Backofen : Einheizer
Freiheit kann so anstrengend sein. Gerade in der Küche. Wer sich nichts sagen lässt, muss sich seine eigenen Rezepte ausdenken. Deshalb lassen wir uns nicht nur am Herd gerne leiten. Es ist so entspannend, den Befehlen derer zu folgen, die es besser wissen. Also Kochbuch aufschlagen, Rezept heraussuchen und loslegen. Köche sind Autoritäten. Im Fall eines Misserfolgs zweifeln wir eher an uns selbst als am Rezept. Nur bringt uns eine Zeile immer wieder zum Kochen: Backofen auf 180 Grad Celsius aufheizen. Und zwar nicht die Worte, sondern die Stelle, an der sie im Rezept stehen. Ein moderner Backofen ist in fünf Minuten aufgeheizt. Kein Koch der Welt schafft es nur annähernd in dieser Zeit die nächsten Schritte zu befolgen, bis Bräter, Blech oder Pfanne mit Inhalt in den Backofen geschoben werden. Das Kochbuch ist auch nicht aus den Fünfzigerjahren, als ein Backofen vielleicht noch eine halbe Stunde brauchte, um auf Touren zu kommen.
Jedenfalls macht es uns nervös, wenn das Gerät im Leerlauf vor sich hin brummt und signalisiert: Von mir aus kann’s losgehen, mach schon die Klappe auf! Dann verbreitet der Backofen unnötig Hektik. Das können wir nicht gebrauchen. Unser Vorschlag an die Rezeptschreiber: Setzt den Hinweis, Backofen auf 180 Grad Celsius vorheizen, an die Stelle, auf die der Schritt folgt: 30 Minuten im Backofen schmoren lassen. Für die Aufheizwartezeit von fünf Minuten haben wir auch einen Vorschlag: Weinflasche öffnen, dekantieren und schon mal einen Schluck trinken. Im Rezept darf gerne eine Empfehlung stehen, welche Rebsorte zu dem Gericht passt. Denn auch bei der Wahl des Weines kann die Freiheit müde machen. Wir folgen gerne dem Koch, wenn er hier einen guten Tipp hat. Damit Essen und Trinken keine Zwangsveranstaltung wird, kann ja offen bleiben, welches Weingut und welcher Jahrgang es sein soll.