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Ältester Motorradbauer der Welt Royal Enfield - der Klassiker wird 120

So sah es in den 1950er-Jahren in den Montagehallen von Royal Enfield aus.

So sah es in den 1950er-Jahren in den Montagehallen von Royal Enfield aus.

(Foto: Royal Enfield/dpa-tmn)

Die indische Motorradmarke Royal Enfield ist älter als Harley-Davidson und Triumph. Ihre Wurzeln liegen in Großbritannien. Dort entstanden im Jahr 1901 die ersten Maschinen. Einige ihrer Modelle bleiben jahrzehntelang unverändert. Royal Enfield bietet heute günstige Zweiräder mit überschaubarer Technik.

Puristische Motorräder sind beliebt, sie haben eine große Fangemeinde. Viele Hersteller legen daher in letzter Zeit wieder Zweiräder im Retro-Design auf. Anders Royal Enfield, die indische Motorradmarke baut seit 1901 Zweiräder. Einige ihrer Modelle zeigen sich über viele Jahrzehnte völlig unverändert.

Ein Blick zurück in die Anfangszeit von Royal Enfield: ein Zweizylinder-Modell von 1912.

Ein Blick zurück in die Anfangszeit von Royal Enfield: ein Zweizylinder-Modell von 1912.

(Foto: Royal Enfield/dpa-tmn)

Der indische Hersteller gilt als der älteste Motorradproduzent der Welt, der immer noch aktuelle Motorräder verkauft - wenn auch unter verschiedenen Besitzern. Harley-Davidson startete erst 1903, Triumph 1902. Ab 1891 produzierte die Enfield Manufacturing Company Limited Fahrräder und Präzisionsbauteile für die Kleinwaffenfabrik Royal Small Arms Factory in Enfield, Middlesex, sagt Gordon May. Zwei Jahre später nannte sich das Unternehmen in Royal Enfield um, so der Historiker bei Royal Enfield in Großbritannien.

Von England nach Indien

1898 entstand ein erster Prototyp eines Vierrads. 1901 folgte das erste Motorrad der Marke - mit 1,5 PS. Acht Jahre später der erste V2-Zylinder. Doch erst mit Seitenwagen wurde die Marke ab 1912 bekannt und erfolgreich, vor allem als Einsatzfahrzeug für den Ersten Weltkrieg. Die Briten produzieren etwa seit 1932 die 250er, 350er und 500er Bullet. Seit 1949 verkauft Royal Enfield seine Maschinen in Indien.

Die Bullet baut Royal Enfield seit 1932.

Die Bullet baut Royal Enfield seit 1932.

(Foto: Royal Enfield/dpa-tmn)

Die indische Armee suchte 1951 ein Motorrad für Gelände, Wüste, Berge und Straße. Dazu sollte es einfach zu reparieren sein. "Die 350er Bullet von 1948 war für die Armee perfekt, weil sie leicht, stark, robust und geländetauglich war", sagt Gordon May. "Es war das erste Serienmotorrad mit hinteren Dämpfern."

1951 bestellte die indische Armee 500 Maschinen, ein Jahr später 700 und 1953 sogar 1200 Zweiräder. Die Bullet wurde so erfolgreich, dass der Importeur Madras Motors den Typ auch an die Bevölkerung verkaufen wollte. Wegen Einfuhrbeschränkungen gründete das Unternehmen 1955 mit Royal Enfield eine neue Firma: Enfield India.

Von Indien zurück nach Europa

Die Maschine erfreute sich in Indien großer Beliebtheit und beherrschte bald das Straßenbild. Als Royal Enfield 1967 in Großbritannien pleiteging, produzierte der indische Ableger die Bullet weiter, exportierte sie ab 1977 nach Europa.

Nur mit ruhiger Hand und viel Erfahrung: Ein Mitarbeiter trägt die Linien der Tankverzierung auf.

Nur mit ruhiger Hand und viel Erfahrung: Ein Mitarbeiter trägt die Linien der Tankverzierung auf.

(Foto: Royal Enfield/dpa-tmn)

Ende der 1980er-Jahre geriet das Unternehmen in Schwierigkeiten, als japanische Motorräder den indischen Markt fluteten. Daher wurde Enfield India 1994 von der Eicher-Gruppe übernommen und nennt sich seither Royal Enfield. Seit Kurzem werden in Kooperation neue Maschinen auch in England entwickelt. Heute produziert die Marke in drei indischen Fabriken, dazu betreibt sie ein Montagewerk in Argentinien. Mittlerweile dürften mehrere Millionen Bullets und ihre Derivate produziert worden sein. Genaue Zahlen gibt es nicht.

Die Bullet zählt zum größten und stärksten Motorrad auf indischen Straßen, ist für viele ein Traumbike. "Sie repräsentiert das traditionelle Styling mit solider und unkomplizierter Technik und besitzt eine einzigartige Geschichte", sagt May. In den vergangenen Jahrzehnten habe sich das Image gewandelt: vom reinen Transportmittel zum aufstrebenden Klassiker mit einer langen Geschichte.

Klassischer Look mit aktueller Technik

"Es gibt kaum einen anderen Motorradhersteller, der eine solch lange Tradition besitzt", sagt auch Markus Biebricher von der Zeitschrift "Motorrad". Neben ihrer Geschichte bieten die Zweiräder seiner Meinung nach noch andere Vorzüge: "Maschinen von Royal Enfield zeichnen sich durch einfache und robuste Technik aus, ein Gegenpol zu den meist hoch technisierten europäischen und japanischen Maschinen."

Die Firma entwickelte nie Rennmaschinen wie Triumph oder Norton, sondern verlässliche Maschinen für den Alltag. "Royal Enfield baut Maschinen für Motorradfahrer, die ein puristisches Zweirad ohne viel Technik, Kraft und Luxus suchen", sagt Biebricher. Und: "Trotz vieler Gerüchte sind die nach Deutschland importierten Motorräder nicht besonders pannenanfällig."

Robuste Enduro: Die Himalayan ist auch auf dem deutschen Markt zu haben.

Robuste Enduro: Die Himalayan ist auch auf dem deutschen Markt zu haben.

(Foto: Royal Enfield/dpa-tmn)

Zudem sehen die in Deutschland aktuell erhältlichen Modelle Meteor, Continental GT, Interceptor und Himalayan wie historische Maschinen aus, ohne ins Retro-Design zu fallen. Sie kosten im Vergleich zu Wettbewerbern wenig und starten ab rund 4400 Euro. Rund 80 Händler in Deutschland kümmern sich um die Maschinen - falls technisch versierte Besitzer nicht selbst schrauben wollen.

Dem Motorrad-Experten gefällt neben der in Deutschland nicht mehr erhältlichen Bullet 500 die Himalaya, eine Einzylinder-Enduro mit 400 Kubikzentimeter Hubraum. "Die ist zwar langsam, schwer und besitzt wenig Leistung, ist aber nicht klein zu kriegen und fährt sich handlich", sagt Markus Biebricher. Ein Exot.

Welche Oldtimer-Modelle ganz besonders sind

Royal Enfield war auf dem europäischen Festland schon immer eine Nischenmarke, meint Frank Meißner vom Marktbeobachter Classic Analytics. "Technisch waren die Motorräder gute Massenwaren auf der Höhe ihrer Zeit, die gut funktioniert haben, aber nicht durch technische Experimente auffielen", sagt Meißner. Eine Ausnahme: eine Dieselversion der Bullet.

Klassische Linienführung: Eine Meteor 350 Fireball in Kurvenfahrt.

Klassische Linienführung: Eine Meteor 350 Fireball in Kurvenfahrt.

(Foto: Jason Critchell/Royal Enfield/dpa-tmn)

Als Ikone der Marke sieht der Klassik-Experte die 350er Bullet, eine Maschine, die seit über 70 Jahren produziert wird, aber auch die 700er Super Meteor der 1960er-Jahre. "Dieses Motorrad war zur damaligen Zeit ein echtes Superbike. Auf Klassik-Treffen sind die Maschinen immer noch Exoten, aber auch historische Royal Enfields sind außergewöhnlich", sagt Frank Meißner.

Britische Hersteller wie BSA, Norton, Triumph sind je nach Modell auf ähnlichem Wert-/Preis-Niveau wie die Royal Enfield. HRD Vincent oder Brough Superior werden bei Zweiradfans auch oft als reine Sammler- oder Spekulationsobjekte deutlich höher gehandelt. Royal Enfield bietet hingegen günstige Zweiräder mit überschaubarer Technik.

Gepflegte Maschinen aus den 1960er-Jahren wie eine Bullet 500 in wirklich gutem Zustand haben einen Marktwert von 6000 bis 8000 Euro. Für einen Klassiker einer 120 Jahre alten Motorradmarke ein überschaubarer Preis.

Quelle: ntv.de, Fabian Hoberg, dpa

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