"Karlsruhe ist die 'Residenz des Rechts'" - was im ersten Moment etwas vermessen klingt, ist in Wahrheit gar nicht so weit hergeholt: Bereits seit dem 19. Jahrhundert waren die Badener mit ihren 1818 und 1919 erlassenen Verfassungen Vorreiter in Sachen Rechtsstaatlichkeit, galten die Texte doch als besonders liberal und zukunftsweisend.
Seit rund 70 Jahren ist die Fächerstadt zudem der Sitz des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesgerichtshofs (BGH). Doch warum ließen sich zwei der höchsten deutschen Gerichte ausgerechnet hier in Karlsruhe nieder - in einer Stadt, die bis zu diesem Zeitpunkt keine ähnlichen Rechtsorgane beheimatet hatte? Ist die badische Vergangenheit tatsächlich ein Grund dafür?
Teilung Deutschlands macht neuen Standort nötig
Um das zu verstehen, ist ein Exkurs in die Vergangenheit nötig, genauer gesagt in das Deutschland von 1949. Am 23. Mai jenes Jahres - also fast auf den Tag genau vor 70 Jahren - wird das Grundgesetz der neugegründeten Bundesrepublik Deutschland verkündet. Darin enthalten: Ein Verfassungsauftrag, für die Zivil- und Strafrechtspflege ein oberstes Bundesgericht - den späteren Bundesgerichtshof - zu errichten.
Doch die Frage nach dem Standort gestaltet sich schwierig. Denn obwohl das Gericht die Aufgaben des bis 1945 bestehenden Reichsgerichts in Leipzig übernehmen sollte, kommt die Stadt im Osten als Sitz nicht in Frage. Das Problem: Sie liegt in der ebenfalls neu gegründeten DDR - ein neuer Standort in Westdeutschland muss also her.
Karlsruhe ist nicht von Anfang an Favorit
Daraufhin bewirbt sich neben Hamburg, Frankfurt am Main, Wetzlar und Köln unter anderem auch die Stadt Karlsruhe. Doch trotz ihrer badischen Vergangenheit: Die Abstimmung hätte die Fächerstadt um ein Haar gegen die rheinische Metropole verloren: "Bundeskanzler Konrad Adenauer wollte Köln zum Standort bestimmen", erklärt Detlev Fischer, ehemaliger Richter am BGH und Vorsitzender des Rechtshistorischen Museums Karlsruhe, im Gespräch mit ka-news.
"Dort saß auch bereits der Oberste Gerichtshof für die Britische Zone, der die Aufgaben des früheren Reichsgerichts in Nordwestdeutschland wahrnahm." Dass Karlsruhe den Zuschlag für den Sitz des BGH letztendlich doch bekommt, hat die Stadt laut Fischer den drei Bewerbungskriterien - genügend Wohnungen für die Richter, ein angemessenes Gebäude und eine große Universität im benachbarten Heidelberg - zu verdanken, die sie von allen Bewerbern am besten erfüllte.
Das Plenum des Bundestags gibt daraufhin im Jahr 1950 seine Zustimmung - und am 1. Oktober des selben Jahres öffnet der BGH im Erbgroßherzoglichen Palais seine Tore.
BVerfG kommt nach Karlsruhe - aus pragmatischen Gründen
Und warum sitzt auch das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in der Fächerstadt? Das Gericht zur Wahrung der deutschen Verfassung zieht dem Bundesgerichtshof nach Karlsruhe hinterher - und das aus einem einfachen Grund: "Einige der Richter am Bundesgerichtshof sollten auch Richter am Bundesverfassungsgericht werden", erläutert Rechtsexperte Detlev Fischer. Zudem sollen beide Behörden vorzugsweise eine gemeinsame Bibliothek nutzen können.
Am 28. September 1951 eröffnet das BVerfG im Prinz-Max-Palais in der Karlstraße und das "Gesetz über das Bundesverfassungsgericht" bekommt den Zusatz: "Der Sitz des Bundesverfassungsgerichts ist Karlsruhe." Am 6. Mai 1969 erhält das BVerfG mit dem Neubau neben dem Karlsruher Schloss einen eigenen Sitz.
"Badische Rechtsgeschichte hat mit Entscheidung nichts zu tun"
Hatte das rechtsstaatliche badische Erbe auf den Beschluss, die beiden Institutionen in die Fächerstadt zu holen, also tatsächlich keinen Einfluss? "Die badische Rechtsgeschichte weist natürlich zahlreiche rechtsstaatliche Impulse auf", meint Detlev Fischer gegenüber ka-news. "Mit der Entscheidung, Karlsruhe den Sitz der beiden Bundesgerichte zuzusprechen, hat das aber primär nichts zu tun."
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"Notfalls bis Karlsruhe gehen" ist seitdem das Leitbild aller Fußgänger, äh, renitenten Bruddler.
Paar konnten sich ob der Gerichtskosten den Rückmarsch nicht mehr leisten und sind offenbar in den hiesigen Kommentarspalten hängengeblieben ...
und bruddle ist das Recht jedes Bürgers und das ist gut so.
Wir hatten auch schon Zeiten, wo das Bruddeln lebensgefährlich war; geschweige denn, dass man nach Leipzig ging....
Das mit dem Rückmarsch könnte sich allerdings so zugetragen haben
darf man. Aber man darf auch Fragen stellen. Ob man eine Antwort bekommt, das ist nicht gesagt. Täter dürfen ohnehin schweigen.
Aus einer braunen Ecke kam der Hinweis, dass man sich vor dem Begehen von Straftaten ausrechnen kann auf welchen Stundenlohn man käme, falls man erwischt und verurteilt wird. Das war in der Bundesrepublik.
Dazu stellen sich mir auch einige Fragen. Andere fragen vielleicht, was mich denn daran stört.
Es stellen sich also durchaus immer wieder Fragen und solche Fragen haben nichts mit Gebruddel zu tun.
"Whoah! We're going to Ibiza"
Warum also nach Karlsruhe?
Souveränität und unser Selbstbestimmungsrecht gezielt genommen hat. Aus sonst keinem anderen Grund!
(dazu lesenswert: BVerfGE 1, 14 ff.)
es brauchte Argumente um das blühende Baden diesen ungeliebten Schwaben einzuverleiben, dann waren noch, ich glaube 2 Volksabstimmungen nötig, jetzt haben wir den Mist zementiert an der Backe