: 'Nicole, das ist mein Bild. Es ist, als hättest du mich fotografiert. Das bin ich!' Und wir verstanden uns ohne weitere Worte."

Giesa, 1973 in Hannover geboren, lebte in Niedersachsen, Südengland, Hamburg, München und nun in Tutzing. Seit Mitte der 90er Jahre ist sie in der Filmbranche tätig. Ihre Fotoreihen waren nicht geplant, sie sind einfach passiert: Nach einem Schicksalsschlag zog sie zum Jahreswechsel 2020 spontan von Berlin nach München und fand sich dort direkt im ersten Lockdown wieder. Rastlos wanderte sie durch die neue Heimat und begann zunächst, Momente des surrealen Alltags festzuhalten. Anfangs noch Beobachterin, schlüpfte sie bald in die Rolle der Regisseurin jener Szenen, die sie ablichtet.

Jeder reist anders

Endlich a Ruah! Der Berg mag rufen, der Astronaut chillt.

Endlich a Ruah! Der Berg mag rufen, der Astronaut chillt.

(Foto: Nicole Giesa)

Seit ein paar Tagen sei sie seltsam ruhig, sagt Giesa. Die letzten Wochen waren turbulent, arbeitsreich und intensiv, manchmal mit Knoten im Kopf: "Freude, Glück, Aufregung, Zweifel - es war alles dabei." Sie hat allerdings ein einfaches Rezept, das ihr hilft, sich zu sammeln: "Winterschwimmen im fünf Grad kalten See." Sie lacht, weil sie weiß, dass der eine oder die andere sie für irre halten könnte, "aber es ist ja auch zu irre, was gerade passiert".

30 Astronauten-Bilder in bis zu zwei Metern Größe wurden gerahmt und auch 30 Bilder aus ihrer Serie "Wanderlampe Wanda" werden nun aufgehängt. Sie findet es fast unwirklich, vor allem, weil sie sich fragt: "Wann habe ich all diese Bilder gemacht?" Inzwischen übt Giesa sich allerdings im Loslassen: "Es sind meine Bilder. Meine Gedanken, meine Geschichte, meine Reise durch die letzten Jahre. Im besten Fall finden sich andere darin wieder. Wenn nicht, ist auch das okay. Jeder reist anders."

Gereist ist sie auch mit ihrer roten Wanderlampe Wanda aus den 70er Jahren: An sonst belebte, durch den Lockdown plötzlich aber gänzlich verwaiste Orte, die eigens für sie geöffnet werden. Vom Techno-Club im Keller, über das Olympiastadion, Münchner Museen, die Staatsoper, das Münchner Künstlerhaus, die Elbphilharmonie bis hin zum höchsten Punkt Deutschlands, der Zugspitze, war Wanda unterwegs. Über 100 Motive entstanden, hinter denen persönliche Geschichten, Schicksale, Ratlosigkeit und Existenzangst stehen. Doch Wanda leuchtet, ist einfach da, wo es wehtut, und überlässt den Rest dem Betrachter.

Mit ihren fotografischen Zyklen und ikonischen Fotoreihen visualisiert Nicole Giesa seit 2020 ihre Eindrücke des alltäglichen Lebens und der Gesellschaft auf einzigartige Weise. Seien es Superhelden mit Bügelbrett unterm Arm, die Wanderlampe oder der Astronaut - Giesa erschafft eigene Welten.

In Venedig, Miami oder Zürich

Im April 2022 wurden die beiden Fotoreihen "Wanderlampe Wanda" und "Pandemiclife" in der Glyptothek der Staatlichen Antikensammlung am Königsplatz als zeitgenössische Position präsentiert, was Münchens ältestem Museum zu einem beeindruckenden neuen Besucherrekord an nur einem Wochenende verhalf. Im Oktober 2022 zählte Giesas einsamer Astronaut bei einem Fotofestival in Venedig zu den Besucherlieblingen, bevor er in der Galerie "All you can Art" im Münchner Kunstareal zu sehen war. Es folgten Gruppenausstellungen in Palma de Mallorca, zur Art Basel Miami und bei der Swiss Art Expo in Zürich. Giesas Fotoarbeiten sind inzwischen auch in renommierten Privatsammlungen vertreten.

Beim Galeristen Johann König in Berlin: St. Agnes.

Beim Galeristen Johann König in Berlin: St. Agnes.

(Foto: Nicole Giesa)

Wie aufwendig ist es denn, einen Astronauten an belebten Orten zu fotografieren und überhaupt in Szene zu setzen? "Manchmal ist es ruhig und einsam, manchmal muss es schnell gehen, ist turbulent und mit Behördenkontakt." In Venedig wäre Giesa beinahe von der Polizei mitgenommen worden. "Wir waren zum Fotofestival dort, wo auch Fotos meines Astronauten gezeigt wurden. Bei der Gelegenheit wollte ich ihn natürlich in der Lagunenstadt fotografieren. Allerdings war ich gar nicht auf die Idee gekommen, dass es wegen Verhüllung, Vermummung oder vermuteter kommerzieller Nutzung problematisch werden könnte."

Auf dem Markusplatz kam es dann aber genau so. Und man ließ sie nur gehen, weil ihr einfiel, dass der Präsident Veneziens ein Foto ihres Astronauten bei Instagram gepostet hatte, um das Fotofestival anzukündigen. "Ohne Italienischkenntnisse, aber mit Instagram, Händen und Füßen gelang es dann, den Polizisten zu erklären, dass es sich um denselben Astronauten handelt. Es war für einen Moment also gar nicht mal so lustig", erzählt sie, inzwischen wieder gut gelaunt. "Ansonsten wollte in Venedig gefühlt jeder ein gemeinsames Foto mit dem Astronauten machen - und machte es auch."

Mit Helm am Pool

Dieses Motiv entstand zufällig zu Giesas Geburtstag. Es hängt nun im Hotel. Und auch das Motiv auf der Einladung zur Ausstellung ist auf dem Sprungbrett im "Eden Roc" entstanden. "Der Astronaut, das bin gefühlt ich", sagt die Fotografin.

Dieses Motiv entstand zufällig zu Giesas Geburtstag. Es hängt nun im Hotel. Und auch das Motiv auf der Einladung zur Ausstellung ist auf dem Sprungbrett im "Eden Roc" entstanden. "Der Astronaut, das bin gefühlt ich", sagt die Fotografin.

"Das Motiv am Pool vom Hotel 'Du Cap-Eden-Roc' in Südfrankreich hatte ich geträumt. Ich musste es machen", erzählt Giesa. "Mit dem Astronautenanzug und dem großen Helm zu fliegen ist zu kompliziert - also wurde ein Roadtrip mit Kleinwagen daraus. Ich hatte keine Idee, was mich im Hinblick auf Wetter und Licht am Morgen des 4. Mai erwarten würde. Als wir im 'Eden Roc' ankamen, lagen Terrasse und Pool im Schatten - es sah ganz anders aus als das Bild in meinem Kopf."

Giesas Bilder entstehen vor ihrem inneren Auge, mit natürlichem Licht, ohne Aufbau, ohne Stativ. "Es war also nicht optimal und ich weit entfernt von dem, was ich wollte." Im Hotel aber gab man ihr mehr Zeit und Bewegungsfreiheit. "Und zum Geburtstag einen unfassbar schönen Astronautenhelm aus feinster Schokolade", freut sie sich noch immer.

Das Münchner Künstlerhaus am Lenbachplatz zeigt die Fotoausstellung "To The Moon And Back" in seinen Clubräumen über den Dächern der Stadt vom 22. März bis zum 7. April. Der Eintritt ist frei.

Quelle: ntv.de

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