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ARD-Doku „Der Menschenjäger“ Viele weitere Opfer? Ex-LKA-Chef auf den Spuren des „Göhrde-Mörders“

Von Guido Behsen | 25.03.2024, 21:24 Uhr

Fünf Morde werden dem Lüneburger Friedhofsgärtner Kurt-Werner Wichmann zugeordnet. Doch es könnten weitaus mehr Verbrechen auf sein Konto gehen, fürchtet der ehemalige LKA-Beamte Reinhard Chedor.

Es ist mehr als ein Fall, es ist eine Lebensaufgabe. Und es ist noch nicht vorbei. Der ehemalige Hamburger LKA-Chef Reinhard Chedor war Teil des sogenannten Kernteams. So hieß eine private Ermittlergruppe um den ehemaligen stellvertretenden Hamburger Polizeipräsidenten Wolfgang Sielaff, der 2017 gelang, was der Polizei knapp 30 Jahre lang nicht gelungen war.

Unter einer Garage in Lüneburg entdeckten sie die Knochen einer Frau. Es waren die Überreste von Birgit Meier, Wolfgang Sielaffs Schwester. Die Garage gehörte zum Zeitpunkt ihres Verschwindens Kurt-Werner Wichmann – dem berüchtigten „Göhrde-Mörder“.

Damit hatte das Kernteam den Nachweis erbracht, dass der Lüneburger Friedhofsgärtner, der 1989 zwei Doppelmorde in der Lüneburger Heide verübt hatte, auch für den Tod von Birgit Meier verantwortlich war. Der Fall wurde 2020 mit Matthias Brandt in der Hauptrolle verfilmt („Das Geheimnis des Totenwaldes“) und in der TV-Doku „Eiskalte Spur“ nachgezeichnet. Aber das letzte Kapitel war damit nicht geschrieben. Denn Kurt-Werner Wichmann könnte hinter weitaus mehr Verbrechen stecken als bislang vermutet.

Opfer von Vergewaltigungen berichten

Die neue ARD-Dokuserie „Der Menschenjäger“ begleitete die Ermittlungen des ehemaligen LKA-Manns Reinhard Chedor zu vielen ungelösten Fällen, die im Zusammenhang mit Kurt-Werner Wichmann stehen könnten; zum ersten Mal äußern sich dabei Frauen vor der Kamera, die Opfer von Vergewaltigungen und Bedrohungssituationen wurden – und sich sicher sind, dass es sich bei dem Täter um den „Göhrde-Mörder“ handelte.

Verschwundene junge Frauen, Vergewaltigungen, Mord. In den Jahren von 1968 bis 1986 gibt es eine Reihe von Kapitaldelikten an Frauen, die bis heute ungelöst sind. „Die Fälle ziehen sich durch die Bundesrepublik wie eine Kette des Schreckens“, berichten die Autoren Meike Pommer und Elias von Salomon von der „ARD Crime Time“. Reinhard Chedor lassen die Schicksale der vermissten und getöteten Frauen keine Ruhe. Deren Angehörige suchen bis heute nach Antworten. Sind sie womöglich bei Kurt-Werner Wichmann zu finden?  

Psychologin zeichnet Bild eines Psychopathen

Nach dem spektakulären Knochenfund hatte die Polizei das gesamte Grundstück des Friedhofsgärtners umgegraben – und stieß auf mehr als 400 Fundstücke, darunter Damenhandtaschen und Damenschuhe, die bis heute niemandem zuzuordnen sind. Reinhard Chedor überprüft seitdem, welche bis heute unaufgeklärten Mordserien mit Wichmanns Bewegungsprofil und Modus Operandi in Einklang zu bringen sind, darunter unter anderem die „Disco-Morde“ im Raum Cuxhaven, denen sieben Frauen zum Opfer fielen.

Unterstützt wird er nach Vorbild des „Kernteams“ von Kriminalisten, der „Zeit“-Redakteurin Anne Kunze und dem freien Journalisten Carlo Eggeling, die seit Jahren zu dem Komplex recherchieren. Und er greift auf die Erkenntnisse der Rechtspsychologin Silvia Gubi-Kelm zurück, die mit Studierenden der Medical School Hamburg die Psyche des „Göhrde-Mörders“ untersucht und das Bild eines psychopatischen Täters gezeichnet hat. „Ich denke nicht, dass Kurt-Werner Wichmann zu Mitleid in der Lage war“, bilanziert Kelm.

Mehr als 200 ungeklärte Taten

Insgesamt fänden sich viele Anhaltspunkte dafür, dass es sich bei Kurt-Werner Wichmann um einen regelrechten „Menschenjäger“ handelte, der bundesweit hinter zahlreichen „Cold Cases“ stecken könnte – die Liste der mit Wichmann womöglich in Verbindung stehenden Verbrechen umfasst inzwischen mehr als 200 Taten. Eine besondere Rolle kommt dabei den Frauen zu, die in der ARD-Doku zum ersten Mal ihre Erfahrungen äußern und Kurt-Werner Wichmann als Täter schildern. Sie hatten sich aufgrund vorangegangener Berichterstattungen gemeldet. 

Die Polizei glaubt zudem, dass der mordende Friedhofsgärtner bei einigen seiner Verbrechen einen Komplizen gehabt haben könnte. Der „Göhrde-Mörder“ selbst hat zur Aufklärung seiner Taten nichts beigetragen und wird es auch nicht mehr: Wichmann, geboren 1949 in Adendorf, erhängte sich 1993 in Untersuchungshaft. 

 „Der Menschenjäger – Neue Spuren des Göhrde-Mörders“ ist in der ARD Mediathek zu sehen. Eine 90-minütige TV-Fassung läuft am Mittwoch, 10. April, um 20.15 Uhr im NDR Fernsehen.