Bremen Stadtteile Osterholz Verden Diepholz Delmenhorst Wesermarsch Oldenburg Rotenburg Cuxhaven Bremerhaven Niedersachsen

Diskussion um mehr Verkehrssicherheit Die größten Unfallschwerpunkte in Bremen

Nach zwei schweren Radunfällen innerhalb kürzester Zeit gibt es in Bremen eine Diskussion um ein Verkehrssicherheitskonzept. Was die Behörde plant und wo es sonst noch häufig brenzlig wird.
22.04.2018, 20:57 Uhr
Lesedauer: 4 Min
Zur Merkliste
Die größten Unfallschwerpunkte in Bremen
Von Kristin Hermann

Regelmäßig werden Radfahrer an städtischen Verkehrsknotenpunkten in gefährliche Situationen gebracht. Die Ursache ist oftmals zu wenig Platz zwischen Straßenbahnschienen, Autos und Radfahrern. An einigen Stellen in der Stadt sind die Wegebeziehungen zwischen den verschiedenen Verkehrsteilnehmern nicht eindeutig.

Die meisten dieser Unfälle passieren dort, wo auch viel Autoverkehr herrscht. Die Zuschriften auf einen entsprechenden Leser-Aufruf des WESER-KURIER lesen sich oft ähnlich. Zwei schwere Unfälle innerhalb weniger Tage lassen aktuell die Diskussion um ein Verkehrssicherheitskonzept für die gesamte Stadt wieder aufleben.

Vergangene Woche wurde eine Radfahrerin in der Neustadt schwer verletzt, als ein Sattelzug rechts einbiegen wollte. Zudem starb erst kürzlich eine Radfahrerin am Brill, als ein Lkw sie überrollte. Kritik kommt nicht nur von Verbänden und Initiativen, sondern auch von Grünen-Politiker Ralph Saxe.

Lesen Sie auch

Die Bremische Bürgerschaft habe vor Jahren beschlossen, dass die Stadt ein Gesamtkonzept benötigt, um die Zahl der Verkehrstoten und Schwerverletzten zu reduzieren. „Es gibt viele Einzelmaßnahmen, aber das große Ganze fehlt“, sagt er. Ähnlich sieht das auch der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club (ADFC).

„Der tragische Unfall am Brill zeigt erneut, wie weit wir von einer Stadt ohne Tote im Straßenverkehr noch entfernt sind“, sagt die Vorstandsvorsitzende Bonnie Fenton. 2016 gab es laut Unfallstatistik in Bremen elf Verkehrstote und 359 Schwerverletzte. Aktuelle Zahlen aus dem vergangenen Jahr konnten sowohl die Polizei als auch die Innenbehörde auf Anfrage nicht nennen.

Die Unfallschwerpunkte sind seit Jahren jedoch relativ ähnlich: Immer wieder tauchen der Stern, die Brill-Kreuzung sowie die Ecke Kurt-Schumacher-Allee / Karl-Kaut­sky-Straße in der Vahr auf. Auch dort, wo der Radverkehr auf der Fahrbahn nahe den Straßenbahnschienen verläuft, wird es häufig brenzlig. Denn entweder fühlen sich Radfahrer neben der Straßenbahn in die Enge getrieben oder sie rutschen bei Nässe auf den Schienen aus.

„An vielen Stellen in der Stadt gibt es einfach zu wenig Platz und trotzdem parken überall Autos, die Platz und Sicht wegnehmen“, sagt Albrecht Genzel, Verkehrsreferent beim ADFC. Ähnlich sieht das auch die Sprecherin des Vereins „Fuss“. Sie fordert, dass Fußgängerwege sichtbarer werden müssten. Vielerorts seien die Fußgängerwege durch parkende Autos kaum noch nutzbar.

Unfallkommission trifft sich mehrmals im Jahr

„Gegen die vielen Pkw müsste die Stadt mit einer flächendeckenden Parkraumbewirtschaftung angehen“, sagt Angelika Schlansky. Zudem fehle es gerade an viel befahrenen Straßen an Querungshilfen. „Man fühlt sich als Fußgänger einfach sicherer, wenn man erst einmal nur eine Fahrspur überschauen muss“, sagt sie. Verärgert ist Schlansky vor allem über die Neugestaltung des Sterns. „Fußgänger wurden einfach nicht mitgedacht“, sagt sie.

Diesen Vorwurf will Gunnar Polzin, Abteilungsleiter des Fachbereichs Verkehr beim Senator für Umwelt, Bau und Verkehr so nicht stehen lassen. Die Behörde hätte Zebrastreifen für Fußgänger dort sehr genau geprüft, sich aber dagegen entschieden, weil es dabei wieder zu Problemen mit Radfahrern gekommen wäre. „Und die meisten Konflikte entstehen dort nun mal zwischen Radfahrern und Autos“, sagt er.

Lesen Sie auch

Um etwas gegen Unfallhäufungen im Stadtgebiet zu unternehmen, trifft sich mehrmals im Jahr eine Unfallkommission. Dort sitzen unter anderem Vertreter der Behörde, der Polizei und der Bremer Straßenbahngesellschaft, die sich bestimmte Knotenpunkte anschauen und prüfen, ob es bei Unfällen bestimmte Systematiken gibt. „Dafür werden über Jahre Protokolle geführt“, sagt Polzin.

In Bremen gebe es viele Straßen, wo die Wege nicht eindeutig sind. „In Stadtteilen wie Borgfeld oder Obervieland und Habenhausen fehlen beispielsweise gute und breite Rad-und Gehwege. In der Innenstadt ist es häufig nicht besser“, so der Verkehrschef. Im Rahmen des Verkehrsentwicklungsplans habe die Stadt allerdings schon einige Knotenpunkte verbessert.

Ganz aktuell steht die Schaffung von Tempo-30-Zonen an. Demnächst wird Bremen die neue Straßenverkehrsordnung durchsetzen, die vor Schulen, Kindergärten, Krankenhäusern und Senioreneinrichtungen ein generelles Tempo 30 vorschreibt. „Wir werden dazu noch die Beiräte anhören und das Thema in der Verkehrsdeputation vorstellen. Die Umsetzung im Sommer ist aber beschlossene Sache“, so Polzin.

Aufklärung und präventive Maßnahmen

Damit wolle man die schwachen Verkehrsteilnehmer schützen, wozu vor allem Kinder und ältere Menschen zählen. Dass Bremen irgendwann im gesamten Innenstadtbereich Tempo 30 verhängt, ist eher unwahrscheinlich. „Das kann einen wichtigen Beitrag zur Verkehrssicherheit leisten“, sagt Polzin. „Allerdings hätte das auch massive Auswirkungen auf den öffentlichen Nahverkehr und die Erreichbarkeit des Wirtschaftsstandortes. Diese Frage muss politisch geklärt werden.“

Lesen Sie auch

In Sachen Verkehrssicherheitskonzept soll sich bald etwas tun, sagt Polzin. Man sei dabei, eine Stelle auszuschreiben, die die Koordinierung dafür übernehmen soll. „Dabei soll es vor allem auch um Aufklärung und präventive Maßnahmen gehen, die wir zusammen mit der Bildungs- und Innenbehörde angehen“, sagt er.

Wie wichtig Aufklärung sein kann, weiß auch Ingo Biniok von der Verkehrswacht. Er beobachte, dass das Unverständnis der Verkehrsteilnehmer füreinander immer größer werde. „Viele wissen von dem anderen nicht viel und informieren sich auch nicht über die Verkehrsregeln“, so Biniok. Zudem habe die Ablenkung durch technische Geräte, die nebenbei benutzt werden, extrem zugenommen.

Das bestätigt auch der Allgemeine Deutsche Automobil-Club (ADAC). Im Vergleich zu anderen Ländern sei der deutsche Autofahrer relativ egoistisch. „Unserer Meinung nach helfen Restriktionen dabei nicht weiter. Man muss wieder dazu kommen, vorausschauender zu fahren und sich miteinander verständigen“, sagt Nils Linge, Sprecher beim ADAC Weser-Ems. „Dann könnten viele Unfälle schon vermieden werden.“

Lesen Sie auch

Lesen Sie auch

Jetzt sichern: Wir schenken Ihnen 1 Monat WK+! Zur Startseite
Mehr zum Thema

Das könnte Sie auch interessieren

Lesermeinungen (bitte beachten Sie unsere Community-Regeln)