Fußball

Zwei WM-Titel ohne drei Streifen Das DFB-Team hat gar nicht immer Adidas-Trikots getragen

DFB-Kapitän Berti Vogts bei der Weltmeisterschaft 1978 im Erima-Trikot.

DFB-Kapitän Berti Vogts bei der Weltmeisterschaft 1978 im Erima-Trikot.

(Foto: IMAGO/Sportfoto Rudel)

Mit dem Wechsel zu Nike endet beim Deutschen Fußball-Bund eine Ausrüster-Ära. Jahrzehntelang prägt Adidas das öffentliche Bild der DFB-Auswahl - dabei laufen Franz Beckenbauer, Fritz Walter & Co. oftmals ohne die drei Streifen auf. Auch bei ihren größten Triumphen.

Der Adidas-Abschied des Deutschen Fußball-Bundes schlägt hohe Wellen. Seit Jahrzehnten ist der Sportartikelhersteller aus Herzogenaurach untrennbar mit der Nationalmannschaft verbunden, haben sich die ikonischen drei Streifen ins kollektive Gedächtnis eingebrannt. Keine Sportart emotionalisiert in Deutschland so viele Menschen wie der Fußball, entsprechend sind die Reaktionen auf die Trennung vom vermeintlich ewigen Ausrüster umso heftiger. "Das lässt uns nicht kalt", schrieb selbst der DFB, der "jede Emotionalität" dazu verstehen könne. Sogar Vizekanzler Robert Habeck kritisierte den Wechsel zu Nike im Jahr 2027 ausdrücklich, denn: "Ich kann mir das deutsche Trikot ohne die drei Streifen kaum vorstellen."

Dabei zeigt der Blick in die deutsche Fußball-Vergangenheit, dass die Männer des DFB keineswegs immer in Adidas-Trikots aufliefen. Zwar endet "eine Partnerschaft, die von vielen besonderen Momenten geprägt war und ist, nach mehr als 70 Jahren", wie der größte Einzelsportverband der Welt mitteilt. Doch die Trikots waren lange gar kein Teil dieser Partnerschaft.

Nur zwei von vier Weltmeistertiteln wurde in Adidas-Leibchen errungen, die Bilder von Mario Götzes Siegtreffer 2014 dürften viele noch vor Augen haben: Wie er den Ball artistisch annimmt und mit dem linken Fuß verwandelt, dann jubelnd abdreht. Mit drei Streifen auf den Ärmeln, der Brust und den Hosen. So wie der jüngst verstorbene Andi Brehme auch sein entscheidendes Tor 1990 feierte. 1974 und 1954 jedoch erspielten sich die DFB-Kicker ihre WM-Triumphe in den Erzeugnissen anderer Marken.

Beckenbauer jubelt nach dem WM-Finale 1974 im Erima-Trikot

Beim legendären Finale von 1954, dem zur "eigentlichen Geburtsstunde der Bundesrepublik Deutschland" verklärten "Wunder von Bern", schraubte Adidas-Gründer Adi Dassler zwar selbst die Stollen an die Schuhe - auf denen auch die drei Streifen zu sehen sind. Das Zitat "Adi, stoll' auf" von Bundestrainer Sepp Herberger, dessen Elf anschließend auf dem tiefen Rasen im Wankdorfstadion aus einem 0:2-Rückstand einen 3:2-Sieg macht, ist ikonisch. Die weißen Trikots mit dem Schnürkragen jedoch kamen nicht aus Herzogenaurach - sondern aus Pfullingen. Dort hatte die Firma G. & A. Leuze ihren Sitz: Fritz Walter, Helmut Rahn, Toni Turek und Co. trugen Trikots der längst nicht mehr existierenden Marke Leuzela.

20 Jahre später triumphierte die Auswahl um Kapitän Franz Beckenbauer und Wunderstürmer Gerd Müller im Olympiastadion von München, das ebenfalls bei der WM 1974 entstandene "Daumen hoch"-Bild von Bundestrainer Helmut Schön in seiner hellblauen Adidas-Trainingsjacke dürfte vielen Fußballfans wohlbekannt sein. Die Spielkleidung jedoch stammte von einer anderen deutschen Firma: Erima. "Bei einem der glorreichsten Triumphe der deutschen Sportgeschichte ist Erima 'hautnah' mit dabei", schreibt die nach ihrem langjährigen Eigentümer Erich Mak benannte Firma stolz auf ihrer Webseite, denn: "Die deutsche Nationalmannschaft [...] gewinnt die Heim-WM in den Trikots, Hosen und Stutzen des schwäbischen Traditionsunternehmens." Bei der WM 1970 um das legendäre "Jahrhundertspiel" gegen Italien lieferte der britische Ausstatter Umbro die Trikots.

adidas-erima.JPG

(Foto: Screenshot: Erima.de)

Angesichts der beinahe symbiotischen Beziehung zwischen DFB und Adidas überraschende Fakten. Auf Trikots, Hosen und Stutzen sind allerdings lange überhaupt keine Markenlogos zu sehen, weswegen es nicht groß auffällt. Beim Blick in die Foto-Archive deutet vieles darauf hin, dass die (west-)deutschen Kicker bei der Weltmeisterschaft 1978 in Argentinien erstmals einen Hinweis auf den Hersteller auf dem Trikot tragen. Bilder von der Schmach von Cordoba, dem 2:3 gegen Österreich, zeigen die Elf um Kapitän Berti Vogts vor Anpfiff in weißen Adidas-Trainingsjacken - und im Spiel dann mit dem Erima-Logo auf der Brust. Adidas hatte Erima zwei Jahre zuvor als hundertprozentige Tochterfirma übernommen, was die Traditionsmarke bis 2005 auch blieb.

In Adidas-Trikots läuft die DFB-Elf indes erst seit der Europameisterschaft 1980 in Italien auf, seit dem Finale, um genau zu sein. Horst Hrubesch trug bei seinem Doppelpack zum 2:1-Triumph über Belgien in Rom drei Streifen auf den Ärmeln. Wenige Tage zuvor hatte die Auswahl von Bundestrainer Jupp Derwall die Vorrundenpartien gegen die Tschechoslowakei, die Niederlande und Griechenland noch in Erima-Trikots bestritten. Bei der Weltmeisterschaft 1982 in Spanien dann liefen Kapitän Karl-Heinz Rummenigge und seine Mitspieler nicht nur mit drei Streifen auf Ärmel und Stutzen auf, sondern auch mit dem Adidas-Logo auf der Brust und dem Oberschenkel. Seitdem ist das Markenzeichen des fränkischen Weltkonzerns stets präsent auf der DFB-Spielkleidung.

Nike feiert den Sieg über Adidas

Die deutschen Trikots zur Heim-EM 2024 werden nun jedoch aller Voraussicht nach und bis auf Weiteres die vorletzten sein, auf denen das Adidas-Logo zu finden ist. Nach der WM 2026 endet diese außergewöhnliche Partnerschaft - die sich anknüpfend an Adi Dasslers "Aufstollen" vor dem Wunder von Bern übrigens lange Zeit in erster Linie auf das Schuhwerk konzentrierte. An den Füßen der besten Fußballer des Landes waren bei Länderspielen bis in die 2000er-Jahre hinein fast ausschließlich drei Streifen zu sehen.

Selbst Lothar Matthäus, dessen Eltern bei Puma arbeiteten und der sich ob seiner Nähe zu Firmengründer Rudolf Dassler einmal als dessen "dritter Sohn" bezeichnete, musste sich bei Länderspielen der Adidas-Pflicht beugen. Wenn auch angeblich manchmal nur in der Form, dass die Puma-Treter "umdekoriert" wurden, um zumindest nach Adidas auszusehen. Erst 2006 wurde die Regel gekippt, seitdem gilt freie Schuhwahl.

Mehr zum Thema

Trotz all dieser kleinen und großen Abweichungen ist eine Kontinuität unübersehbar. Vom WM-Finale 1954, dem Gründungsmythos bundesdeutscher Fußballauswahlen, bis heute. Adidas ist eine Konstante in der DFB-Geschichte, mit der der schwer angeschlagene Verband bricht, indem er 2027 zu dessen größtem Konkurrenten Nike wechselt. Nike-Boss John Donahoe feierte dies als "großartigen Beweis dafür, dass uns niemand schlagen kann, wenn wir unser Bestes bringen". Der DFB führte vor allem wirtschaftliche Gründe an, betonte sogar explizit, der Wechsel sei "das Ergebnis einer transparenten und diskriminierungsfreien Ausschreibung" - als gäbe es dazu eine Alternative. Am DFB-Campus in Frankfurt am Main scheinen sie sich also der Tragweite bewusst zu sein. Adidas dagegen wurde laut t-online.de von der Nachricht überrascht.

Die Trennung mit Anlauf, immerhin stehen bis Vertragsende noch eine Heim-EM und eine WM an, dürfte also noch länger Thema sein. Schon allein, weil jeder Nike-Designvorschlag sich an den ikonischen Trikots der Ära Adidas messen lassen muss. Wobei zur Legendenbildung in erster Linie immer noch das sportliche Abschneiden beträgt - und dazu kann der Ausrüster für gewöhnlich kaum etwas beitragen. Auch wenn die deutschen Fußballer ihr Quartier bei der Europameisterschaft in diesem Sommer ausgerechnet in Herzogenaurach aufschlagen. Am Firmensitz von Adidas.

Quelle: ntv.de

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen