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Wie tragen sich Laufsteglooks aus Paris im wahren Leben?

Von Hamburg aus scheint Paris nur einen Choupette-Sprung entfernt. Das zumindest könnte man meinen, wenn man sich die Herbst-Looks der „Fashion Victims“ auf der Straße anschaut. Unser Autor wagt einen kritischen Blick.

Chapeau!

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Quelle: Christina Thrän

Auf dem Laufsteg: Jacques wer? Noch ist nicht jedem der Name des aktuellen Mode-Lieblings Jacquemus bekannt. Das sollte sich ändern! Denn der Designer aus Marseille ist der Shootingstar, was vielleicht auch daran liegt, dass er a) wahnsinnig gut aussieht und b) dies auf seinem Instagram-Account mehrmals täglich zur Schau stellt. Aber auch die Kreationen des kompakten Franzosen haben es in sich: eine Mischung aus mediterraner Leichtigkeit und Pariser Eleganz. So wird beispielsweise ein schwarzes, schmal geschnittenes Ensemble mit einem Hut von der Größe eines Lkw-Reifens kombiniert, der locker die Höhenkontrolle im Elbtunnel auslösen würde.

Auf der Straße: Schwarz und Dramatik sind Begriffe, die zu einer Stadt, die mit Beige und Verschwiegenheit in Verbindung gebracht wird, weniger passen. Dennoch: Auch die Hamburgerin liebt ab und an große Auftritte. Warum, so denkt sie sich, kann ich nicht auch einmal eine Stufe höherschalten? Eben! Und wo ginge das besser als an einem Ort, der an Dramatik kaum zu überbieten ist: unserer Elbphilharmonie. Also bestellt man ein Großraumtaxi, fährt an der „Elphi“ vor, wirft mit seinem Hut Schatten auf der Rolltreppe… Und gerade, als man sich auf der Piazza überlegt, wie man wohl im Großen Saal die acht Sitzreihen hinter sich aufgrund des eingeschränkten Sichtfeldes beruhigt, kommt hanseatische Gerechtigkeit auf. Ein Windstoß reißt das Wagenrad vom Kopf und lässt es drohnengleich hinabsegeln. Sage mal einer, Hamburg hätte keinerlei Drama zu bieten.

Das gab es jüngst in Paris zu sehen

Bon Voyage

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Quelle: Christina Thrän

Auf dem Laufsteg: Ach, Dries! Fragt man Modejournalisten nach ihrer Lieblingsshow, nennen neun von zehn (der Autor ist die Ausnahme) den Namen des belgischen Designers. Offenbar gelingt es Dries Van Noten, Modernität mit Handwerkskunst und Fantasie so miteinander zu verbinden, dass etwas Schönes im klassischen Sinne entsteht. Besonders bei Männern ist dies selten, da oft nur an den entgegengesetzten Polen tragbar (Langeweile) und untragbar (total verrückt) gearbeitet wird. Im Herbst empfiehlt Dries an sich klassische Looks wie Karomäntel, die aber durch Oversize-Volumen an Kraft gewinnen.

Auf der Straße: Der modische Begriff „Normcore“ ist, hanseatisch ausgedrückt, eine Mischung aus City Nord und Schanzenviertel. Eine Melange also von Büro-Spießigkeit und Multikulti-Zeitgeist. Insofern besteht die große Chance, dass sowohl der Versicherungsangestellte als auch der Hipster dem Look von Dries Van Noten etwas abgewinnen können. Beide sitzen sie dann am Montagmorgen im Großraumwagen 2. Klasse, Gang Mitte, Richtung Berlin. Der eine trägt den Karomantel lässig mit weißem T-Shirt. Der andere hat sich von der Frau Gattin am Abend zuvor das passende Hemd bügeln und eine Krawatte herauslegen lassen. Man sieht sich, versteht den anderen, nickt sich zu. Mode ist in Hamburg eben ein verbindendes Element.

Déjà-vu

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Quelle: Christina Thrän

Auf dem Laufsteg: Kein Modelabel verkörpert den Rockstar-Chic so sehr wie Saint Laurent. Auch im Herbst plädiert Designer Anthony Vaccarello stark dafür, dass das Leben eine einzige Party im schicksten Nachtclub der Stadt ist. Aktuell ist er von den 80ern inspiriert. Seine Glitzer-Fummel haben eine Länge, für die der Begriff „kurz“ untertrieben ist. Die Schultern sind messerscharf akzentuiert. Schulterpolster und ein tiefer Ausschnitt geben dem Look eine Überdosis Sex-Appeal.

Auf der Straße: „Posemuckel“, „Front“ und – für ganz Verrückte – das „Nautic“ in Timmendorf. Wenn hanseatische Fashionistas heute „Achtziger“ hören, denken alle sofort an jene Zeit, in der man im Erdbeerkörbchen (rotes Golf Cabrio) samstags auf Piste gefahren ist. Da man, so der Glaube, schon damals die heißeste Schnitte aus Buxtehude war, kann man auch heute locker als sexy Lady aus Winterhude durchgehen. Gern entscheidet man sich also, Jahrzehnte gealtert, für Saint Laurents XS-Dresses. Wofür läuft man morgens mit einer Armee Gleichgesinnter um die Alster? Genau: Damit man mit perfekter Figur und gestählten Beinen beweisen kann, dass noch heute eine Disco Queen in einem steckt. Das Laufen auf High Heels fällt zwar zunehmend schwer – aber wofür gibt es SUVs?

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