PingPongParkinson: „Wir müssen in Bewegung bleiben“

Martin Prochaska, einer der Initiatoren des Dachauer Stützpunktes von PPP, spielt Tischtennis, tanzt Neuro-Tango, geht walken und tut vieles mehr, um seine Beweglichkeit zu stärken. Foto: Dorothea Friedrich

Weltparkinsontag

PingPongParkinson: „Wir müssen in Bewegung bleiben“

Sportliche Aktivitäten in Selbsthilfegruppen sind für Parkinson-Patienten von enormer Bedeutung

Martin Prochaska-Metz erhielt die Diagnose Parkinson vor zehn Jahren. Doch schon lange zuvor spürte der bekannte Puppenspieler, wie es ihm immer schwerer fiel, die mit einer komplexen Konstruktion geführten großen Puppen zu heben und zu bewegen oder dass er beim Schwimmen oft nicht mehr die gewünschte Richtung halten konnte. Er hatte Depressionen, Schlafstörungen, wilde Träume und Verstopfungen. „Alles typische Anzeichen für Parkinson, die ich nicht wahrhaben wollte“, sagt er. Bis seine Frau, die Ergotherapeutin Karin Metz, bei einem Neujahrsspaziergang hörte, „wie er seine Füße so komisch abrollte“. Der Parkinson-Verdacht bestätigte sich, doch Prochaska spielte weiter - bis die Lockdowns in der Corona-Pandemie dem über alles geliebten Beruf endgültig ein Ende machten und die wunderbaren handgefertigten Puppen auf dem Dachboden ein Domizil fanden.

Wie es seine humorvolle Art ist, hat sich Prochaska nach der Diagnose „einen neuen Freund, das ist der Herr Parkinson“ zugelegt. Von Anfang an war ihm bewusst, wie wichtig es ist, „dass man unter Leute geht. Wenn man nur vorm Fernseher abhängt, dann geht der Herr Parkinson einem schneller an die Substanz.“ Daher ist sein Credo: „Ich tue alles, um meinen aufrechten Gang zu behalten.“ Und das ist sehr viel. Er gehört zu den Initiatoren von PPP, Stützpunkt Dachau (parkinsontreff-karlsfeld.jimdofree.com ), der beim lokalen Sportverein TSV 1865 Dachau angebunden ist. Hinter der eingängigen Abkürzung PPP verbirgt sich die engagierte Organisation PingPongParkinson (www.pingpongparkinson.de ).

2017 in den USA gegründet, gelangte die Idee, Tischtennis als eine Form der physikalischen Therapie bei Parkinson einzusetzen, vor rund vier Jahren nach Deutschland - und wurde schnell populär. Schließlich ist es das erklärte Ziel der Organisation und ihrer aktiven Tischtennispielerinnen und -spieler, sportliche Gemeinschaftserlebnisse zu ermöglichen und Parkinson-Erkrankte aus der Selbstisolation zu holen. So stehen auch für Prochaska das Gruppenerlebnis, Spaß und nicht zuletzt die Stärkung des Selbstwertgefühls gleichberechtigt neben dem mittlerweile durch Studien bestätigten Therapieerfolg. Schließlich würden in den regelmäßigen Trainingsstunden „Ausdauer, gute Beinarbeit, schnelle Reaktionen und viel Balance“ gefordert, sagt Prochaska. Auch in der Selbsthilfegruppe Parkinsontreff Karlsfeld-Dachau engagiert er sich.„Das ist bewusst kein eingetragener Verein mit bürokratischen Regeln“, sagt er. Im Fokus stehen „Vorträge von Experten für alle notwendigen und möglichen Therapieformen, Diskussionen und Erfahrungsaustausch“.

Und eben sportliche Aktivitäten, wie beispielsweise Neuro-Tango. „Da trainierst du, deine Bewegungen zu initiieren, das Gleichgewicht und die Schrittgrößen zu halten“, sagt Prochaska. Zudem sei Neuro-Tango eine gute Sturzprophylaxe und stärke das Gedächtnis, „denn das alles ist schon in der Musik vorausgedacht und wird im eigenen Gehirn gespeichert“. Genug gesportelt? Nein, sagt ein lachender Prochaska.

Es gibt ja noch die Walking-Gruppe, bei der er ebenfalls mitmacht. Und dann sind da noch die „Klassiker“ Logopädie, Ergotherapie, Physiotherapie sowie die unverzichtbaren Medikamente.

Denn Parkinson wird durch das Absterben von Nervenzellen in einem dunkelfarbigen Bereich, der Substantia Nigra („Schwarze Substanz“), im Hirnstamm ausgelöst. Die Zellen der Substantia Nigra setzen den Botenstoff Dopamin frei. Sind mehr als 50 Prozent der Dopamin-produzierenden Zellen der Substantia Nigra abgestorben, kommt es zu den typischen Parkinson-Bewegungsstörungen. Parkinson ist nicht heilbar, aber medikamentös, mit Physio-, Ergo-, und Logopädie gut zu behandeln. Für Betroffene mindestens ebenso wichtig sind die vielen Selbsthilfegruppen, die sich mittlerweile lokal, regional und auch bundesweit etabliert haben. Die gesammelten Erfahrungen von Parkinson-Betroffenen, wie man etwa den Krankheitsverlauf zugunsten des Erhalts von Lebensqualität beeinflussen kann, haben mittlerweile auch ihren Weg in die Forschung und den klinischen Alltag gefunden.

So kooperiert etwa die Klinik für Neurologie am Krankenhaus Rummelsberg seit Kurzem mit PPP. Das sei „ein Leuchtturmprojekt“ für Deutschland“, sagen die PPP-Aktiven. Am Helios-Amper-Klinikum, in Dachau, Mitglied des Patientenzentrierten Parkinsonnetzwerks Dachau-München-Nord, findet am Samstag, 13. April, eine neurologische Fortbildungsveranstaltung statt, bei der „der aufgeklärte, zur Selbsteinbringung sensibilisierte und befähigte Patient“ im Mittelpunkt steht.

Prochaska lebt nun „mit Stundenplan“, wie er sagt. Für ihn mittlerweile eine Selbstverständlichkeit. Denn: „Menschen mit Parkinson neigen dazu, sich zurückzuziehen, aber wir müssen in Bewegung bleiben.“

Dorothea Friedrich


Netzwerke

Parkinson ist nach Alzheimer die zweithäufigste neurodegenerative Erkrankung. Den Hauptgrund für diese Entwicklung sehen Expertinnen und Experten wie die Deutsche Gesellschaft für Parkinson und Bewegungsstörungen (DPG), im demografischen Wandel, denn überwiegend wird die Krankheit zwischen dem 50. und 60. Lebensjahr diagnostiziert. Jedoch erkranken rund zehn Prozent aller Parkinson-Patienten bereits vor dem 50. Lebensjahr, und selbst junge Menschen im Alter bis zu zwanzig Jahren kann es treffen. Das Tückische an Parkinson ist: Es können viele Jahre vergehen, bis sich die Krankheit bemerkbar macht und die Diagnose Parkinson das Leben von Betroffenen auf den Kopf stellt. Neben spezialisierten Medizinerinnen und Medizinern sind Selbsthilfegruppen „ständige Begleiter“ von Parkinson-Patienten. Sie sind funktionierende Netzwerke in Sachen neue Forschungs- und Therapieansätze und sie fördern mit ganz unterschiedlichen Mitteln die körperliche und geistige Beweglichkeit. Einen guten Überblick gibt es auf den Seiten der DPG (parkinson-gesellschaft.de/fuer-betroffene/parkinsonwegweiser). dfr

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