Alfa- und Maserati-Boss Reid Bigland im Interview
"Der Alfieri wird ein echter Sportwagen"

Der 50-jährige Kanadier Reid Bigland führt seit einem Jahr die Geschicke von Alfa Romeo und Maserati im Fiat-Chrysler-Konzern. Während Alfa mit den neuen Modellen Giulia und Stelvio an frühere Erfolge anknüpfen will, profitiert die Luxusmarke Maserati derzeit von der hohen Nachfrage nach dem SUV Levante.

Reid Bigland
Foto: FCA

Im Gespräch mit auto motor und sport-Redakteur Stefan Cercherz gibt Bigland einen Ausblick auf die weitere Entwicklung der beiden Marken.

Welches sind aktuell die wichtigsten Märkte für die Marke Maserati?

2016 waren es die USA mit rund 18.000 verkauften Autos, dicht gefolgt von China mit 15.000 Einheiten. Insgesamt konnten wir im vergangenen Jahr weltweit 42.000 Autos absetzen. Eine beachtliche Entwicklung, wenn man bedenkt, dass es 2012 gerade einmal 6.200 Einheiten waren. Der Levante erweist sich dabei als echter Wachstumsmotor für uns. Sein Timing passt perfekt zur weltweiten Nachfrage nach SUV-Modellen.

Unsere Highlights
Wie lautet Ihr Absatzziel für 2017, dem erstenvollen Verkaufsjahr des Levante?

Letztes Jahr haben wir ungefähr 14.000 Levante verkauft, dieses Jahr könnten es schon 25.000 werden. Wir hoffen für die Marke auf ein Wachstum mit zweistelligen Prozentwerten. Gleichzeitig streben wir aber nicht nach Absatzrekorden – die Exklusivität der Marke steht für uns weiterhin im Fokus.

Wie schätzen Sie das Potenzial für weitere Varianten des Levante ein?

Am unteren Ende der Leistungsskala halte ich es für eher gering, mit mehr Leistung dagegen schon. Allerdings macht uns hier die Gesetzgebung zu schaffen, die vor allem in Europa leistungsstarke V8-Saugmotoren benachteiligt. Ich würde ein solches Modell aber nicht ausschließen.

Wie sieht es mit einer Hybridversion aus?

Elektrifizierungskonzepte werden für alle unsere Modelle früher oder später unvermeidlich sein. Angesichts der gesetzlichen Vorgaben ist das nur noch eine Frage der Zeit. Aktuell haben wir aber nichts anzukündigen.

Können Sie sich vorstellen, bei Maserati in Zukunft mehr als ein SUV-Modell im Portfoliozu haben?

Wenn sich die Kundenpräferenz weiterhin so entwickelt, sicherlich. Porsche ist ein gutes Beispiel dafür – sie bauen heute mehrheitlich SUV, obwohl bei dieser Marke jeder an Sportwagen denkt. Auch bei Maserati könnte der Levante in einem Jahr schon bis zu 45 Prozent des Absatzes ausmachen, was bis vor zwei Jahren noch völlig undenkbar war. Grundsätzlich geht es in der Autobranche ja darum, Modelle zu bauen, die die Kunden auch kaufen wollen. Und derzeit wollen sie eben SUV kaufen. In den USA machten klassische Pkw 2016 noch 37 Prozent des Marktes aus, 63 Prozent der verkauften Fahrzeugewaren SUV oder leichte Nutzfahrzeuge wie Pickups.

Wie sieht es mit den Kapazitäten in Ihrem Werk aus – können Sie so viele Levante bauen, wie der Markt verlangt?

Das Werk in Mirafiori ist vorerst ausreichend dimensioniert, aber ich betone noch einmal, dass wir nicht in Stückzahlen denken. Angesichts des Wachstums der vergangenen Jahre haben wir bereits demonstriert, dass wir in der Lage sind, unsere Produktion der Nachfrage anzupassen.

Steht der Gran Turismo schon kurz vor der Ablösung, wie es das aktuelle Editionsmodell vermuten lässt?

Unser Gran Turismo hätte ursprünglich Ende 2016 auslaufen sollen. Doch wir haben uns entschieden, seinen Lebenszyklus zu verlängern. Sein Design ist zeitlos, und er verfügt über ein Merkmal, das heute noch exklusiver ist als vor zehn Jahren: sein V8-Saugmotor. Trotz der zunehmend schärferen Verbrauchs- und Emissionsvorschriften gibt es immer noch einen harten Kern von Autoverrückten wie mich, die den Klang und die Performance eines solchen Aggregats schätzen. Zudem bieten heute weitaus weniger Wettbewerber so etwas an. Von der Verkaufsperspektive her sind die beiden Modelle (Gran Turismo und Gran Cabrio, Anm. der Red.) immer noch relativ stabil, sodass wir sie noch mindestens bis Ende des Jahres weiterbauen werden.

Wie weit sind die Arbeiten an den Nachfolgemodellen gediehen?

Wir arbeiten derzeit an mehreren unterschiedlichen Projekten, die Coupé- und Cabrio-Modelle gehören natürlich dazu. Sie sind für das Markenimage sehr wichtig, obwohl sie nicht die Stückzahlen eines Levante erreichen. Allerdings wird es keinen nahtlosen Übergang geben, eine kurzfristige Angebotslücke ist denkbar. Zumal das aktuelle Cabrio aus Gründen der anspruchsvollen Crashvorgaben eher noch länger gebautwerden wird.

In welchem Stadium befindet sich das Supersportwagen-Projekt Alfieri?

Dazu kann ich derzeit nur so viel sagen: Der Alfieri wird gemeinsam mit Gran Coupé und Gran Cabrio zu den Kernmodellen von Maserati gehören, sich von den beiden 2+2-Sitzern als echter Sportwagen aber deutlich abgrenzen.

Und wie grenzen Sie die Marke Maserati von den mehr als 500 PS starken Performance-Modellen von Alfa Romeo ab?

Ich denke, die Modellfamilien passen gut zusammen. Alfa besetzt mit der Giulia die Mittelklasse, während Maserati mit Ghibli und Quattroporte die Ober- und Luxusklasse bedient. Bei den SUV-Modellen Stelvio und Levante verhält es sich ähnlich. Die beiden Marken ergänzen sich vor allem auf dem amerikanischen und dem chinesischen Markt ausgesprochen gut. In China nutzen wir Maserati-Händler als Plattform, um dort Alfa Romeo wieder einzuführen. Außerdem sind die beiden Marken im Verbund für unsere Handelspartner noch interessanter. Es ist zwar nicht auszuschließen, dass es Käuferwanderungen innerhalb des Gesamt-Portfolios geben wird. Ich glaube aber, dass unterdem Strich beide Marken voneinander profitieren können.

Wird Alfa Romeo vor diesem Hintergrund das Kleinwagen- und Kompaktsegment mittelfristig ganz aufgeben?

Auf den ersten Blick passen Mito und Giulietta nicht so recht zu Giulia und Stelvio, den aktuellen Treibern der Marke. In Zukunft soll Alfa Romeo für Technologie, Performance und italienisches Design stehen, so wie es Giulia und Stelvio derzeit demonstrieren. Mito und Giulietta sind hauptsächlich für Europa wichtig, mit Abstrichen auch für Mexiko und Japan. Ich will aber nicht ausschließen, dass es auch in Zukunft kompakte Alfa-Modelle gibt – nur vielleicht keine klassischen Hatchbacks mehr. Das Segment der Kompakt-SUV könnte sich hier als interessant erweisen. Ein solches Modell müsste aber zur neuen dynamischen Markenphilosophie passen.

Wie wichtig sind Assistenztechnologien für Maserati? Wie wollen Sie die Lücke zu Wettbewerbern wie Porsche schließen?

Mit dem Modelljahr 2017 hat Maserati bereits verschiedene moderne Fahrerassistenzsysteme eingeführt, weitere werden folgen. Sie brauchen Technologien wie Spurassistenten, Kollisionswarner oder Einparkhilfen, um im Wettbewerb relevant zu bleiben.

Ist das automatisierte Fahren ein Thema bei Maserati?

So weit es die Level 2 und 3 (Teil- oder Hochautomatisierung, Anm. der Red.) betrifft, ist das auf jeden Fall für uns ein Thema. Features wie der Stauassistent werden früher oder später auch in Maserati-Modellen Einzug halten. Das vollständig automatisierte Fahren hingegen passt nicht zu unserer Marke. Einen Maserati kauft man nicht, um sich darin auf dem Rücksitz chauffieren zu lassen. Ein Maserati verkörpert in vielerlei Hinsicht das komplette Gegenteil eines autonom fahrenden Automobils. Wer einen Maserati kauft, will ihn selbst fahren – das wird auch immer so bleiben.

Welche Zukunft hat der von Ihnen verwendete V8-Motor noch vor sich?

Der Tag, an dem Umwelt- und Verbrauchsvorschriften solche Motoren unwirtschaftlich machen, wird ein trauriger Tag für mich, auch wenn manche das anders sehen mögen. Daher tun wir alles, um damit auch künftig die Zulassungsvorschriften erfüllen zu können. Dennoch gibt es auf jeden Fall einen Markt für solche Autos. Zudem führen restriktivere Vorschriften zu einer Auslese unter den Marktteilnehmern – es gibt immer weniger Wettbewerber. Angesichts zunehmend leistungsfähigerer V6-Turbomotoren wird sich der Schwerpunkt von V8-Anwendungen dann aber möglicherweise in andere Hubraum- und Leistungsklassen verlagern.

Hintergrund Reid Bigland und Harald Wester

Harald Wester
Bigland-Vorgänger Harald Wester konzentriert sich auf seinen Entwicklungsjob.

Im Mai 2016 hatte Fiat-Chrysler die Spitzenpositionen bei Alfa Romeo und Maserati neu besetzt. Bis zu diesem Zeitpunkt führte Harald Wester beide Marken, dann übernahm Reid Bigland. Der Kanadier fungierte bei FCA bis dato als US-Verkaufschef und Chef von FCA Canada. Er hatte FCA auf dem US-Markt zu neuen Verkaufserfolgen verholfen und auch die Marken Dodge und Ram erfolgreich neu positioniert. Harald Wester konzentriert sich aktuell auf seine Rolle als Konzernentwicklungschef.

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AUTO MOTOR UND SPORT 09 / 2024
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Erscheinungsdatum 11.04.2024

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