2500 unterschiedliche Figuren: Modellbauer baut Deutschlands erstes Autorennen

Figur neben Figur, jede sieht anders aus: 2500 Menschen der Kaiserzeit im Maßstab 1:87 stehen und sitzen in dem Diorama

Figur neben Figur, jede sieht anders aus: 2500 Menschen der Kaiserzeit im Maßstab 1:87 stehen und sitzen in dem Diorama

Foto: Joachim Storch

2500 einzeln bemalte Figuren! Der Kaiser, der deutsche Hochadel, berühmte Rennfahrer! Ein Tribüne im Stil eines römischen Circus!

In zweieinhalb Jahren Kleinstarbeit haben Modellbauer Udo Schlemmer aus Oberursel und Museumsbesitzer Dieter Dressel aus Bad Homburg das 1:87-Diorama gebaut.

Die Tribüne in einer Originalaufnahme von 1904

Die Tribüne in einer Originalaufnahme von 1904

Foto: Joachim Storch

Das Modell zeigt das erste und bis heute besucherstärkste Autorennen Deutschlands. Den Gordon-Bennett-Cup, der 1904 von Bad Homburg durch den hessischen Taunus ging. Eine Million Zuschauer standen damals an der Strecke, die meisten davon hatten bis dahin noch nie ein Auto gesehen.

Echte Tribüne stand nur drei Tage und kostete soviel wie damals ein Krankenhaus-Neubau

Und die tollkühnen Kerle in ihren Kisten schossen mit 140 km/h über die Landstraßen an den Menschenmassen vorbei. Die Wege mussten extra staubversiegelt werden – dafür ließ der Kaiser aus Berlin Dutzende Straßenreinigungsmaschinen in den Taunus schaffen, um damit einen Ölfilm auf die Straßen zu gießen.

Kleinstarbeit: Kaiser Wilhelm II. neben seinem ersten Auto

Kleinstarbeit: Kaiser Wilhelm II. neben seinem ersten Auto

Foto: Joachim Storch

Absoluter Gigantismus der Kaiserzeit: Die Tribüne ließ Wilhelm II. (1859–1941) direkt neben das von ihm wiederaufgebaute Römerkastell Saalburg stellen – für nur drei Tage. Sie kostete wohl 300.000 Goldmark, so viel wie ein Kreiskrankenhaus-Neubau in dieser Zeit. Danach wurde alles wieder abgerissen.

Modellbauer Udo Schlemmer aus Oberursel und Museumsbesitzer Dieter Dressel aus Bad Homburg an dem Diorama der Renn-Tribüne. Links das Römerkastell Saalburg

Modellbauer Udo Schlemmer aus Oberursel und Museumsbesitzer Dieter Dressel aus Bad Homburg an dem Diorama der Renn-Tribüne. Links das Römerkastell Saalburg

Foto: Joachim Storch

Das Modell ist eine exakte Rekonstruktion, reine Maßarbeit. Schlemmer: „Anhand der originalen Pläne aus der Bauakte von 1904, die wir im Saalburg Archiv entdeckt haben.“

Acht Minuten brauchte die Malerin pro Figur

Mehr als 2000 Figuren hat Schlemmer von einer ehemaligen Höchster-Porzellan-Malerin einzeln bemalen lassen: „Acht Minuten brauchte sie pro Figur“. Jedes Autos ist eine Sonderanfertigung.

Exakt nachgebaute historische Szenen in 1:87

Exakt nachgebaute historische Szenen in 1:87

Foto: Joachim Storch

Hingucker sind die originalen Szenen aus alten Fotos, die damals um die Welt gingen. Schlemmer: „Die Siegerszene mit dem kleinen Jungen auf der Motorhaube in der Mitte der Tribüne, der die französische Flagge in der Hand hält.“ Oder die geschichtsträchtige Szene mit der Limousine des Kaisers.

Heinrich von Preußen (1862–1929), der Bruder von Wilhelm II., sitzt im Biergarten neben der Tribüne. Auf den Tischen stehen im Modell die kleinsten Bierkrüge mit Henkel der Welt

Heinrich von Preußen (1862–1929), der Bruder von Wilhelm II., sitzt im Biergarten neben der Tribüne. Auf den Tischen stehen im Modell die kleinsten Bierkrüge mit Henkel der Welt

Foto: Joachim Storch

Dressel: „Am 17. Juni 1904, am Renntag, präsentierte der Kaiser sein erstes Auto.“ Einen Mercedes 28/32 PS mit einer Karosserie von Hooper aus London. Den Aufbau hat er bei seinem Onkel King Edward VII. (1841–1910) im britischen Königshaus gesehen.

Das Diorama ist ab sofort in der Ausstellung „120 Jahre Gordon-Bennett-Rennen“ in der Central Garage im hessischen Bad Homburg zu sehen. Eintritt kostenlos.

Siegerszene: Léon Théry (1879-1909) auf einem Richard-Brasier-Rennwagen steht mitten vor der Tribüne. Ein kleiner Junge wedelt mit der französischen Fahne. Der Kaiser verweigert Théry den Handschlag

Siegerszene: Léon Théry (1879-1909) auf einem Richard-Brasier-Rennwagen steht mitten vor der Tribüne. Ein kleiner Junge wedelt mit der französischen Fahne. Der Kaiser verweigert Théry den Handschlag

Foto: Joachim Storch

Wie viel das tischtennisplattengroße Diorama gekostet hat, will Auftraggeber Dressel nicht verraten. Doch allein die Einzelanfertigung zweier goldfarbenen Germanias und zweier kaiserlicher Adler auf dem Zieldurchfahrtbogen haben knapp 500 Euro gekostet.

Für Dressel ist es das wert. Er sagt: „Mich hat das Rennen seit Jahrzehnten fasziniert, man sieht die Tribüne auf alten Fotografien und Filmen. Aber um zu begreifen, was für eine Meisterleistung dieser Rennzirkus mit der riesigen Tribüne war, braucht es dieses Diorama.“

Fehler im Artikel gefunden? Jetzt melden.