Als Togo Heihachiro (1848–1934) im Jahr 1903 zum Oberbefehlshaber der Vereinigten Flotte des Kaiserreichs Japan ernannt wurde, begründete der Premierminister dies mit den Worten: „Er besitzt sehr viel Persönlichkeit und ist als ein Mann mit viel Glück bekannt.“ Beides sollte Togo nur wenige Jahre später ausgiebig unter Beweis stellen.
Der Sohn eines Samurai gehörte zu jener Generation, die die Meiji-Restauration in Japan vorantrieb. Die hatte sich Kaiser Mutsuhito auf die Fahnen geschrieben, nachdem ein amerikanisches Geschwader 1853 die Jahrhunderte lange Selbstisolation des Landes brüsk beendet hatte. Um Anschluss an die Moderne zu gewinnen, wurde ein umfassender Reformprozess in Gang gebracht, der auch Armee und Marine auf den neuesten Stand bringen sollte.
Dabei wollte Togo nicht auf der Seite der Traditionalisten stehen, die das Reich zeitweilig in einen Bürgerkrieg stürzten. 1869 trat er in die Marineschule in Tokio ein, zwei Jahre später wurde er als Kadett zur Weiterbildung nach England geschickt, wo er auf einem Segelschulschiff 1873 an einer Weltumseglung teilnahm. Anschließend studierte er in Cambridge Mathematik und am Marinecollege in Greenwich Schiffsingenieurwesen.
Als Kommandant von Kriegsschiffen, in Stäben und Verwaltungen stieg er innerhalb von zehn Jahren vom Leutnant zum Kapitän eines der modernsten Panzerschiffe auf, mit dem er im Japanisch-Chinesischen Krieg (1894–95) zu einer „Persönlichkeit“ wurde, der man 1903 die wachsende Flotte des Reiches meinte anvertrauen zu können. Was das bedeutete, wurde bereits im folgenden Februar klar. Japan wagte es, mit Russland einer europäischen Großmacht den Krieg zu erklären. Denn beide Mächte konkurrierten um Einflusszonen in der Mandschurei und in China.
Auf dem Papier war das ein höchst ungleicher Kampf. Für einen Sieg brauche er nur zwei russische Soldaten gegen jeweils drei japanische, erklärte der Kriegsminister des Zaren, Alexei Kuropatkin, großspurig. Aber so einfach war es nicht. Der Nachschub für die zarische Fernost-Armee musste über die eingleisige und nicht ganz fertiggestellte Transsibirische Eisenbahn transportiert werden. Und die Geschwader der russischen Marine in Wladiwostok und Port Arthur waren nicht nur quantitativ, sondern auch qualitativ deutlich unterlegen. Denn Japan hatte auf englischen Werften – nicht zuletzt nach der Expertise Togos – modernste Kriegsschiffe bauen lassen.
Die Regierung des Tenno wies Togo eine Schlüsselrolle zu. Noch vor der Kriegserklärung am 10. Februar 1904 sollte er die russische Flotte in Port Arthur (Dalian) ausschalten, was am 8./9. mit einem Nachtangriff durch Torpedoboote und am Tag darauf mit Großkampfschiffen gelang. Im August konnte Togo den Durchbruch der verbliebenen russischen Schiffe nach Wladiwostok vereiteln.
Um die schweren Verluste auszugleichen und das belagerte Port Arthur zu entsetzen, befahl die russische Führung der baltischen Flotte eine Fahrt um die halbe Welt. Admiral Sinowi Roschestwenski wurde zum Befehlshaber des neu gebildeten „2. Pazifischen Geschwaders“ ernannt, das auf der Ostsee zusammengezogen wurde. In aller Eile wurden vier noch im Bau befindliche Schlachtschiffe fertiggestellt, daneben zahlreiche ältere Großkampfschiffe und Panzerkreuzer nachgerüstet. Die Ausbildung der Mannschaften wurde demgegenüber zurückgestellt.
Während diese größeren dieser Schiffe den Weg um das Kap der Guten Hoffnung nahmen, wurde ein „3. Pazifisches Geschwader“ auch mit Schiffen aus dem Schwarzen Meer zusammengestellt. Es handelte sich um eine Ansammlung antiquierter Einheiten, die von den eigenen Mannschaften auf Spottnamen wie „Selbstversenker“ oder „Blechtopf“ getauft wurden. Sie sollten mit den kleineren Einheiten aus der Ostsee den Weg durch den Suezkanal nehmen und vor Ceylon zu Roschestwenski stoßen.
Als sich diese zusammengewürftelte Flotte, die nie im Verband geübt hatte, Ende Mai 1905 der Insel Tsushima im Japanischen Meer näherte, waren ihre Schiffe schon reparaturbedürftig und die Moral ihrer Mannschaften am Boden. Denn inzwischen war wegen der schweren Niederlage zu Lande in Russland eine Revolution ausgebrochen, die Nikolaus II. nur mit Mühe und Gewalt unter Kontrolle bringen konnte. Außerdem hatte die Kapitulation von Port Arthur das ganze Unternehmen längst nutzlos gemacht. Roschestwenski blieb nur noch, seine Schiffe irgendwie bis nach Wladiwostok zu bringen.
Um das zu verhindern, entwickelte Togo einen einfachen wie effektiven Plan. Er setzte auf die überlegene Geschwindigkeit seiner Schiffe und die gute Ausbildung seiner Kanoniere. Er wollte die japanische Flotte in günstiger Feuerposition zu den Russen bringen und konzentriertes Artilleriefeuer auf einzelne Einheiten eröffnen.
Am 27. Mai entdeckten seine Kreuzer die russische Armada, die sich wegen der „Selbstversenker“ nur langsam durch die Tsushima-Straße nach Norden bewegte. Gegen Mittag hatte Togo seine Schlachtschiffe herangeführt. Mehrmals gelang es ihm, Roschestwenski das „T“ zu ziehen, wie man das im Marinejargon nannte: Die japanischen Schiffe feuerten ihre Breitseiten ab, während die Russen im 90-Grad-Winkel auf sie zuhielten und daher nur ihre Buggeschütze einsetzen konnten. Vier russische Schlachtschiffe sanken, ein fünftes wurde schwer beschädigt.
In der Nacht dezimierten die japanischen Torpedoboote die Flotte des Zaren weiter, der am nächsten Tag nur die Kapitulation blieb. Von 36 russischen Schiffen wurden 21 versenkt, sieben zumeist schwer getroffene ergaben sich, die Verluste betrugen 5000 Tote und 6000 Gefangene – gegenüber 116 gefallenen Japanern. Drei Torpedoboote konnten sich nach Wladiwostok durchschlagen, andere wurden in neutralen Häfen interniert. Drei Kreuzern gelang die Flucht zu den Philippinen, darunter der „Aurora“, die zwölf Jahre später eine Rolle in der Oktoberrevolution spielen sollte.
Im Frieden von Portsmouth (New Hampshire) musste Russland auf Port Arthur und seinen Einfluss in Korea verzichten. Vor allem aber musste nicht nur das Zarenreich akzeptieren, dass mit Japan ein asiatisches Land in den Kreis der Großmächte eingetreten war.
Unter den zahlreichen Ehrungen, die Togo zuteil wurden, war der britische Order of Merit, die Ernennung zum Großadmiral und die Berufung zum Prinzenerzieher. Und er bewies, dass er ein Mann „mit viel Glück“ war. Nur wenige Stunden, nachdem er am 11. September 1905 sein Flaggschiff, das Schlachtschiff „Mikasa“, verlassen hatte, brach dort ein Brand aus, der zur Explosion einer Munitionskammer führte. 590 Besatzungsmitglieder fanden den Tod.
Dieser Artikel wurde erstmals im Mai 2022 publiziert.