Hüllkurvensurfen

Fahrbericht Citroën Cactus C4

Mit der zweiten Auflage des C4 Cactus hatte Citroën die Chance, per Alleinstellung wieder näher zu klassischen Markenkernwerten zu kommen – und dabei die Gelegenheit versäumt, einige Ungereimtheiten abzustellen

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 4 Kommentare lesen
Citroën C4 Cactus 31 Bilder
Lesezeit: 10 Min.
Von
  • Florian Pillau
Inhaltsverzeichnis

Mit der zweiten Auflage des C4 Cactus hatte Citroën die Chance, per Alleinstellung wieder näher zu klassischen Markenkernwerten zu kommen – und die Gelegenheit, einige Ungereimtheiten bei der Nutzbarkeit abzustellen. Hätte gehabt, denn die Hausaufgaben wurden zwar mit großer Bravour erledigt, aber nur zur Hälfte, wie eine zehntägige Probefahrt zeigte.

Über die Franzosen und ihre Autos gibt es bei uns ein paar Klischees, etwa den vollkommen achtlosen Umgang mit dem Material. Wegen des Grusels, den diese Verachtung beim blechfetischisierenden Deutschen auslöst, gehört es zu den haltbareren. Gespeist werden solche Vorurteile vor allem von Stereotypen aus dem hochverdichteten Lebensgefühl längst gelaufener Filme. Etwa die existenzialistisch angehauchte Coolness, als die Filme noch schwarzweiß und mit Jazz unterlegt waren, später die immer leicht angesoffen-ungepflegt-wurschtig wirkende (post-)68er Lässigkeit. Man lässt sich jedenfalls mit oder ohne dunkler Brille, aber mit dunkler Filterloser schräg ins Polster hinab, hängt den Unterarm über die linke Brüstung und lenkt wie nebenher einhändig über Boulevard und Avenue – Wichtigeres im Kopf als Fahren.

Schon damals Lifestyle

Welche Art der Entkopplung auf geistiger Ebene auch immer dargestellt wird, bestens passt dazu die Federung der damaligen Citroëns, begonnen mit der des 2CV, weiterentwickelt im Ami 6 und gekrönt ab 1954 von der Hydropneumatik, die erstmals Federung, Dämpfung, Niveauregulierung und selektive Bremskraftsteuerung zusammenfasste. Diesem System gelang bereits damals, den bekannten Zielkonflikt zwischen Fahrkomfort respektive Fahrsicherheit und Agilität weitgehend auflösen. Dem Klischee-Franzosen schien es zwar eher egal, die Autos aber wurden schon damals Lifestyle.

Obwohl die Hydropneumatik immer perfekter wurde, spielte sie eine immer geringere Rolle – nicht zuletzt angesichts immer besserer Straßen. Am Ende schwer unterschätzt stellte man sie mit dem Citroen C5 vor eineinhalb Jahren außer Dienst – zu teuer wurde Citroën offenbar der Aufwand. Allerdings muss sich die Marke nun neu erfinden, nachdem von PSA zuletzt DS ausgegründet worden war. Eine Rückbesinnung auf die große Tugend des Fahrkomforts (wie auch cooler Interieurs) war da keine Überraschung.

Einiges wirkt aufgesetzt

Beides finden wir im neu aufgelegten C4 Cactus. Vieles davon wirkt aufgesetzt, der Fahrkomfort ist es nicht. Eine sichere Alleinstellung hat der Wagen im Konzept – weder Crossover noch Limousine und auch kein Kompakter im gewohnten Sinne. Die Luftpolsterfolie, mit der Citroën ihn in erster Auflage beklebte, wurde kleiner, die Eleganz größer. Dazu gönnte man sich sogar neue Karosserieblechpressen – wegen der Kosten selten bei einer Modellüberarbeitung, wobei der Hersteller tatsächlich von einem neuen Modell spricht.

Den hohen Fahrkomfort verdankt der mit etwas über einer Tonne vergleichsweise leichte Wagen lediglich einer Verbesserung der Stoßdämpfer, es bleibt ansonsten bei einer herkömmlichen Stahlfederung. Citroën entwickelte die Dämpfer mit seinem japanischen Zulieferer Kayaba (KYB), immerhin dem weltweit größten Hersteller von Hydraulikdämpfern für Kfz-Fahrwerke. Das Prinzip bleibt: Ein Kolben wird durch die Fahrwerksbewegungen durch einen ölgefüllten Zylinder geschoben, definierte Bohrungen und Ventile erlauben den nötigen Volumenausgleich. Der dabei durch die Viskosität entstehende beidseitige Bremseffekt verhindert das saugefährliche elastische Einschwingen von Rad und Aufhängung und damit den Abflug aus Kurven oder exzessive Bremswege. Nicht ohne Grund lautet die korrekte Bezeichnung daher „Schwingungsdämpfer”.