Zwei sehr ungleiche Angeklagte sitzen am Freitagmorgen vor Richterin Julia Noack und Schöffen am Grazer Straflandesgericht: Der Erstangeklagte, ein scheinbar selbstbewusster Mittfünfziger, ist studierter Verfahrenstechniker, der im Laufe der Verhandlung immer wieder begeistert chemische Prozesse erklärt. Der andere, ein drei Jahre jüngerer gebürtiger Rumäne, der bei seiner Einvernahme von einer Dolmetscherin unterstützt wird und immer wieder zerknirscht betont: "Ich sage immer die Wahrheit."

Außenaufnahme des Straflandesgerichts in Graz.
Außenaufnahme des Straflandesgerichts in Graz.
APA/HANS KLAUS TECHT

Die beiden haben, soweit sind sie geständig, jahrelang zusammengearbeitet. Der Erstangeklagte, der im Sommer des Vorjahres medial als "Breaking Bad"-Burschenschafter bekannt wurde, soll laut Anklage Crystal Meth und Mephedron hergestellt und verkauft haben. Sein Komplize soll ihm beim Verkauf geholfen haben und auf seinen Namen eine Wohnung für den mittlerweile aus seiner Burschenschaft und der FPÖ ausgeschlossenen Erstangeklagten angemietet haben. Zudem habe er Pakete mit Laborbedarf und Ausgangsstoffen entgegengenommen.

Zu Herstellung und Verkauf sind beide Männer geständig, der Erstangeklagte, der vom seit Jahren auch für die FPÖ tätigen Anwalt Bernhard Lehofer vertreten wird, bestreitet aber die von der Staatsanwaltschaft vorgeworfene Menge. Es sei viel weniger gewesen. Der Bruder des Erstangeklagten, den Zeugen den "Koch" nannten, weil er in seinem Geheimlabor in Graz Drogen "kochte", ist – wie berichtet – ein hochrangiger FPÖ-Politiker.

Suchtkrank und vorbestraft

Beide Angeklagten haben bereits Vorstrafen. Der Erstangeklagte erst aus dem Jahr 2021 wegen Suchtgifthandels und unerlaubten Umgangs mit Drogenausgangsstoffen. Er setzte seine Labortätigkeit bald darauf in der neuen Wohnung fort. Er sei eben schwer suchtkrank, begründet das sein Anwalt, und wollte nicht "in den Stadtpark gehen, sondern das mit seinen Fähigkeiten selbst herstellen". Auch von einer Verurteilung nach dem Waffengesetz will der Erstangeklagte erzählen: "Da ging es um zwei Bundesheerpatronen …", beginnt er. "Keine Details!", wird er von Anwalt Lehofer jäh unterbrochen.

Der "Koch" gibt bei seiner Einvernahme an, er arbeite als geringfügig Beschäftigter für eine Firma für doppelwandige Gläser. "So etwas gibt es in Graz?", will Richterin Noack wissen. "Ja", sagte der Angeklagte auskunftsfreudig, "da bleibt der Kaffee länger warm." Geschäftsführer einer solchen Firma ist der erwähnte Bruder des Angeklagten. Vermögen habe der Erstangeklagte keines, aber 200.000 Euro Schulden.

Beide Angeklagten sitzen seit dem Vorjahr in U-Haft. Vorgeworfen wird dem Erstangeklagten von Staatsanwältin Ines Reichenwallner auch der sexuelle Missbrauch einer durch Drogen wehrlos gemachten Frau, die als "Gegenleistung" für Drogen von ihrem Vater dem Erstangeklagten quasi angeboten wurde. Dem Zweitangeklagten wird die Vergewaltigung eines durch Drogen in einem Holundersaft betäubten Mannes vorgeworfen.

"Hatte Reizwäsche an"

Zu diesen beiden Punkten bekennen sich beide Männer nicht schuldig. Lehofer begründet das für seinen Mandanten so: "Sie hat ja die Drogen selbst genommen", und "sie hatte Reizwäsche an", wie auf Fotos im Akt zu sehen sei. Zudem hatte sie mit dem Angeklagten öfter Geschlechtsverkehr, "wieso des eine Mal ned einvernehmlich gewesen sein soll, ist für mich schlicht und ergreifend nicht nachvollziehbar".

Staatsanwältin Reichenwallner betonte, dass die "sehr zierliche Frau sehr konsistent ausgesagt" habe.

Der Zweitangeklagte will hinter dem Vorwurf gegen ihn, er habe einen Mann vergewaltigt, überhaupt ein "Komplott" sehen, weil der Bruder des Erstangeklagten "ein mächtiger Politiker" und seine Tochter Polizistin sei. Er sei in der Haft bedroht worden, sagt der Mann. Von wem, wollen Richterin und der Anwalt des Erstangeklagten wissen. Ein Afghane habe ihm im Gefängnishof angeredet. "Ein Afghane?", ruft Lehofer ungläubig.

Es wäre nicht das erste Mal, dass man jemanden schickt, wendet an diesem Punkt die Staatsanwältin ein. Was ihm angeblich angedroht wurde, sagt der Mann aber nicht.

Die Richterin fragt angesichts der Chats und der darin enthaltenen Spitznamen zwischen den Angeklagten – die sich Opi und Daddy nennen – nach: "Ihr habt ein eigenartiges Verhältnis zueinander."

"Opi und Daddy"

Er habe den "Laborbetreiber" Opi genannt, weil er ein bisschen älter sei als er, und "er mich Daddy, weil ich so viel Freunde habe, die jünger sind als ich".

Die Richterin will mehr über das Verhältnis zwischen den beiden Männern wissen, der Zweitangeklagte sagt dann, es sei bis etwa Anfang 2022 über die geschäftliche Beziehung hinausgegangen.

Kurz vor der Mittagspause wird dann der erstangeklagte Ex-Burschenschafter befragt. Er rechnet vor, warum die in der Anklageschrift angegebenen Mengen nicht stimmen könnten, dass er niemals Crystal Meth, sondern eine weitaus weniger wirksame Variante produziert habe, und erklärt abermals begeistert chemische Prozesse. Das zuvor läutende Handy des Zweitrichters Christoph Lichtenberg mit der Kennmelodie der "Sendung mit der Maus" und der Hinweis des Richters, dass man sich vielleicht einen Chemiebaukasten besorgen sollte, sind gewissermaßen stimmig für die Atmosphäre einer Chemiestunde für Laien.

"Sie sind super drauf", meint die Richterin zu den Kenntnissen des Angeklagten.

Der Angeklagte erklärt auch noch die Anwesenheit einiger Substanzen in der angemieteten Laborwohnung damit, dass er Gold aus altem Computerschrott löste und dann in Ungarn verkaufte. Dies sei eine schöne Erklärung gewesen, aber "ich nehme Ihnen das leider nicht ganz ab", so Noack zum gelernten Verfahrenstechniker.

Nach der Mittagspause wurde die Öffentlichkeit rasch ausgeschlossen, da die vorgeworfenen Sexualdelikte verhandelt wurden.

"Gute Menschen"

Danach kommt noch ein Ermittler zu Wort, der chemische Prozesse mit dem Chemieprofessor der Uni Graz und Gutachter Martin Schmid erörtert. Man ist sich nicht sicher, ob man dem Erstangeklagten glauben kann, dass er mit selbst gemachter Salpetersäure Gold aus Computerschrott lösen könne. Auch sehe man den vom "Koch" ins Treffen geführte Unterschied zwischen Crystal Meth und Methamphetamin nicht als juristisch wichtig.

Zuvor sorgte aber auch noch ein illuminierter Zeuge mit hellblond gefärbten Haarschopf und sehr herzlichen Umgangsformen für Aufsehen. "Geht es Ihnen gut?", fragt die Richterin fürsorglich. "Ja, es geht mir gut, aber ich will ehrlich mit Ihnen sein, ich bin unter Alkohol", antwortet der Zeuge. Richter Lichtenberg meint, es sei wohl "ned nur" Alkohol im Spiel, "aber des werma schon hinkriegen". Der Zeuge erzählt dann – immer wieder kurz kichernd –, dass er beide Angeklagten kenne und sie "gute Menschen" seien.

Drogen habe er genommen, weil "da ist ein sehr großer Druck auf mir bei der Arbeit", erklärt er der Richterbank. "Natürlich kennen Sie das nicht", setzt er freundlich nach, was Lichtenberg ein prustendes Lachen entlockt. Die Angeklagten hätten dem Zeugen, so erzählt dieser weiter, "sehr geholfen, als es mir nicht gut gegangen ist". Weiter kommt er nicht, denn Anwalt Lehofer unterbricht die Befragung, die ihm "doch ein bissl zu gruselig ist, da geht's ja um was, und der ist nicht Herr seiner Sinne." Die Richterin entscheidet, den Zeugen wieder zu laden, und empfiehlt ihm: "Und dann trinken S' danach und ned vorher."

Die Verhandlung wird auf 21. Juni vertagt. (Colette M. Schmidt, 12.4.2024)