Die Bacao Rhythm & Steel Band © Twitter / Bacao RSB

"Bacao Rhythm & Steel Band": Steel-Drum-Sound aus Hamburg

Stand: 09.03.2024 09:13 Uhr

Björn Wagner betreibt seit fast 20 Jahren das Label Mocambo Records. Er hat das Musikerkollektiv Mighty Mocambos gegründet, mit vielen Köpfen und vielen Einflüssen. Und dann gibt es da noch seine Bacao Rhythm & Steel Band. Hier frönt er seiner Liebe für ein ganz besonderes Instrument.

von Alexandra Friedrich, Alexandra Friedrich

Die Steel Pan oder auch Steel Drum hat einen markenten Klang und eine bemerkenswerte Geschichte. Sie kommt aus dem südamerikanischen Trinidad, damals eine britische Kolonie. Die afrikanischstämmigen Inselbewohner machten Musik, trommelten, machten Lärm - vor allem in der Karnevalszeit. Das wollten die Kolonialherren unterbinden und verboten zuerst die traditionellen Schlaginstrumente, dann die Bambusstampfrohre der Einheimischen. Die ließen sich aber nicht stumm schalten und improvisierten. Das war um 1930.

Steel Drum: Scheppernder Sound aus Ölfässern

"Sie waren rebellisch, und das wollte die Regierung unterdrücken", erklärt der Hamburger Musiker und Musikwissenschaftler Björn Wagner. "Und dann haben sie eben diese Ölfässer gefunden, weil es ein Erdölland ist und daraus ein Instrument gebaut. Irgendwann haben sie gemerkt: 'Oh, da kommt ja auch ein Ton raus' und der andere daneben sagte: 'Ich habe den Ton, und zusammen haben wir schon mal zwei Töne.'"

Diese Entstehungsgeschichte fasziniert Wagner - genauso wie der "dreckige und schepprige Sound" der Steel Drum. Mit seinem Bandprojekt "Bacao Rhythm & Steel Band" hat er gerade ein neues Album veröffentlicht. Das vierte inzwischen, und wieder scheppert die Steel Pan lauter als alle anderen Instrumente.

Die Songs auf "BRSB": Neben funky Eigenkompositionen auch Neuinterpretationen von HipHop-Smash-Hits oder Soul- und Disco-Classics.

Ein Instrument als Symbol des Widerstands

Cover "BRSB" zeigt eine Atommülltonne mit dem Schriftzug "BRSB". © Big Crown
Das neue Album "BRSB" der Bacao Rhythm & Steel Band ist bei Big Crown Records erschienen und kostet 24,99 Euro.

Wagner ist von Haus aus Gitarrist. Den Sound der Steel Drum lernte er als Student bei einem Rucksacktrip durch Südamerika kennen. Anfang der 2000er-Jahre kehrte er zurück nach Trinidad und Tobago für ein Auslandssemester. Der angehende Musikwissenschaftler wollte die Steel Drum erforschen, eigentlich nur aus der Beobachterperspektive. Seine Kommilitonen überredeten ihn aber, das Instrument selbst zu spielen und auch eines mit nach Hamburg zu nehmen.

"Ich habe mir damals diesen Gedanken gemacht: Was soll jetzt hier dieser Deutsche, der Gitarre spielt? Was soll der jetzt mit einer Steel Drum in Deutschland herum laufen?", erklärt Wagner seine anfängliche Skepsis. Er dachte über kulturelle Aneignung nach, da gab es den Begriff noch gar nicht. Wagner fragte sich: Ist es okay, als weißer Europäer dieses Instrument zu nutzen, das ein Symbol ist für den Widerstand der Kolonisierten auf Trinidad? Eine Frage, die heute von außen offenbar kaum an ihn herangetragen wird.

Wagner vermutet, dass es daran liegt, dass er nicht versucht, zu kopieren, sondern etwas Eigenständiges macht. "Also so Truppen, die eine Steel Band machen, in Hawaiihemden irgendwo hier in Deutschland auf dem Karneval spielen und dieses fröhliche Insel-Ding so nachmachen, das ist vielleicht noch was anderes."

Ein großer Spaß und eine ernst gemeinte Hommage

In der Tat: Der Sound von Bacao Rhythm & Steel Band ist etwas anderes, Eigenes. Erfrischende, überraschende Klänge, mit einem ganz speziellen Charme. Fast zu speziell, um das Album in einem Rutsch durchzuhören, aber für sich genommen machen die Songs großen Spaß. Und Spaß hatte auch Wagner von Anfang an. Die erste Single der Band: ein Gangsta-Rap-Cover: "P.I.M.P.". Im Original rappte der US-Amerikaner 50 Cent über sein dekadentes Leben als "pimp", zu Deutsch: Zuhälter.

Die Band hatte einen Heidenspaß, dem Song den Bacao-Anstrich zu verpassen: "Wir mussten uns darüber totlachen, dass diesen Song jetzt ganz andere Leute anhören. Weil er eben nicht mehr assoziiert ist mit frauenfeindlichen Texten, mit Gangsta-Rap, sondern es ist einfach diese Melodie. Und dieser Witz ist auch wichtig für uns."

Trotzdem ist es kein reines Jux-Projekt, sondern eine ernst gemeinte Hommage an die Steel Pan und an die widerständigen Menschen auf Trinidad. Deren Erfindungsreichtum inspiriert Wagner nicht nur in seiner Arbeit mit der "Bacao Rhythm & Steel Band".

Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Kultur | 09.03.2024 | 12:55 Uhr

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