Blogs | Netzwirtschaft :
Blogs | Netzwirtschaft: „Ebays Gebührenstruktur ändert sich fundamental"

Lesezeit: 7 Min.
Der Internet-Marktplatz Ebay will mit der weitgehendsten Reform der Unternehmensgeschichte sein zuletzt lahmendes Geschäft wieder antreiben. Deutschland-Chef Stefan Groß-Selbeck streicht die Einstellgebühr für die Standardauktion privater Verkäufer und gibt professionellen Händlern bis zu 36 Prozent Rabatt.

Ebays künftiger Vorstandsvorsitzender John Donahoe muss den Internet-Marktplatz wieder auf Wachstum trimmen. Speerspitze seiner Wachstumsstrategie ist Deutschland. Mit der radikalsten Reform der Unternehmensgeschichte will Deutschland-Chef Stefan Groß-Selbeck das Auktionsgeschäft der Privatnutzer beflügeln und gleichzeitig die professionellen Händler an den Marktplatz binden. Dafür schlachtet Groß-Selbeck gleich mehrere heilige Ebay-Kühe: Die Einstellgebühr für Privatauktionen entfällt, professionelle Händler bekommen die lange geforderten Rabatte, schlecht bewertete Händler werden auf hintere Listenplätze verbannt und das Bewertungssystem wird geändert. Im F.A.Z.-Interview erklärt Groß-Selbeck das neue Ebay, das am 20. Februar live geht. Stefan Groß-Selbeck________________________________________________________________  Herr Groß-Selbeck, worin liegt die wichtigste Änderung? Als größte Neuerung wird die Einstellgebühr für die klassische Ebay-Auktion, also die Auktion mit Startpreis ein Euro und Galeriebild, wegfallen. Diese Einstellgebühr hatten wir schon im September von 1 Euro auf 49 Cent gesenkt; das war so erfolgreich, dass wir diese Einstellgebühr für private Verkäufer jetzt ganz streichen. Die Verkaufsprovision, die bei einem erfolgreichen Verkauf fällig wird, beträgt künftig zwischen 2 und 8 Prozent des Verkaufspreises. (Ebays neues Preismodell) Das bedeutet aber, dass die Verkaufsprovision für Produkte mit niedrigen Preisen steigt? Ja, das ist richtig. Wir wissen, dass sich viele Verkäufer schwer damit tun, eine Einstellgebühr zu zahlen, auf der sie sitzen bleiben, wenn das Produkt nicht verkauft wird. Die Verkäufer sind eher bereit, eine Verkaufsprovision zu zahlen, wenn das Produkt auch erfolgreich verkauft wurde. Welchen Effekt auf die privaten Auktionen erwarten Sie? Als wir im September die Einstellgebühr auf 49 Cent gesenkt haben, hat sich das Angebot in dem Segment fast verdoppelt. Seit September haben wir jeden Monat 100000 neue Verkäufer gewonnen, die oft gleichzeitig auch Käufer sind. Diese Reaktion bestärkt uns, jetzt diesen weiteren Schritt zu gehen. Das bedeutet auch, dass sich unsere Gebührenstruktur fundamental ändert: Vom 20. Februar an wird Ebay zwei Gebührenstaffeln haben, eine für private Verkäufer und eine für gewerbliche Verkäufer. Was ändert sich für die gewerblichen Verkäufer? Wie nehmen stärker Rücksicht auf die spezifischen Situationen in einzelnen Kategorien, vor allem auf die erzielbare Marge. Ein Beispiel: Die Margen im Geschäft mit hochwertigen Produkten der Unterhaltungselektronik sind gering. Wir werden daher die Einstellgebühr und die Verkaufsprovision für diese Produkte deutlich senken. Die Einstellgebühr für Handys über 100 Euro sinkt zum Beispiel von 3,20 Euro auf 1 Euro, und die Verkaufsprovision geht von 4 auf 3 Prozent zurück. Viele Händler, die gerne auf Ebay verkaufen möchten, aber bisher von einer zu geringen Marge davon abgehalten wurden, können jetzt kommen. Davon profitieren die Anbieter von Computern, Audio, Foto, Navigationsgeräten und Haushaltsgeräten. Und was ist mit den Produkten, die hohe Margen abwerfen? Bei anderen Produktkategorien wie Möbel und Wohnung, Sport oder Spielzeug knüpfen wir die Gebühren stärker an den Verkaufserfolg. Das heißt: Die Einstellgebühr geht eher runter und die Verkaufsprovision leicht hoch. Wir wissen, dass unsere Verkäufer weniger Risiken tragen wollen, wenn Produkte nicht verkauft werden. Diesem Wunsch tragen wir mit dieser neuen Gebührenstruktur Rechnung. Es gehörte doch bisher zu Ebays Grundprinzipien, alle Verkäufer gleich zu behandeln. Warum rücken Sie jetzt davon ab? Heute sind wir der Meinung, dass es viel einfacher ist, die unterschiedlichen Bedürfnisse der verschiedenen Verkäufergruppen besser zu berücksichtigen. Es macht eben einen Unterschied, ob ein Privatmann ein Produkt verkauft, das er auf seinem Dachboden entdeckt hat, oder ob ein Händler seinen Lebensunterhalt mit dem Verkauf der Produkte verdient. Das ist ein fundamentaler Schritt für uns. Wie weit geht die Segmentierung ihrer Kunden noch? Wir führen für unsere rund 12000 Powerseller ein Prämienprogramm ein. Diese Powerseller können einen Rabatt bekommen, der von der Größe, guten Verkäuferbewertungen und der Nutzung unserer Zahldienstes Paypal abhängt. Verkäufer, die gut bewertet sind und Paypal nutzen, können bis zu 36 Prozent Rabatt auf die Verkaufsprovision bekommen. Verkäufer, die diese Kriterien nicht erfüllen, können maximal 26 Prozent Rabatt bekommen. Dieses Prämienprogramm wünschen sich unsere Powerseller seit langem von Ebay. Profitieren alle Powerseller von den Änderungen? Für fast die Hälfte der Powerseller bedeuten die Änderungen eine Reduktion der Gebühren; für eine große Gruppe bleiben die Gebühren gleich. Insgesamt sind wir aber der Meinung, unsere Powerseller damit glücklich machen zu können. Für Ebay bedeuten diese Änderungen im ersten Schritt aber einen Umsatzverlust, oder? Der Umsatz aus den Einstellgebühren geht natürlich runter. Aber wir erwarten uns natürlich mehr Wachstum des Handelsvolumens und damit auch wieder unseres Umsatzes. Diese Schritte erscheinen für Ebay-Verhältnisse geradezu revolutionär. Gelten diese Änderungen auch auf den Marktplätzen in anderen Ländern? Nein. Die Trennung zwischen gewerblichen und privaten Anbietern und der Wegfall der Einstellgebühr für private Auktionen gibt es nur in Deutschland. Ein großes Ärgernis für viele Käufer ist auch die unübersichtliche Suche. Hier wären Verbesserungen dringend nötig. Ja, die Suche haben wir auch verbessert. Bisher erhalten die Nutzer eine Liste aller Artikel, die mit dem Suchbegriff übereinstimmen. Die Reihenfolge hängt bisher von der verbleibenden Zeit bis zum Auslaufen der Auktion ab. Nun ändern wir die Standardanzeige und sortieren die Artikel nach der Relevanz. Diese Relevanz hat mehrere Kriterien: Zum einen das Verhalten, das diese Suche in den Vergangenheit ausgelöst hat. Ein Beispiel: Wer iPod eingibt, hat in der Vergangenheit neben dem eigentlichen iPod auch jede Menge Taschen, Akkus und sonstiges Zubehör zum iPod angezeigt bekommen - alles Dinge, die der Nutzer eigentlich gar nicht gesucht hat. Er will ja einen iPod. Wir haben nun analysiert, welche Produkte der Nutzer in der Vergangenheit tatsächlich gekauft hat und unsere Suche entsprechend angepasst. Wer iPod eintippt, bekommt dann auch iPods angezeigt. Daneben fließt in das Kriterium der Relevanz auch die Qualität der Verkäufer ein. Wenn also ein Verkäufer von Käufern schlecht bewertet wurde, insbesondere mit Blick auf die Angemessenheit der Versandkosten, wird er in der relevanzbasierten Suche künftig weiter unten erscheinen. Die guten Verkäufer werden mit einer guten Plazierung belohnt, die schlechten Verkäufer werden vom System schlechter behandelt und regelrecht abgestraft. Das heißt, das Geschäft der schlecht bewerteten Verkäufer geht schlagartig in den Keller? Darauf müssen sich diese Verkäufer einstellen. Und wenn sich diese Verkäufer nun bessern und angemessene Versandkosten verlangen? Haben sie eine Chance, in der Trefferliste nach oben zu rutschen, bevor ihr Geschäft weggebrochen ist? Diese Verkäufer sind nicht auf ewig dort gefangen, sie können sich wieder hocharbeiten. Es wird immer der 30-Tage Durchschnitt zugrunde gelegt. Das heißt, ein Verkäufer kann sich innerhalb eines Monats sehr deutlich verbessern und sein Ranking nachhaltig beeinflussen. Wir raten unseren Verkäufern, im Bewertungssystem einen Durchschnittswert von 3,5 oder besser zu erreichen. Ihre Verkäufer sind aber nicht über alle Änderungen glücklich. Ebay nimmt ihnen künftig die Möglichkeit, die Kunden zu bewerten. Warum dürfen Verkäufer faule Kunden nicht mehr anprangern? Das wichtigste Ziel unseres Bewertungssystems ist, dass sich ein Käufer ein gutes Bild über die Qualität des Verkäufers machen kann. Denn der Käufer geht in der Regel in Vorleistung, indem er das Geld zahlt, bevor er die Ware bekommt. Dieses Ziel ist aufgrund der so genannten Rachebewertungen in Frage gestellt worden. Es ist immer wieder vorgekommen, dass ein Verkäufer, der von einem Käufer negativ bewertet worden ist, aus Rache auch den Käufer negativ bewertet hat, was aber oftmals ungerechtfertigt war. Viele Käufer haben sich daher nicht mehr getraut, negative Bewertungen abzugeben. Diese Rachebewertungen machen wir jetzt unmöglich. Der Käufer kann künftig seine ehrliche Meinung gegenüber dem Verkäufer abgeben. Wie kann sich aber nun ein Verkäufer gegen faule Kunden wehren? Das entscheidende Kriterium lautet doch: Hat der Käufer seine Ware bezahlt? Wenn nein, gibt es etablierte Prozesse. Ebay geht dann gegen den Käufer vor und schließt ihn im Wiederholungsfall sogar aus. Viele Verkäufer kritisieren aber, Ebay behandele diese Fälle sehr langsam. Geht das künftig schneller? Wir haben unsere Strukturen angepasst und entsprechende Kapazitäten aufgebaut. Es gibt Ängste unter den Verkäufern, aber wenn wir so agieren wie geplant, dann sehen die meisten Verkäufer die Änderung des Bewertungssystems positiv. Ein Problem von Ebay ist auch immer wieder das Thema Sicherheit gewesen. Was tun Sie dagegen? Ebay wird auch vom 20. Februar an den Käuferschutz auf dem deutschen Marktplatz an die Bezahlmethode Paypal koppeln und die Deckungssumme von bislang 500 Euro auf 1000 Euro verdoppeln. Der Paypal-Käuferschutz greift, wenn der Käufer die Ware trotz Bezahlung mit Paypal nicht erhält oder sie eindeutig von der Artikelbeschreibung abweicht. In solchen Fällen erhält der Käufer sein Geld nun bis zu einer Höhe von 1000 Euro ohne jeglichen Selbstbehalt und inklusive der Versandkosten von Paypal zurück. Was passiert mit Ebay Express, ihrer Handelsplattform nur für Händler? In Großbritannien wird Ebay Express schon wieder eingestellt. Wir prüfen, inwieweit Ebay Express noch zu unserer Strategie passt. Das heißt, Ebay Express steht in Deutschland auch auf der Kippe? Wir prüfen, ob wir Ebay Express weiter betreiben oder nicht. Mehr kann ich im Moment nicht sagen. Viele Händler haben sich andere Standbeine neben Ebay gesucht, verkaufen zum Beispiel auch bei Amazon, neuen Plattformen wie Auvito oder in ihren eigenen Shops, wo sie keine Einstellengebühren zahlen müssen. Laufen ihnen die Händler weg? Nein. Aber wir beobachten seit Jahren, dass die Verkäufer nicht mehr nur bei Ebay verkaufen. Der Wettbewerb für Ebay ist in den vergangenen Jahren stärker geworden, keine Frage. Werden die Strukturveränderungen den Anteil der Festpreisangebote erhöhen? Das hatte ihr neuer Vorstandsvorsitzender gefordert. Die Balance zwischen Festpreisen und Auktionen wird sich kurzfristig nicht stark ändern. Aber der Festpreisanteil liegt inzwischen über 40 Prozent und wird tendenziell weiter wachsen. Wie ist eigentlich das Weihnachtsgeschäft gelaufen? Wir hatten im Dezember 19 Millionen Besucher auf unserer Seite und bis zu 1,8 Millionen Transaktionen am Tag. Im vergangenen Jahr haben 14,5 Millionen Menschen auf Ebay gekauft. Das ist fast die Hälfte der 30 Millionen Menschen in Deutschland, die im Internet einkaufen. Aber - ganz ehrlich - wir wollen schneller wachsen.