„Endlich, vielleicht, ein bisschen Gerechtigkeit erzielen“ : Vier Polizeibeamte wegen dem Mord an Hans-Jürgen Rose angezeigt

Vier Polizeibeamte wegen dem Mord an Hans-Jürgen Rose angezeigt

Pressekonferenz Recherche Zentrum, Berlin 28. März 2024 (LS)

Pressekonferenz Recherche Zentrum, Berlin 28. März 2024 (LS)
Pressekonferenz Recherche Zentrum, Berlin 28. März 2024 (LS)
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rdl

Sollten manipulierte Polizeiakten Folter und Mord an Familienvater in Dessau vertuschen? Für den 28. März lud das „Recherche Zentrum“ bezüglich des Mordes an Hans-Jürgen Rose in 1997 zu einer Pressekonferenz ins Haus der Demokratie in Berlin. Eine dort vorgestellte Expertise des forensischen Schriftanalytikers John Richard Welch legt Vertuschungen durch verantwortliche Dessauer Beamte nahe. Neue Zeugenaussagen und Gerichtsmedizinische Begutachtungen untermauern Zweifel an der bisherigen Version von Polizei und Justiz. Angehörige und UnterstützerInnen fordern eine juristische Neubewertung des dramatischen Todes.

Hans-Jürgen Rose wurde in der Nacht auf den 7. Dezember 1997 von den Beamten Thomas B. und Manfred H. in Gewahrsam genommen. In einem Nachbargebäude der eigentlichen Wache soll Hans-Jürgen Rose dann, von mehreren Polizisten massiv mit Schlagstöcken misshandelt worden sein. Dem Anschein nach wurde der Schwerverletzte anschließend in der Nähe des Polizeireviers vor dem Wohnhaus in der Wolfgangstraße 15 von Beamten im Schneematsch ablegt. Dies taten sie mutmaßlich, um die Gewalttaten zu vertuschen, denen Hans-Jürgen Rose am folgenden Tag erlag. Die Legende eines „Sturzes aus dem Fenster“ als Todesursache schließt die mit dem Fall befasste Hallenser Rechtsmedizinerin Uta Romanowski aus. Für sie spricht das Gesamtbild der tödlichen Verletzungen für „Misshandlungen“ unter anderem durch „Stockschläge“. Den „Fall Rose“ stellte Oberstaatsanwalt Christian P. in 2014 zum wiederholten Mal ein. Ein Zusammenhang mit weiteren Fällen von Polizeigewalt im selbigen Revier war für die Justiz offenbar nie zu erkennen.

Um sich dem zu widersetzen, wollen Angehörige und UnterstützerInnen Aufklärung organisieren. Am Tag der Pressekonferenz war eine 40-seitige Anzeige wegen Mordes durch vier Polizeibeamte beim Generalbundesanwalt eingereicht worden. Laut dem Bericht der Tageszeitung waren Mario N., Thomas B., Manfred H. und Udo H. beteiligt. Die Ermordung des arbeitslosen Maschinenbauingenieurs Rose 1997 wäre die erste, von drei öffentlich diskutierten Todesfällen, im Zusammenhang mit dem Revier in der Wolfgangstraße 25 um die Jahrtausendwende. Schwerste Misshandlungen, die 2002 zum Tod von Marion Bichtemann führten, und der Feuertod Oury Jallohs in 2005, deuten auf eine systematische Kultur der Polizeigewalt in Dessau-Roßlau hin. Außerdem gibt es in den verschiedenen mutmaßlichen Folter- und Mordfällen personelle Überschneidungen beziehungsweise Kontinuitäten. Der pensionierte Beamte Michael N. gab jüngst gegenüber der Tageszeitung an, es sei in den Neunzigerjahren in Dessau üblich gewesen, „in Gewahrsam genommene Menschen an Säulen im Speisesaal zu fixieren“. Ansonsten hüllt sich die Belegschaft des Reviers bisher in vorwiegend schweigsamer „Gruppenkohäsion“. Für den Angehörigen-Anwalt Sebastian Scharmer ist es „sehr naheliegend, dass Jürgen Rose auf dem Polizeirevier (…) gefoltert worden ist“.

Die aus der Initiative in Gedenken an Oury Jalloh erwachsene neue Organisation „Recherche Zentrum“, die für selbstorganisierte Aufklärung einsteht, wurde während der Pressekonferenz durch den Moderator Luke Harrow und Sprecherin Nadine Saeed vertreten. An der gut besuchten Vorstellung der neuen Belege beteiligten sich mit Iris und Diana Rose auch die Witwe und eine Tochter des Mordopfers. Iris Rose bekräftigte, dass die Initiative Recherche Zentrum ihr neuen Mut gibt. Wir „hoffen endlich etwas zu erreichen. All die Jahre wurden wir belogen, vorgehalten, auch verdächtigt“. Nachdem Iris Rose das Ziel unterstrich „endlich, vielleicht, ein bisschen Gerechtigkeit zu erzielen“, schloss sie die Pressekonferenz mit einem emotionalen, teils von Wut, teils von Misstrauen gefärbten: „ ... um zu sagen, wir haben es versucht. Für Dich“.

Hier findet ihr den Mitschnitt der Pressenkonferenz und ein kurzes Gespräch mit dem Anwalt Sebastian Scharmer, der die Familie von Hans-Jürgen Rose vertritt. LS

Ergänzende Informationen gibt es beim Recherche Zentrum - Investigativ gegen Vertuschung
Die Ermittlungsakten zum Fall befinden sich hier: Frag den Staat
Eine Zusammenfassung der Ereignisse gibt es im Kurzfilm der Recherchegruppe