Die Höhle der Löwen „Fehlender Blickkontakt bei Videokonferenzen hat gravierende Nachteile“

Das Start-up Casablanca in der Vox-Sendung „Die Höhle der Löwen“. Quelle: RTL, Bernd-Michael Maurer

Das Pforzheimer Start-up Casablanca um den KI-Experten Carsten Kraus will Videokonferenzen authentischer machen. Blieb es beim Deal mit Carsten Maschmeyer?

  • Teilen per:
  • Teilen per:

„Schau mir in die Augen, Kleines“, lautet das berühmteste Zitat aus dem Film, nach dem sich Casablanca.AI benannt hat. Das Pforzheimer Start-up korrigiert mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz (KI) das Bild von Webcams, damit man bei Zoom oder Teams nicht mehr aneinander vorbeiguckt: Kopf und Blick werden dazu digital zentriert. Hauptgesellschafter des Unternehmens ist der Seriengründer, Investor und KI-Experte Carsten Kraus. Für Casablanca hat er sich mit Markus Vollmer einen kaufmännischen und mit Ivan Alles einen technisch versierten Mitgründer gesucht.

In der neuen Staffel der Vox-Sendung „Die Höhle der Löwen“ hoffte das Trio auf ein Investment von 500.000 Euro – und wollte dafür fünf Prozent der Firmenanteile abgeben. Mit Carsten Maschmeyer einigten sich die Gründer nach einigem Hin und Her auf 7,5 Prozent und einen variablen Anteil. Im Interview berichtet Kraus, was nach der Aufzeichnung aus der Vereinbarung geworden ist – und wie das Start-up sich gegen Techkonzerne behaupten will.

WirtschaftsWoche: Herr Kraus, als Business Angel investieren Sie selbst in Start-ups – jetzt standen Sie als Gründer in „Die Höhle der Löwen“. Haben die Investoren dort die Fragen gestellt, die Sie auch gehabt hätten?
Carsten Kraus: Ja, prinzipiell sind dort die normalen Investorenfragen gestellt worden – möglicherweise ein bisschen für das Fernsehen optimiert. Ich persönlich frage bei Start-ups allerdings viel mehr nach der Technologie, weil ich das am besten bewerten kann. Mir ist wichtig, dass Gründer technologisch ein Alleinstellungsmerkmal haben. Wenn es keinen Schutzwall gegen Konkurrenten gibt, ist die Bewertung einer Firma natürlich signifikant niedriger.

Bei Casablanca können Sie auf Patente verweisen – und haben die Bewertung direkt sehr hoch angesetzt. Carsten Maschmeyer wollte nach einigen Verhandlungen tatsächlich investieren. Ist daraus etwas geworden?
Nein, im Detail sind wir uns hinterher leider nicht einig geworden. Das ist sehr schade, wir sind auf persönlicher Ebene gut miteinander ausgekommen und ich hätte gern mit ihm zusammengearbeitet.

Warum wollten Sie überhaupt einen der „Löwen“ ins Unternehmen holen? Geld und Erfahrung bringen Sie doch selbst ins Unternehmen ein.
Wir wollen grundsätzlich ein paar relevante Business Angels mit an Bord nehmen, die uns beim Vertrieb und bei der Internationalisierung nach vorne bringen können. Da hätte Carsten Maschmeyer sehr gut gepasst. Für mich ist Casablanca zwar schon die zwölfte Gründung, aber alle Unternehmen vorher hatten immer relativ spitze Zielgruppen. Casablanca dagegen richtet sich an alle, die täglich Videocalls haben. Rund 550 Millionen Menschen weltweit. Da braucht man andere Vertriebsstrategien.

Eines Ihrer Unternehmen, Fact-Finder, haben Sie verkauft, um Casablanca aufzubauen. Wie kam es dazu?
Als die Coronapandemie anfing, hatte ich noch mehr Videocalls als sonst. Ich empfand es als störend, dass man sich dabei nicht richtig ansieht. Gleichzeitig kamen neue KI-Ansätze auf, die es erlauben, Videos zu verarbeiten. Der Gedanke, diese für Videokonferenzen zu nutzen, ging mir nicht mehr aus dem Kopf. Also habe ich für die Grundidee ein Patent angemeldet, die vorhergehende Firma verkauft und Casablanca gegründet.

Sie geben an, bisher rund zwei Millionen Euro in Casablanca gesteckt zu haben. Wird Ihnen da nicht manchmal mulmig?
Nein, ich bin überzeugt davon, dass Casablanca sehr groß werden kann. Die Risiken nehme ich in Kauf. Ich war schon immer Tüftler und Unternehmer. Ich habe viel mehr Spaß daran, an Innovationen zu arbeiten, als eine Softwarefirma mit 160 Leuten zu führen.

Die Software ist immer noch in einer Testphase. Wie wollen Sie damit Geld verdienen?
Uns geht es aktuell erst einmal darum, die Software unter Einzelnutzern bekannt zu machen. Geld wollen wir mit Unternehmenslizenzen verdienen. Wir werden mit einem Tarif von sieben Euro pro Monat und Nutzer an den Markt gehen. Interessenten auf Unternehmensseite gibt es schon einige, aber wir wollen die Software noch optimieren.

Wo sehen Sie denn noch Weiterentwicklungsbedarf?
Bislang muss man die Software händisch kalibrieren, wenn man sie an einem neuen Arbeitsplatz nutzt. Ohne Übung braucht man dafür ein, zwei Minuten. Das ist für die meisten Unternehmenskunden zu aufwendig. Deswegen arbeiten unsere Forscher an einer automatischen Kalibrierung. Außerdem verbessern wir unsere Modelle noch, um die Auflösung zu erhöhen und die Geschwindigkeit noch weiter zu steigern. Derzeit braucht man noch einen aktuellen Pentium oder Mac, später wollen wir auch auf älteren Rechnern ruckelfrei laufen.

Wie wollen Sie Unternehmen vom Mehrwert überzeugen?
Die Forschung zeigt, dass der fehlende Blickkontakt bei Videokonferenzen gravierende Nachteile hat. Es geht ein großer Teil der nonverbalen Kommunikation verloren. Und es fällt schwer, Vertrauen zueinander aufzubauen, wenn man die ganze Zeit aneinander vorbeischaut. Den Vertrieb und das Recruiting kann die Software ganz deutlich nach vorne bringen. Aber es werden auch interne Meetings produktiver, wenn man Blickkontakt zu seinen Kollegen hat.

An der Korrektur der Augenposition arbeiten auch große Techkonzerne. Darunter Apple, Microsoft und Nvidia. Deren Lösungen sind zum Teil schon kostenlos nutzbar. Wie wollen Sie mit Ihrem Start-up dagegen ankommen?
Andere Lösungen wirken oft sehr unnatürlich, weil die Software nur die Augen dreht. Wir sind die einzigen, die den ganzen Kopf drehen. Ich halte unseren technologischen Vorsprung für riesig, obwohl die Techkonzerne zur selben Zeit mit der Entwicklung angefangen haben. Für die ist das aber ein Nebenschauplatz, weil der Markt nur ein paar Milliarden Euro umfasst.

Wie viele Mitarbeiter haben Sie?
Wir sind aktuell 17 im Team, davon sind fünf Forscher und zwei Entwickler. Das sind allesamt Topleute, die sich gegenseitig motivieren – und auch nicht sofort weg sind, wenn sie anderswo ein Angebot mit doppeltem Gehalt bekommen. Außerdem haben wir noch Kollegen in der Ukraine, die mit Produkttests befasst sind. Die testen, wie die Software auf verschiedensten Computern läuft. Es ist wichtig für die Akzeptanz, dass das Produkt auf möglichst vielen Rechnern reibungslos funktioniert.

Heidelberger Druck Die fatalen Entscheidungen des CEO

Ende Juni wird der bisherige Chef Ludwin Monz seinen Posten bei Heidelberger Druck räumen. Nun werden seltsame Beraterverträge mit McKinsey publik.

Entgeltumwandlung Lohnt sich betriebliche Altersvorsorge?

Einen Teil des Gehalts für betrieblich Altersvorsorge einsetzen: Rechnet sich das? Und: Geht es auch mit Aktien? Eine Fallanalyse.

Immobilieninvestments Lohnt sich eine zweite Immobilie als Kapitalanlage?

Einer Leserin wird eine Wohnung zu einem günstigen Preis angeboten. Das nötige Geld besitzt sie – aber auch schon eine andere Wohnung als Kapitalanlage. Wie viele Immobilien sind vernünftig?

 Weitere Plus-Artikel lesen Sie hier

Und wie schätzen Sie die gesellschaftliche Akzeptanz ein? Aktuell diskutiert man viel über die Gefahren von sogenannten Deepfakes.
Ich sehe auch die Gefahren von KI-Werkzeugen – vor allem, wenn Despoten sie für ihre Zwecke nutzen. Bei Casablanca verändern wir zwar technisch das Bild, aber es geht nicht um einen Fake. Im Gegenteil: Wir korrigieren die Verfälschung des normalen Kamerabilds, die der typischen Position am oberen Bildschirmrand geschuldet ist. Uns geht es um möglichst authentische Videokonferenzen. Wenn jemand vom Bildschirm wegguckt, wird unsere Software das in der Standardversion auch nicht korrigieren.

Lesen Sie auch: Mit diesen Kniffen werden Meetings endlich erträglich

Hinweis: Dieser Artikel erschien erstmals am 9. April 2024 bei der WirtschaftsWoche. Wir zeigen ihn aufgrund des hohen Leserinteresses erneut.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%