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Großbritannien

Vorsingen im U-Bahnhof: London sucht Straßenmusiker

Die Verkehrsbetriebe der Millionenmetropole haben ihr eigenes Castingsystem. Performen darf in den Tube-Stationen nur, wer überzeugt. Für manche ist die Hoffnung nur eine Rolltreppe entfernt.

Musiker Nick Woods (l.) gibt beim Vorsingen im U-Bahnhof Southwark alles: Er möchte zukünftig in der Tube auftreten - nebenberuflich.
Musiker Nick Woods (l.) gibt beim Vorsingen im U-Bahnhof Southwark alles: Er möchte zukünftig in der Tube auftreten - nebenberuflich. Foto: dpa

Selbst Paul McCartney soll in London schon stehen geblieben sein, um einer Sängerin Trinkgeld zu geben. Die britische Millionenstadt ist bekannt für ihre Straßenmusiker, die im Englischen „busker“ genannt werden. Die Verkehrsbetriebe haben sogar ein eigenes Auswahlverfahren eingeführt: Wer in einem der U-Bahnhöfe offiziell spielen will, muss bei einem Vorsingen bestehen.

Bisher dürfen sich im U-Bahnnetz rund 200 Musikerinnen und Musiker in einen Zeitplan einbuchen. Nun wählt die Jury aus, wer neu hinzukommen soll.

Nach einer längeren Pause wählt eine Jury nun erstmals seit sieben Jahren wieder neue Musikerinnen und Musiker aus. Rund 450 Bewerbungen sind eingegangen und mehr als die Hälfte der Interessenten wurden vom Unternehmen Transport for London (TfL) zum Vorsingen eingeladen. Sie mussten bei Terminen in den vergangenen zwei Wochen probeweise vor einer Jury spielen. Maximal zehn Minuten blieben den Kandidatinnen und Kandidaten, um ihr Können unter Beweis zu stellen.

Mit Johnny Cash zum Erfolg

Unter der Woche, es ist kurz vor 10 Uhr. Es ist nicht mehr so voll in den Zügen, dass man dicht gedrängt stehen muss, aber die Schulklassen sind jetzt unterwegs. Südlich der Themse liegt die Bahnstation Southwark. Wer neu in die Stadt kommt, spricht diesen Namen sicherlich falsch aus. Richtig klingt er, wenn man einige Buchstaben verschluckt.

Zemphy tritt bereits in größeren Bahnhöfen auf, doch in der Tube darf sie noch nicht performen. Daher muss auch die Irin zum Vorsingen antreten.
Zemphy tritt bereits in größeren Bahnhöfen auf, doch in der Tube darf sie noch nicht performen. Daher muss auch die Irin zum Vorsingen antreten. Foto: dpa

Von der Straße geht es eine Rolltreppe nach unten. Und hier singt Nick Woods Johnny Cash. Er sei schon in anderen Gegenden Englands aufgetreten, aber London sei natürlich ein schöner Hotspot. Neben seinem Vollzeitjob sei die Musik ein Hobby, sagt der 30-Jährige. Er wolle sich nicht unter Druck setzen, damit seinen Lebensunterhalt zu verdienen.

Musikerin Zemphy (27) dagegen arbeitet Vollzeit als Künstlerin und spielt neben ihren Auftritten abends bereits an großen Bahnhöfen. Nun will die Musikerin aus Irland auch an den Haltestellen der „Tube“ spielen, wie die U-Bahn von den Londonern genannt wird. Als älteste U-Bahn der Welt hatte sie 1863 den Betrieb aufgenommen - damals noch als „Metropolitan Railway“ mit wenigen Stationen. Bisher dürfen sich im U-Bahnnetz rund 200 Musikerinnen und Musiker in einen Zeitplan einbuchen. Nun wählt die Jury aus, wer neu hinzukommen soll.

Ich mag die Idee, für Kleingeld zu spielen, das die Leute übrig haben.

Nick Woods

Anders als in London ist es zum Beispiel in Berlin geregelt. In der deutschen Hauptstadt gibt es kein Vorsingen oder Vorspielen. Eine Genehmigung braucht es trotzdem. Sie kostet zehn Euro pro Tag, wie die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) erklären. Erklärt wird auf deren Internetseite auch, welche Instrumente erlaubt sind, vom Akkordeon bis zum Xylofon. „Genehmigungen für Blechblasinstrumente werden nicht erteilt.“

Kleingeld oder ein Lächeln

Im Londoner Stadtbild fällt noch etwas auf. Etliche Musiker haben heute nicht nur Schilder aufgestellt, mit denen sie auf ihre Instagramprofile oder andere Onlineseiten hinweisen, sondern auch kleine Kartenlesegeräte. In der britischen Hauptstadt wird heute nämlich sehr häufig mit Karte gezahlt. Manche Cafés zum Beispiel nehmen gar keine Münzen und Scheine mehr. Wer Tee will, muss mit Karte zahlen.

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Daran passen sich auch Straßenmusikerinnen und Straßenmusiker an. Nicht alle mögen die Vorstellung unbedingt. „Ich mag die Idee, für Kleingeld zu spielen, das die Leute übrig haben“, sagt Woods. So sei es historisch und kulturell immer gewesen. Bei seinen Auftritten an öffentlichen Orten schätzt er die Atmosphäre. Menschen würden anhalten und zusehen, oft stammten sie aus der ganzen Welt.

Ähnlich geht es Künstlerin Zemphy. Einmal habe sie während des Pride Weekends einen irischen Song gespielt und etwa 20 lesbische Frauen hätten angefangen zu tanzen, das sei einer der besten Momente ihres Lebens gewesen. „Es gibt nichts Besseres als ein Lächeln von jemandem“, sagt sie. „Diese kleinen Dinge bedeuten viel mehr als Geld, um ehrlich zu sein.“ Solche Momente, sagt sie, seien sehr viel erfüllender.

Quelle: DPA

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