Na also, möchte man jetzt sagen. Ein bisschen wertegeleitete Außenpolitik gibt es doch noch. Aber auch die funktioniert nicht so einfach. Die USA und die EU haben eine, gelinde gesagt, durchwachsene Bilanz, wenn es darum geht, weltweit und konsequent für Menschenrechte einzustehen. Geht es um den War on Terror, um "Migrationskontrolle" oder die Versorgung mit Rohstoffen, rutschen universale Werte und Völkerrecht auf der politischen Prioritätenliste schnell nach unten. Ebenso, wenn es um geostrategische oder historische Bündnisse geht, wie der westliche Umgang mit Saudi-Arabien oder Israel immer wieder gezeigt hat.

Der Vorwurf der "double standards" gegen "den Westen" hat derzeit Konjunktur in Staaten des Globalen Südens. Beim Kampf gegen LGBTQ+-Rechte kommt hinzu, dass dieser nicht nur in einen weltweiten Kulturkampf eingeschweißt worden, sondern auch mit dem Etikett "antikolonial" versehen worden ist.

Homo- und Transgender-Identität waren verbreitet

Natürlich ist das absurd: vorkoloniale afrikanische Königtümer waren zwar keine Reiche des Regenbogens. Aber Homo- und Transgender-Identität waren verbreitet und vielerorts auch toleriert. Nicht die Homosexualität, sondern homophobe Gesetze sind ein westlicher Import. In Ghana wurde Homosexualität erstmals 1861 durch die britische Kolonialmacht unter Strafe gestellt.

Bis dieser Teil der vorkolonialen Geschichte des Kontinents wieder bekannt und akzeptiert ist, wird es eine Weile dauern. So lange birgt allzu plakativer Druck aus den USA und Europa auch die Gefahr, dass Aktivistinnen und Aktivisten in Ländern wie Ghana als "Marionetten eines dekadenten Westens" denunziert werden.

In Ghana umfasst die "anti gay"-Koalition Vertreterinnen von Regierungs- wie Oppositionsparteien, christliche wie muslimische Führer, Frauenrechtlerinnen, Berufsverbände, Unterhaltungsstars. Ihnen gegenüber steht ein ebenso breites Spektrum von Bürgerrechtsbündnissen, prominente Politikerinnen wie Samia Nkrumah, Tochter des ersten Präsidenten Kwame Nkrumah, Anwältinnen und bekannte afrikanische Persönlichkeiten wie Winnie Byanyima, der ugandischen Exekutivdirektorin des UN-Programms zur Bekämpfung von HIV-Aids. Dieses Gesetz, so warnte sie, werde den Zugang zu lebensrettenden Diensten behindern, "den sozialen Schutz untergraben und den Entwicklungserfolg Ghanas gefährden".

Der Präsident spielt auf Zeit

Die vielleicht wichtigste Stimme gegen das Gesetz kam schon vor einigen Monaten aus den Reihen der katholischen Kirche. Und zwar vom ghanaischen Kardinal Peter Turkson, einem Mann, der zwischenzeitlich immer mal wieder als erster afrikanischer Papst gehandelt wird. Homosexuelle dürfe man nicht kriminalisieren, erklärte er vergangenen November in einem Gespräch mit der BBC, "denn sie begehen keine Straftat". Und seine Landsleute müssten endlich verstehen, dass gleichgeschlechtliche Beziehungen und Transgender-Identität der ghanaischen Kultur keineswegs fremd seien.

Allerdings verwahrte sich Turkson dagegen, ausländische Finanzhilfen mit der Blockade des Gesetzes zu verknüpfen. Womit er womöglich recht hat. Ghana tiefer in die Schuldenkrise stürzen zu lassen, hilft der dortigen LGBTQ+Community sicher nicht weiter. Der wäre vermutlich mehr geholfen, wenn westliche Regierungen, allen voran die der USA, etwas gegen den Export von Hass-Propaganda aus ihren eigenen Ländern unternehmen würden. 

In Ghana spielt Präsident Akufo-Addo unterdessen auf Zeit – und hofft, dass das oberste Gericht ihm aus der Klemme hilft. Das soll auf Antrag von Bürgerrechtsgruppen demnächst entscheiden, ob das Gesetz über "Sexuelle Menschenrechte und ghanaische Familienwerte" mit der Verfassung vereinbar ist. "Die Würde aller Menschen ist unantastbar", heißt es darin.