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15 Minuten am Steuer eines Cayman GT4 RS genügten, um uns unsterblich zu verlieben

Wir hatten das Glück, im Laufe der Jahre einige der besten Fahrzeuge aus der umfangreichen Porsche- Produktpalette fahren zu können. Aber nichts konnte Redakteur Elliot Newton darauf vorbereiten, wie performanceorientiert der neue Cayman GT4 RS auf der offenen Straße sein würde...

Wenn Sie an besonders starke und schnelle Porsche denken, werden Sie wahrscheinlich bei den GT3- und GT3 RS-Modellen der Generation 992 des 911 landen. Sie bieten – Stand jetzt – das Maximum an Leistung, Agilität und rennsportmäßig angehauchtem Design Die Formel „mehr Leistung, mehr Gewichtseinsparung und mehr Fahrdynamik“ haben die Weissacher mittlerweile auch auf den kleinen Bruder des 911 übertragen, den 718 Cayman. Während des jüngsten Medientags in Goodwood hatten wir die Gelegenheit, die neueste Generation des Cayman GT4 RS kurz zu erleben. Und wir sind immer noch ganz begeistert und können nur bestätigen, dass dies von allen begehrten Modellen, die Porsche aktuell herstellt, dasjenige ist, das man haben und vor allem fahren sollte.

Es war im Jahr 2015 auf dem Genfer Salon, als die Welt zum ersten Mal einen Vorgeschmack auf einen stärkeren Cayman bekam. Ausgestattet mit dem 3,8-Liter-Boxer aus dem 911 Carrera S mit 385 PS, versetzte der GT4 Medien und Porsche-Verkaufszentren fast augenblicklich in einen Rausch. Tausende potenzielle Kunden suchten verzweifelt nach einer Chance, einen zu ergattern. Der GT4 der Generation 981 war ein phänomenales Auto, das dem Namen Cayman einen würdigen Platz in der Porsche-GT-Ahnengalerie sicherte. Als rebellische, leichtere und wohl auch dynamischere Alternative zum schwereren 911. Doch die Frage kam fast automatisch: „Kann Porsche den GT4 noch übertreffen?“ 

Aber natürlich konnten sie das, und so kam im Juni 2019 der weiterentwickelte 718 Cayman GT4 der Generation 982 auf den Markt. Schon optisch deutete der nun auch in einer besonders aggressiven Clubsport-Version erhältliche GT4 seine größeren Ambitionen an. Aber auch in der Leistung hatte er zugelegt: Der bisherige 3,8-Liter-Sechszylinder wich einem vom 3,0-Liter des 992.1 abgeleiteten 4,0-Liter Sauger mit strammen 420 PS. Aber Porsche war damit – wie zu erwarten – noch nicht fertig. Und schob im November 2021 auf der LA Auto Show mit dem GT4 RS den ultimativen 718 Cayman ins Rampenlicht.

Schon der Blick auf unsere Fotos zeigt, wie extrem diese Top-Variante im Vergleich zu dem im Vergleich fast schon schlicht wirkenden „Serien“-GT4 ist. Fronthaube mit NACA-Lufteinlässen für optimale Bremsenkühlung, Louvers in den CfK-Kotflügeln für bessere Radhausentlüftung, mehrstufig einstellbarer Frontdiffusor, Heckflügel mit „Swan-Neck“-Anbindung für maximale Downforce, 20-Zoll-Felgen in Alu oder wahlweise Magnesium und zahlreiche Teile aus kohlefaserverstärktem Kunststoff (CfK) – die Rennsport-Gene sind unübersehbar. Der RS ist ein Auto, das ganz aus der Liebe zu Leistung und Fahrdynamik entstand. Er basiert auf dem umfangreichen Wissen und dem Erbe der Marke im Rennsport, und übersetzt beides in ein äußerst leistungsfähiges und kompaktes Paket. Es gibt Dutzende von Weltklasse-Journalisten, die Ihnen sagen werden, dass dies eines der besten, wenn nicht sogar der beste Straßen-GT ist, den Porsche seit langem gebaut hat. Aber für einen Normalsterblichen war es schon ein Erlebnis, nur in der Nähe des Autos zu stehen und meine Hüften in die mit Karbon gepolsterten Schalensitze zu stemmen, um den Grundstein für eine Fahrt zu legen, die ich so schnell nicht vergessen würde.

Der Innenraum ist jedem Porsche-Besitzer in punkto Ergonomie und Bedienführung  inzwischen mehr als vertraut. Und obwohl er angesichts der vielen gläsernen und haptischen Bedienelemente der meisten modernen Autos inzwischen etwas veraltet wirkt, fordert der GT4 RS dazu auf, das Infotainment VOR der Fahrt einzustellen, um sich dann ganz auf das Fahren konzentrieren zu können. Denn es erfordert Konzentration, um jeden Preis. 

Bei niedrigen Drehzahlen fühlt sich das Auto noch etwas zahm und sehr Cayman-ähnlich an: kultiviert und sehr vertrauenserweckend. Wenn man die Drehzahlen in den 4000- und 5000er-Bereich anhebt, bekommt der Motor mit seinen sechs Einzeldrosselklappen einen ganz anderen Klang. Durch die trichterförmigen Kohlefasereinlässe, die die seitlichen Heckscheiben ersetzen, und die in den Innenraum verlegte Airbox mit neu entwickeltem Luftfilter und silbernem GT4-RS-Schriftzug werde ich schnell daran erinnert, dass der 4,0-Liter-Motor direkt hinter mir sitzt. Das 7-Gang-PDK-Getriebe sorgt dafür, dass jeder Schaltvorgang reibungslos verläuft, zumal praktischerweise der Wählhebel geformt ist wie der Schaltknüppel eines Handschalters. Am Lenkradkranz findet sich eine gelbe 12-Uhr-Markierung; und wer besonders schnell schalten will, greift zu den schwarz lackierten Schaltpaddles. 

Erst im höheren Drehzahlbereich, bei 7000 bis 8.000 Umdrehungen pro Minute, hebt der Wagen bildlich gesprochen die Augenbraue und fordert den Fahrer geradezu dazu auf, jetzt richtig Gas zu geben. In dieser Drehzahlsphäre ist man allerdings schon unverschämt schnell unterwegs – die Nennleistung von 500 PS liegt bei 8400 U/min an – und die Umgebung flitzt an einem vorbei wie in einem mit 300 km/h dahinrasenden ICE. Der Motorsound  ist so berauschend, dass man gar nicht anders kann, als die Gänge durchzuschalten, nur um zu hören, wie aus einem leisen Rauschen das Ansauggeräusch eines F1-Autos wird, gefolgt von einem mächtigen Aufheulen im Einklang mit dem blitzschnellen Gangwechsel. Der GT4 RS klingt anders als jeder andere Porsche oder Straßenwagen, den ich je gefahren bin, und sogar Andreas Preuninger, Gesamtprojektleiter GT-Fahrzeuge, stimmt zu und behauptet, dass der Cayman GT4 RS „das bestklingende GT-Auto da draußen“ sei. Und irrwitzig schnell ist er natürlich auch noch: Laut Werksangabe 315 km/h, und aus dem Stand bis 100 km/h vergehen lediglich 3,4 Sekunden.

Bleibt die (erneute) Frage: Geht noch was über den GT4 RS hinaus? Kann Porsche noch mehr aus dem vom GT3 abgeleiteten 4,0-Liter-Motor herauskitzeln? Können sie noch mehr Abtrieb aus der Fülle von Karbonspoilern und Diffusoren herausquetschen? Die Antwort ist höchstwahrscheinlich ein „Ja“, aber im Moment wollen wir uns einfach daran erfreuen, dass dieses Auto existiert und in einer sich schnell verändernden Welt, die von Elektrifizierung und Konformität dominiert wird, auf den Markt gebracht wurde. Der Cayman GT4 RS ist ein wahrer „rebel without a cause“, mehr als jeder moderne 911 ein Gesinnungsgenosse und Blutsverwandter des Carrera 2.7 RS oder 550 Spyder. Jede Woche schreiben wir hier über „künftige Klassiker", Autos, auf die wir in 50 Jahren zurückblicken. Uns dabei an das Umfeld erinnern werden, in dem sie auf den Markt kamen. Und an den Empfang, den man ihnen bei ihrer Einführung bereitete. Jedenfalls für uns ragt der GT4 RS schon jetzt aus dem Meer beeindruckender Autos heraus. Daher meine Empfehlung: Fahren Sie dieses rasiermesserscharfe Tracktool, vergessen Sie den Wiederverkaufswert, ignorieren Sie die Gerüchte über künftige Modelle, genießen Sie einfach jeden einzelnen Moment, wenn Sie ein solches Auto besitzen. Denn eines nicht allzu fernen Tages werden wir zurückblicken und uns daran erinnern, wie gut wir es doch hatten.

Zum Schluss noch eine gute Nachricht: Wegen der zum 1. Juli 2024 in Kragt tretenden UNECE-Regeln zur Cybersecurity nimmt Porsche in der EU den 718 Cayman vorzeitig aus dem Programm. Der GT4 RS und der 718 Boxster RS sind davon ausgenommen – dazu sind ihre Stückzahlen zu gering!

Photos by Elliot Newton